Kampf um das EEG auch bei den Grünen

Hans-Josef Fell

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Im letzten Jahrzehnt, unter den verschiedenen Regierungen Merkel wurden immer mehr Kernelemente des EEG, die im Jahre 2000 erfolgreich auf den Weg gebracht wurden, so verändert, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien Stück für Stück massiv unter die Räder kam.

Im Wahlprogramm der Grünen, welches am Wochenende verabschiedet wird, gibt es nun eine heftige Debatte um genau eine der wichtigsten Grundlagen des EEG. Es ist wichtig, dass die Grünen Delegierten dem Vorschlag des Bundesvorstandes zur Senkung der EEG-Umlage mit Hilfe einer Steuerfinanzierung nicht zustimmen. Ansonsten würde ein von Union und SPD bereits eingeführter Sargnagel des EEG auch durch grüne Politik abgesegnet, statt nach der möglichen Regierungsübernahme korrigiert.

Mein Appell an alle Delegierte ist, diesem Änderungsantrag zuzustimmen:
https://antraege.gruene.de/46bdk/kapitel_1_lebensgrundlagen_schuetzen-5200/9678

Bis heute hat sich der jährliche Ausbau, wie er mit über 7 Gigawatt bei PV, über 5 Gigawatt bei Wind, sowie mit über 1 Gigawatt Bioenergie erreicht wurde, nicht mehr von seinen damaligen Spitzenwerten erholt. Statt weiter ein exponentielles Wachstum zu befördern, welches für die Abwehr einer weiteren Aufheizung der irdischen Atmosphäre mit 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2030 zwingend notwendig ist, wird von der jetzigen Bundesregierung weiter – ganz im Sinne der fossilen und atomaren Wirtschaft – politisch daran gearbeitet, die wirksamen Grundlagen des EEG 2000 zu zerschießen.

Gegenüber dem erfolgreichen EEG 2000 wurden in den letzten Jahren seit etwa 2010 die wichtigsten fundamentalen Bausteine durch die Regierungskoalitionen aus CDU/CSU, FDP und SPD zerstört, häufig aufgrund von Beratungsvorschlägen von grün-nahen Instituten wie Agora oder dem Ökoinstitut:

  • Die EEG-Umlage wurde nicht mehr von den Verteilnetzbetreibern an die Stromkunden weitergereicht, sondern in die Hand der Übertragungsnetzbetreiber und des unkalkulierbaren Börsengeschehens gegeben, was die EEG-Umlage völlig ohne Notwendigkeit massiv hat ansteigen lassen.
  • Das weitgehend bürokratiefreie EEG 2000 ist mit lähmender Bürokratie überfrachtet worden.
  • Die für einen erfolgreichen Ausbau durch bürgerliche Investoren notwendige feste, gesetzlich garantierte Einspeisevergütung wurde weitgehend durch angeblich „marktkonforme“ Ausschreibungen ersetzt, mit dem Effekt, dass heute fast nur noch große finanzkräftige Investoren zum Zuge kommen und der erfolgreiche bürgerliche Ausbau weitgehend erstickt wurde.
  • Bis heute zahlen die Produzenten von klimaschädlichem Strom aus Kohle oder Erdgaskraftwerke ihre milliardenschweren Schadenskosten nicht selbst, stattdessen werden viele Erzeuger von sauberem Ökostrom mit der Bezahlung der EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch des selbst erzeugten Stroms („Sonnensteuer“) und überzogenen teuren Auflagen für Zähler u.a. erheblich zur Kasse gebeten.

All diese Hürden für Ökostrominvestoren sind bewusst von Union und SPD aufgebaut worden, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zum Schutze der fossilen und atomaren Wirtschaft massiv auszubremsen. Im letzten Jahr hat die Union zusammen mit der SPD noch ein wesentliches negatives Element zugefügt:

  • Die teilweise Bezahlung der EEG-Umlage aus Steuergeldern, statt aus den Stromrechnungen der Stromkunden. Für Laien erschließt sich die verheerende Wirkung dieses Systemwechsels nicht so schnell, doch er ist besonders dramatisch für den Fortbestand des EEG.

