Das Bundesverfassungsgericht hat den Klimaschutz als Thema des Grundgesetzes bekräftigt. Das ist gut und angebracht. Es wählt jedoch einen seltsamen Gedankengang. Um den Schutz des Klimas geht es nur indirekt. Im Vordergrund steht der Schutz von Freiheitsrechten, von denen zu erwarten ist, dass sie durch Klimaschutzmaßnahmen eingeschränkt werden.
Folgendermaßen läuft die Argumentation: Um die „Paris-Ziele“ einzuhalten, muss bis 2050 eine 100-prozentige Klimaneutralität erreicht werden. Die gegenwärtige Gesetzeslage sieht eine bezogen auf das Jahr 1990 55-prozentige Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 vor. Dafür steht also ein Zeitraum von 40 Jahren zur Verfügung, weil das Basisjahr 1990 ist. Für die restlichen 45 Prozent stehen lediglich 20 Jahre (von 2030 bis 2050) zur Verfügung. Dies bedeutet, dass die nach 2030 nötigen Minderungsmaßnahmen sehr drastisch ausfallen müssen. „Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind.“
Laut Klimaschutzgesetz von 2019 muss im Jahr 2025 festgelegt werden, wie der Emissionsminderungsweg nach 2030 konkret verlaufen soll. Der substanzielle Gehalt des jetzigen Urteils besteht in nichts anderem, als den Termin 2025 um 3 Jahre vorzuverlegen: „Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 bis zum 31. Dezember 2022 näher zu regeln.“
Bei der unvoreingenommenen Lektüre des 270 Seiten starken Urteils, in welchem der Kontrast zwischen den moderaten Minderungsbemühungen bis 2030 und den danach nötigen drastischen Maßnahmen vielmals angesprochen wird, wartet man immer ungeduldiger auf das erlösende Wort: Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss ab sofort erheblich beschleunigt werden, um die Ungleichheit zwischen den 40 Jahren für 55 Prozent und den 20 Jahren für 45 Prozent zu beheben oder zumindest abzumildern. Doch man wartet umsonst. Dieses Wort kommt nicht. Die bisherige Gesetzgebung zum Klimaschutz wird zwar mit kritischen Aussagen bedacht, aber nur an dem einen Punkt, dass sie die Konkretisierung des Pfades ab 2030 zu spät angeht, zur Änderung veranlasst.
Klimaschutz = Freiheitsberaubung?
Die nach 2030 zu erwartenden Klimaschutzmaßnahmen werden ausschließlich als freiheitseinschränkend gekennzeichnet: „rechtliche Gefährdung künftiger Freiheit“, „CO2 – relevanter Freiheitsgebrauch immer stärkeren, auch verfassungsrechtlich gebotenen Restriktionen ausgesetzt“, „praktisch jegliche grundrechtlich geschützte Freiheit gefährdet“. Klimaschutz wird dargestellt als Freiheitsberaubung. Die Bevölkerung erscheint als willenloses Opfer neuer, nie dagewesener Zwänge.
Spätestens an dieser Stelle fragt man sich: Wo bleiben eigentlich die erneuerbaren Energien? Diese sind doch der entscheidende Hebel für den Klimaschutz. Und in der Energiewende ist die Bevölkerung gerade kein Opferlamm, sondern der wichtigste Akteur. Denn die Erneuerbaren, und insbesondere die kleinteilige Photovoltaik, sind genuines Betätigungsfeld des Mittelstandes. Das Geschäftsmodell großer Konzerne ist da nicht kompatibel. Und Akteure, Aktive, Kreative befinden sich niemals in einer Opferrolle. Sie wirken mit an der Gestaltung der Welt.
Dem Bundesverfassungsgericht scheint dies fremd zu sein. Die Energiewende, die erneuerbaren Energien, geschweige denn die Bürgerenergie, spielen im Urteil keine Rolle. Statt „Energiewende“ ist dort von „Klimaneutralität“ oder „Treibhausgasneutralität“ die Rede. Diese Begriffe scheinen übergeordnet zu sein. Sie enthalten die erneuerbaren Energien als einen Faktor, umfassen aber auch sogenannte CO2-Senken, indem als Ausgleich zur CO2-Emission an einer Stelle an anderer Stelle beispielsweise Bäume gepflanzt werden, die das CO2 der Luft wieder entziehen sollen. Das Aufrechnen ist allerdings nicht nur schwer durchschaubar, sondern auch fragwürdig. Der Ausgleich erfolgt erst Jahrzehnte später, wenn die Bäume eine gewisse Größe erreicht haben, was in Zeiten des Klimawandels aber niemand garantieren kann.
Energiewende ist die fundamentale Klimaschutzmaßnahme
Energie ausschließlich nur noch regenerativ zu erzeugen, ist die grundlegende und ausschlaggebende Klimaschutzmaßnahme. Sie ist einfach und klar zu überwachen und verringert die Treibhausgasemission sofort, statt einer bloßen und auch noch ungewissen Neutralisierung in ferner Zukunft. Auf den schnellstmöglichen und 100-prozentgen Umstieg auf die Erneuerbaren müssen alle Kräfte und Potenziale fokussiert werden.
