Die Energiewende ist ein zentraler Bestandteil des Plans der EU zum Erreichen ihrer Klimaziele. Besonders Photovoltaik- und Windprojekte sollen dabei Stützen des Erfolgs sein. In Frankreich gibt es seit dem 29. Dezember 2020 nun allerdings eine Entwicklung, die das Vorhaben und einen ganzen Markt untergraben könnte. Von den Industrieverbänden bereits als „Sonnenfinsternis“ (éclipse solaire) bezeichnet, hat es die gesamte Branche in Aufruhr versetzt. Kurz vor dem Jahreswechsel wurde im Rahmen des Haushalts für 2021 ein Gesetz beschlossen, mit dem der Einspeisetarif für Photovoltaik-Anlagen über 250 Kilowatt, die in den Jahren 2006 bis 2010 einen Stromabnahmevertrag mit dem französischen Netzbetreiber abgeschlossen haben, reduziert wird. Hierbei sollten eigentlich die Risiken mit einbezogen werden, die es beim Betrieb von Photovoltaik-Anlagen gibt, und zu einer, nach Ansicht des Staates, angemessenen Vergütung führen. Mit 1072 betroffenen Solarprojekten sollen so mindestens 400 Millionen Euro eingespart werden.
Sinkende Renditen sind für Betreiber solcher Projekte zwar nicht angenehm, können aber verkraftet werden. Der Paukenschlag erfolgte am 3. Juni 2021: Der Tag, an dem Erlass und Ausführungsverordnung, die die Kriterien zur Tarifreduzierung festlegen, bekanntgegeben wurden. Die finale Version wird nun folgen und soll ab dem 1. Oktober 2021 in Kraft treten – ein Datum, an dem für viele betroffene Projekte der Kampf ums Überleben beginnen wird.
Es hapert an der Ausführung
Für die Festlegung des neuen Tarifs wurden als entscheidende Parameter unter anderem das Datum der Inbetriebnahme, der Standort mit der dort vorhandenen Globalstrahlung sowie eine theoretische Rendite auf Basis der Errichtungs- und Betriebskosten, die eine vergleichbare Anlage gehabt hätte, gewählt, wobei letztere von den Behörden ermittelte „Standardwerte“ aus einer Mischung aus Daten ab 2017, weltweiten Daten und weiteren ermittelt wurden, wodurch für Branchenteilnehmer schwer nachvollziehbaren Annahmen entstanden sind. Die Netzanschlüsse erfolgten gerade in den Jahren des starken Zubaus in Frankreich (2010 und 2011) nicht unbedingt bei Fertigstellung der Anlage, sondern oft deutlich später. Dies führt nun zu einem viel niedrigeren zukünftigen Tarif, ohne dass hierauf die Betreiber jemals einen Einfluss gehabt hätten.
Nicht berücksichtigt wird auch die tatsächliche Produktion in den letzten zehn Jahren, die unter anderem auch von der Netzverfügbarkeit abhängig ist, die gerade im Süden deutlich schlechter ist als im Norden Frankreichs. Die Ausführung der aktuellen Verordnung ignoriert zudem wichtige Fakten mit Blick auf die Technologie und heutigen Watt-Klassen der Solarmodule. Heute müssen für die gleiche Leistung deutlich weniger Module verbaut werden. Dies führt nicht nur zu geringeren Errichtungskosten (weniger Kabel, Unterkonstruktion und so weiter), sondern auch zu niedrigeren Betriebskosten. Der starke Preisverfall für Module in den vergangenen Jahren bleibt bei all dem noch vollkommen unberücksichtigt.
