Deutschland will bis spätestens 2038 das letzte Kohlekraftwerk vom Netz nehmen. Dies ist politisch vereinbart, doch der Markt könnte den Zeitplan deutlich durcheinanderwirbeln, wie eine Analyse von Enervis Energy Advisors zeigt. Basierend auf aktuellen Einschätzungen zur Strommarktentwicklung in Kombination mit unterschiedlichen Erwartungswerten zum Kohleausstieg sowie zur Entwicklung des CO2-Preises im europäischen Emissionshandel (EU ETS) haben die Energieökonomen die langfristige Strompreis- und Strommarktentwicklung am deutschen Großhandelsmarkt prognostiziert und analysiert. Das Resultat: Ein Kohleausstieg wäre schon deutlich früher möglich.
„Unsere Strommarktmodellierungen zeigen, dass ein Kohleausstieg bereits bis 2030 in Verbindung mit EU ETS CO2-Preisen größer 65 Euro/Tonne CO2 in 2030 nicht nur das Strompreisniveau am Großhandelsmarkt unter fundamentalen Gesichtspunkten steigen lässt“, sagt Mirko Schlossarczyk, Partner und Strommarktexperte der Enervis.“ Eine direkte Konsequenz sind zudem spürbar abnehmende CO2-Emissionen der Stromerzeugung. Der Ausstoß von Kohlendioxid des Kraftwerksparks reduziert sich auf deutlich unter 100 Millionen Tonnen CO2 in 2030.“ Damit würde die Energiewirtschaft das mit dem novellierten Klimaschutzgesetz verschärfte Minderungsziel von 108 Tonnen CO2 bis 2030 sogar noch unterbieten.
Bereits derzeit liegt der CO2-Preis stabil über 50 Euro pro Tonne. Sehr „zum Leidwesen“ der Betreiber von Kohlekraftwerken, die damit weniger wettbewerbsfähig werden, wie es von Enervis weiter heißt. Gleichzeitig profitieren jedoch Gaskraftwerke und erneuerbare Energien von der Preisentwicklung im Emissionshandel. Diese müssten nun jedoch zügig ausgebaut werden, da durch die voranschreitende Dekarbonisierung und Elektrifizierung des Wärme- und Verkehrssektors sowie der Industrie und dem Markthochlauf von Wasserstoff die Stromnachfrage bis 2030 signifikant steigen werde. Die von Enervis skizzierten Annahmen führen schon im Jahr 2030 zu einem höheren Bedarf an Gaskraftwerken. „Die vielzitierte Brückentechnologie Gas könnte in diesem Umfeld eine Renaissance erleben.“ so Schlossarczyk weiter.
Mit den schwindenden Kohlekraftwerkskapazitäten werde sich auch der Strompreis erhöhen. Dies wirke sich positiv auf Erlösmöglichkeiten für Betreiber von Photovoltaik- und Windkraftanlagen aus. Für den Strompreis gehen die Enervis-Analysten von einer Steigerung des Marktwerts von 15 bis 20 Prozent in den Jahren 2030 und 2035 aus – gegenüber einem Szenario mit einem Kohleausstieg 2038 und moderatem CO2-Preisniveau. Nach ihrer Einschätzung wird der europäische Emissionshandel damit in den nächsten Jahren zum zentralen Treiber des Strompreisniveaus sowie der strukturellen Veränderungen im Markt.
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Provokation:
Warum nur in CO2 Preisen denken?
Gäbe es nicht einen steuernden Effekt, wenn den auch ein Kohle-, Rohöl- oder auch Gasimport mit Einfuhrsteuer belegt würde.
Differenzierte Vorgehendweise der staatlichen Lenkungsstellen.
Steuern kommt von steuern.
Und bitte, vergeßt nicht die Kohlekumpels bei der Verteilung von Ausgleichsmaßnahmen!
Thomas sagt:
Warum nur in CO2 Preisen denken?
@ Thomas.
„Nur“ .. in CO2 denken, ist in vieler Hinsicht nicht Energiewende dienlich.
Außer dem, was Sie genannt haben, gibt es noch einiges mehr was da hinein spielt.
Schauen Sie mal hier:
https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/energiewirtschaft-der-strompreis-schock-industrie-zahlt-so-viel-wie-seit-einem-jahrzehnt-nicht-mehr/27360246.html
Zitat:..Der Strompreis-Schock: Industrie zahlt so viel wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr
Im Folgenden sehe ich wie die Altgedienten mit den hohen CO2 Preisen – leider an EEG vorbei – eine neue Geschäftsstrategie konstruieren.
Das letzte noch für die Nachfrage benötigte Kraftwerk bestimmt den Börsenpreise, sprich Großhandelspreis. So das Gesetz an der Leipziger Strombörse. Alle anderen zu Nachfrage benötigten Erzeugungen werden nach diesem Preis bezahlt.
Siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Merit-Order
Wenn das letzte Kraftwerk nun ein mit hoher CO2 Abgabe belastetes Kraftwerk ist, steigen die Börsenpreise, für alle anderen Erzeugungsarten und Handelsarten. Wer nun notgedrungen Langzeitverträge am Terminmarkt auf dieser Basis abschließt, tut lediglich den Altgedienten einen Gefallen. Die können diese Verträge anschließend mit volatilen und entsprechend billigen Überschusserzeugungen bedienen. Dazu kommt, dass ihre PPA Verträge – am EEG vorbei – immer lukrativer werden. Man sieht eine Energiewende die für beiden Seiten gerecht wird, geht nicht einfach, in dem man die CO2 Preise hoch setzt.
Übrigens nach unserem paradoxen System, müsste infolge der gegenwärtig hohen CO2 Preise die EEG Umlage sinken, die ist nämlich für 2021 wieder auf sinkende Börsenpreise prognostiziert. Bin mal gespannt was passiert