Mit dem Wechsel zur teilweisen Steuerfinanzierung wurde das EEG eine Beihilfe nach EU-Recht. Damit erhält die Europäische Kommission die Hoheit über die Gestaltung des EEG. Die Kommission ist aber über den immer noch gültigen EURATOM-Vertrag gesetzlich verpflichtet, einen mächtigen Ausbau der Atomenergie zu befördern. Diesen stört natürlich der Ausbau des Ökostromes, genauso wie den Erhalt des klimaschädlichen fossilen Geschäftsanteiles der Atomkonzerne, eben den Betrieb von Kohle- und Erdgaskraftwerken. Die beihilfeprüfberechtigte Europäische Kommission ist somit auch eine Hüterin der Interessen der klimaschädlichen fossilen und atomaren Energiewirtschaft. Genau mit diesen Interessen und Verpflichtungen erhielt sie nun ohne Not die Oberhoheit über das EEG, weil Union und SPD alle Warnungen dazu ignorierten und die teilweise Steuerfinanzierung der EEG-Umlage einführten.

Ein zweiter Grund der Steuerfinanzierung des EEG ist ebenso gefährlich für den wirkungsvollen Fortbestand des EEG: Nun bestimmen der Finanzminister und der Finanzausschuss des Bundestages, wie viele Gelder für den Ausbau des Ökostromes über das EEG zur Verfügung stehen. Die exorbitante Verschuldungskrise des Bundeshaushaltes infolge der Coronakrise wird alle Spielräume zur angemessenen Finanzierung des Ökostrom-Ausbaus in den kommenden Jahren strangulieren, allen Klimaschutz-Erfordernissen zum Trotz. Und ob die Haushaltsmittel für die Finanzierung des EEG jemals wirklich aus der CO2-Bepreisung ausreichend zur Verfügung stehen, steht noch in den Sternen. Die heftigen Widerstände, nicht nur von SPD-Finanzminister Olaf Scholz zur aktuellen Debatte um die Benzinpreiserhöhung infolge der CO2-Bepreisung , sprechen Bände für eine ungewisse Zukunft.

Die oben beschriebenen, verheerenden Auswirkungen der Steuerfinanzierung der EEG-Umlage sind nun Gegenstand auch in der Verabschiedung des Wahlprogrammes von Bündnis 90/Die Grünen. Im Entwurf des Bundesvorstandes wurde ganz im Sinne von Union, SPD, FDP und auch der AFD die Senkung der EEG-Umlage gefordert.

Gegen diese Passage wurde ein Änderungsantrag aus den Reihen der Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen gestellt. Dieser Änderungsantrag sieht die Beibehaltung der Finanzierung der EEG-Umlage wie bisher vor. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollen stattdessen voll in ein Energiegeld gehen, das jeder Mensch vom Baby bis zur Seniorin bekommen soll. Das Energiegeld ist sozial am gerechtesten und belohnt die umweltbewussten Bürgern. Dagegen bevorzugt eine Senkung der Strompreise die Leute, die mehr Strom verbrauchen und das sind in der Regel auch die Wohlhabenderen. Nach dem bisherigen Entwurf des Wahlprogramms würde nur ein kleinerer Teil der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung in das Energiegeld gehen, dieses soll dann laut Aussagen aus der Grünen-Führung nur 75 Euro im Jahr betragen. Bei konsequenter Rückgabe der CO2-Einnahmen, wie es der Antrag fordert, sind 200 Euro pro Person möglich. Die öffentlichen Angriffe der letzten Woche auf die durch steigenden CO2-Preis kommenden Benzinpreiserhöhungen machen deutlich: Es ist entscheidend, dass die Menschen spüren, dass sie die Einnahmen zurückbekommen. Eine kleine Strompreissenkung wird nicht so erlebt, wie die aufsehenerregende neue Erfahrung: Der Staat schenkt mir Geld.

Eine gerade neu veröffentlichte, wissenschaftliche Studie zu genau dem Thema, Senkung der EEG-Umlage, im Auftrag der Klimaschutz-Organisationen Germanwatch, BUND, Klima-Allianz Deutschland, erstellt vom Forum Ökologisch- Soziale Marktwirtschaft (FÖS) kommt nach ausführlicher wissenschaftlicher Untersuchung zu den klaren Ergebnissen, dass das Energiegeld sowie gezielte Förderungen klimapolitisch, sozial und ökologisch besser sind als die das EEG gefährdende Strompreissenkung:

Hier Zitate aus der Zusammenfassung der Studie:

  • „Das EEG [wird] durch relevante staatliche Zuschüsse auf das EEG-Konto bei der EU beihilfepflichtig. Damit nimmt sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Finanzierung der EE-Anlagen Gestaltungspielraum, den er bisher hatte.“
  • „Ein relevantes Risiko für den Ausbau der erneuerbaren Energien ergibt sich durch eine erhebliche Finanzierung der EEG-Umlage aus dem Bundeshaushalt. Hierdurch entstehen Unsicherheiten für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Denn dadurch könnte der Bau neuer EE-Anlagen von den jährlichen Haushaltverhandlungen des Bundestags abhängig sein, eine Finanzierungssicherheit wäre dann nicht mehr gegeben.“
  • „Geringere Energieeffizienz: Eine Senkung des Strompreises würde voraussichtlich die Stromnachfrage im Vergleich zu einem Szenario ohne Strompreissenkung erhöhen und damit dem Ziel der Energieeffizienz entgegenwirken.“
  • „Verbesserte Sektorkopplung: […] Ein wichtiges Instrument für die Verbesserung der Sektorenkopplung ist ein wirksamer CO2-Preis für fossile Energieträger. Eine pauschale Senkung der EEG-Umlage ist eine von mehreren Möglichkeiten, um die Wirtschaftlichkeit von sektorenkoppelnden Technologien zu verbessern. […] Die Zielgenauigkeit ist bei spezifischen Förderinstrumenten deutlich größer, wie z.B. bei einer Erhöhung der Förderung für Investitionen in E-PKW, in Ladeinfrastruktur und in effiziente Wärmepumpen. Sie adressieren zudem genauer wesentliche Hemmnisse in diesen Bereichen.“
  • „Alternative Verwendungen der Einnahmen der CO2-Bepreisung wirken sozial und ökologisch zielgerichteter als eine pauschale Senkung der EEG-Umlage.“
  • „Klimaprämie entlastet ärmere Haushalte stärker als eine Senkung der EEG-Umlage“
  • „Eine pauschale Absenkung des Endkundenstrompreises würde auch den Ausbau der erneuerbaren Energien beim Eigenstromverbrauch und für Akteure, die ihre Kunden direkt beliefern wollen, im heutigen Strommarktdesign unattraktiver machen.“
  • „Die Senkung der EEG-Umlage ist eine sehr kostspielige Politikmaßnahme, deren soziale und ökologische Auswirkungen nach dem Gießkannenprinzip wirken. Mit den gleichen Finanzmitteln könnten andere Maßnahmen stärker auf die Ziele Klimaschutz und Minderung von sozialer Ungleichheit einzahlen.“
  • „Eine wesentliche politische Aufgabe für die nächste Legislaturperiode ist eine Gesamtreform des Energiemarktdesigns, also der Kostenverteilung und finanziellen Anreize im Energiesektor. […] Die Reformaufgabe ist also komplex. Die Verengung von politischer Kommunikation und Handeln auf den Faktor EEG-Umlage ist irreführend. Sie suggeriert, dass dadurch das wesentliche Problem gelöst sei und problematisiert gleichzeitig allein die Kosten der erneuerbaren Energien – beides ist nicht der Fall.“

Der vorliegende Änderungsantrag zur EEG-Umlage im Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen hat eine fundamentale Bedeutung. Erkannt haben dies über 375 Unterstützer, darunter viele Fachleute aus allen betroffenen Fachgremien, weshalb er der am meisten unterstützte Änderungsantrag zum Wahlprogramm überhaupt wurde. Dennoch wurde er ohne Begründung von der Antragskommission abgelehnt. Nun haben es die Delegierten von Bündnis 90/Die Grünen in der Hand, in einer Kampfabstimmung für den Änderungsantrag zu stimmen.

Geht diese Abstimmung verloren, gehen Bündnis 90/Die Grünen einen Weg, wie ihn CDU/CSU, FDP und SPD bereits konsequent mit vielen Schritten im letzten Jahrzehnt gegangen sind: Eine weitere dramatische Verschlechterung des EEG mit der Wirkung einer massiven Behinderung des notwendigen exponentiellen Ausbaus der erneuerbaren Energien.

Und das, obwohl das EEG als einziges bisher wirksames Klimaschutzgesetz entscheidend bewirkt hat, dass heute die erneuerbaren Energien in der Lage sind, bis 2030 die vollständige Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien zu schaffen.

Doch, um diese Chance für einen echten wirksamen Klimaschutz noch zu erreichen, braucht es ein optimales EEG und weitere offensive politische Maßnahmen und keine weitere Verschlechterung des EEG.

Bündnis 90/Die Grünen können mit ihrer historischen Chance der Erringung des Kanzleramtes nur dann eine wirksame Klimaschutzpolitik leisten, wenn sie ein Programm haben, das den exponentiellen Ausbau der Erneuerbaren befördert und nicht in den Kanon der EEG-Zerstörer von Union, SPD und FDP einstimmen.

Ich bitte alle Delegierten von Bündnis 90/Die Grünen, für den Änderungsantrag  zu stimmen.

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —

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