Letztlich führt die neue Verordnung dann eben nicht zu einer passablen Vergütung, sondern zu neuen Tarifen, die bis zu 95 Prozent unter der alten Vergütung liegen können. In Südfrankreich kommen so teils Vergütungen von nur noch 2,075 Cent/Kilowattstunde für Projekte zustande, statt bisher 34,7 Cent/Kilowattstunde. Mit der geplanten Ausführung sind etliche Projekte auf einen Schlag nicht einmal mehr in der Lage, den Kapitaldienst für die laufenden Finanzierungen aufzubringen – Anlagen dieser Größenordnung lassen sich nur mit Krediten von finanzierenden Banken realisieren. Die Photovoltaik-Anlagen, die basierend auf dem Ministerialerlass von 2006, der die erste Förderung von Solarenergieprojekten vorgesehen hat, als französische Pionier-Projekte galten, stehen nun vor großen Problemen, wenn nicht gar vor dem Aus.
Eine Aneinanderreihung von Problemen – auch für deutsche Investoren
Wird das neue Gesetz zur Einspeisevergütung in Frankreich nun umgesetzt, wie es die Entwürfe vorsehen, werden nicht nur die Betreiber der Anlagen vor Schwierigkeiten gestellt. Betroffen sind neben nationalen auch etliche deutsche Investoren, die voller Zuversicht in französische Photovoltaik-Projekte investiert haben. Man war überzeugt, in ein verlässliches Land mit vielen Sonnenstunden zu investieren und man wollte nachhaltig in erneuerbaren Energien anlegen. Die Projekte sollten gerade in den nächsten Jahren, nachdem die Kredite schon deutlich zurückgeführt sein würden, höhere Ausschüttungen erwirtschaften, die dann den Investoren zugutegekommen wären.
Zusätzlich sind auch mehrere deutsche Landesbanken betroffen, die die Finanzierung des Fremdkapitalanteils übernommen haben. Bisher sind die Kredite vielenorts noch nicht komplett getilgt. Um die Richtlinien der Bafin und Bundesbank einzuhalten, müssen die Risiken im eigenen Haus nun neu bewertet und gegebenenfalls auch das zu hinterlegende Eigenkapital verstärkt werden. Deutsche Landesbanken haben bei derartigen Finanzierungen meist auf KfW-Mittel zurückgegriffen; diese waren mit niedrigen Zinssätzen ausgestattet, um die Energiewende zu fördern. Sollte es kein Einlenken des französischen Staates geben und die Projekte zum Teil in die Insolvenz gehen, wären diese Förderkonditionen in dann verlorene Projekte geflossen. Die Banken müssten dann die Abschreibung ihrer Kredite verkraften.
Gesellschaft, Markt und Klimaziele wanken
Wer den Blick über den Tellerrand dieser aktuellen Entwicklungen wagt, erkennt schnell, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen nicht bei Betreibern und Investoren stoppen. Für Wartungsfirmen, Sicherheitsfirmen, Verpächter von Flächen, aber auch Dienstleister wie Steuerkanzleien brechen etliche Kunden weg. Mitarbeiter der betroffenen Firmen würden ohne Aufgaben und schlussendlich eventuell auch ohne Job dastehen.
Erinnert man sich an den einstigen Gedanken, wieso man sich 2006 dazu entschied, Photovoltaik-Projekte zu fördern zurück, muss man sich nun verwundert die Augen reiben. Gerade jetzt, wo neue, ambitionierte Klimaziele in der EU erklärt wurden und nachhaltige Energieprojekte hier Pfeiler dieses Vorhabens sind. Durch derartige Maßnahmen wird der dringend für die Energiewende erforderliche Ausbau erneuerbarer Energien konterkariert. Schlimmstenfalls haben wir Ende 2022 in Frankreich nicht mehr, sondern sogar weniger Photovoltaik-Leistung am Netz als heute. Das Vertrauen in Frankreich als Investitionsland für erneuerbare Energieprojekte wird so grundlegend erschüttert und ein Markt, der im Photovoltaik-Bereich eine so wichtige Rolle spielt, langfristig seine Position verlieren. Sollte das Vorhaben wie geplant umgesetzt werden, setzt Frankreich damit auch ganz allgemein seine Reputation als sicheres Investitionsland aufs Spiel. Wer will schon in ein Land investieren, dessen Staat einstmals gegebene Versprechen – hier in Form der Stromabnahmeverträge – einfach bricht?
Was nun folgt, werden Klagen auf allen Ebenen sein – gegen die erwarteten Erlasse, gegen den Staatsrat (Conseil d’État), der das oberste Verwaltungsgericht darstellt, und vor den unzähligen Verwaltungsgerichten im Land. Aber auch auf internationaler Ebene werden auf Grundlage des Energiecharta-Vertrags (ECT) Klagen erwartet. Selbst auf EU-Ebene wird geprüft werden müssen, ob das Vorgehen der französischen Regierung, nämlich geschlossene Verträge einseitig zu ändern, konform mit dem Gemeinschaftsrecht ist. Das wird Geld kosten, nicht nur auf der Investoren- und Betroffenenseiten, die klagen werden, sondern auch den französischen Staat. Wie viel der 400 Millionen Euro, die eingespart werden sollen, hier dann verpuffen, ist fraglich. Genauso wie die Tatsache, ob die EU-Klimawende mit einem solch geschwächten Vertrauen in den französischen Markt für erneuerbare Energien geschafft werden kann.
— Die Autorin Antje Grieseler ist Gründerin und Geschäftsführerin von Leonidas Management und weiteren Gesellschaften die gemeinsam im Verbund, länderübergreifend Solar- und Windprojekte umfassend verwalten und betreuen. Nach ihrer Tätigkeit bei Cortal Consors im Bereich Strategische Entwicklung arbeitete Antje Grieseler ab 2005 als unabhängige Beraterin für Investments in erneuerbare Energien. Die Diplom-Betriebswirtin begann mit der Beratung von institutionellen Investoren bei Solar-Investments in Deutschland und Italien, entwickelte dieses Geschäftsmodell jedoch schnell weiter und gründete im Jahr 2008 die Leonidas Associates, die privaten Anlegern die Möglichkeit gab, über geschlossene Beteiligungsgesellschaften in erneuerbare Energien fortan auch in Frankreich zu investieren. 2012 entschloss sie sich dazu, die Geschäftstätigkeit ihres Unternehmens vor allem auf Frankreich zu fokussieren und auch in Projekte im Sektor Windenergie zu investieren. 2017 hat sich Antje Grieseler mit ihrem Leonidas Team wieder den institutionellen Investoren zugewandt, für die nun Wind-Projekte in Frankreich realisiert und betrieben werden. Heute betreut sie mit ihrem Team 49 Wind- und Photovoltaik-Projekte mit 278 Megawatt Leistung jährlich. Um die Kernkompetenz der Leonidas-Gruppe – die Expertise auf dem französischen Markt für Solar- und Windenergie – weiter zu schärfen, eröffnete Leonidas in 2015 ein Büro in Reims. Dafür gründete Antje Grieseler die Unternehmen Leonidas Wind SARL, um das technische Asset Management der Windparks vor Ort sicherzustellen und Leonidas Associates France SAS, die sich um die rechtlichen Belange der Anlagen kümmert. —
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Frankreich…..ein land der Atommeiler.
Wer geglaubt hat, hier ein Hafen für sichere Investitionen für die Erneuerbaren zu finden, wurde jetzt dramatisch abgestraft.
Es wird spannend bleiben, wie France sich den Vereinbarungen zum Pariser Abkommen stellen wird.
Aller Wahrscheinlichkeit mit weiterhin ca. 80% emmissionsfreien Atomstrom!
Choupee!
Beinahe logische Konsequenz aus den Entwicklungen in Spanien und Italien. Beispiellos wie sich Staaten auch nach jahrelangen juristischen Verhandlungen (Spanien) Ihren Verpflichtungen entledigen können. Diese staatliche und juristische Willkür ist kaum auszuhalten. Ich für meinen Teil ziehe meine Lehren daraus….