Worte des Mahnens haben die Verfassungsrichter eine ganze Menge gefunden. Ihre Taten sind indes nicht vorbildlich: Bis 2030 kann erst mal alles weiterlaufen, wie gehabt. Immer mehr Praktiker der Energiewende erkennen jedoch, dass das unverantwortlich wäre. Bis 2030 muss der Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare geschafft sein, wenn die Klimarettung noch eine Chance haben soll!
Und ja: „wo ein Wille ist, öffnet sich auch ein Weg“, darauf sollte man setzen, dafür sollte man alles zu tun und alles zu geben. Ja, das Ersparte nicht für einen Urlaub, sondern für Stromunabhängigkeit investieren! Das ist kein Verzicht, sondern Gewinn neuer Erfahrungen: Eigenständigkeit, Handlungsfähigkeit, Autonomie. Und eine mögliche Geldentwertung verliert dadurch auch ihre Schrecken!
Zusammen mit den erneuerbaren Energien kommt ein neues Zeitalter. Vermutlich wird sich mehr ändern als gleichbleibt. Dass es den bisherigen Massentourismus nicht mehr geben wird, kann durchaus sein. Vielleicht werden wir unsere Freizeit verwenden, um mit dem Nahen intensiver in Kontakt zu kommen, mit den Menschen, die uns umgeben. Gerade die Eigenversorgung mit erneuerbaren Energien legt nahe, Gemeinschaften zu bilden. Und die gemeinsame Energieversorgung kann sich weiter entwickeln zu neuen Formen von Lebensgemeinschaften. Das kann deutlich bereichernder und befreiender sein als der jährliche Mallorca-Urlaub.
Zum Schluss nochmal zum Karlsruher Urteil: Die mahnenden Worte der Verfassungsrichter haben durchaus auch einen Wert. Sie können den klima- und energiepolitischen Schandtaten der Bundesregierung entgegengehalten werden. Aus deren Vielzahl nur ein Beispiel:
Die Agri-Photovoltaik entwickelt sich immer mehr zu einer Win-Win-Lösung, die sowohl der Landwirtschaft als auch der Energiewende zugute kommt. In anderen Ländern gibt es beste Erfahrungen mit Agri-PV bei Obst-, Beeren- und Weinanbau sowie auf Grünland. In Deutschland ist die Agri-PV laut EEG 2021 aber nur auf Ackerflächen zulässig. Obendrein ist dem Landwirt auch noch der Eigenverbrauch der auf seinem Grund und Boden erzeugten Elektrizität verboten. Motiv der Regelung ist offenkundig die Interessenwahrung herkömmlicher Energiekonzerne. Denn jede neue Sparte, die sich in der Hand des Mittelstandes oder in der Hand von Bürgern befindet, schränkt deren Geschäftsbereich ein. Der Deutsche Bauernverband und Fraunhofer-ISE müssen nun den Bittgang zur Bundesregierung antreten. Das ist empörend! Man erinnere sich, wie den LNG-Betreibern der rote Teppich ausgerollt wurde durch blitzschnelle Gesetzesänderungen, die ihnen die Umlegung der Infrastruktur-Investitionen auf die Kundenpreise ermöglichten.
„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ So lautet der Artikel 20a des Grundgesetzes.
Hierzu die Verfassungsrichter im aktuellen Urteil:
„Art. 20a GG ist eine justiziable Rechtsnorm, die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die besonders betroffenen künftigen Generationen binden soll.“ Und weiter: „Auch der objektivrechtliche Schutzauftrag des Art. 20a GG schließt die Notwendigkeit ein, mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten.“
— Der Autor Christfried Lenz, politisiert durch die 68er Studentenbewegung, Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Seit 2013 verfügt der stellvertretende Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ im Bündnis Bürgerenergie (BBEn) über eine 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak. —
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Lieber Christfried Lenz,
den Kernsatz in Ihrem Beitrag unterstütze ich zu 100 %:
„Energie ausschließlich nur noch regenerativ zu erzeugen…..ist einfach und klar zu überwachen und verringert die Treibhausgasemission sofort, statt einer bloßen und auch noch ungewissen Neutralisierung in ferner Zukunft. Auf den schnellstmöglichen und 100-prozentgen Umstieg auf die Erneuerbaren müssen alle Kräfte und Potenziale fokussiert werden.“
Nur ein gemeinsamer Weg kann erfolgreich sein, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Jeder Bürger muss mitmachen und seinen Beitrag leisten. Das, was wir heute noch als Wohlstand bezeichnen, wird es in ein paar Jahrzehnten vermutlich so nicht mehr geben.
Wenn ich aber in diesem Forum lese, dass sich der Energiekonzern RWE bei der jüngsten Innovationsausschreibung einen Zuschlag für einen Solarpark mit 14,4 Megawatt und einen Großspeicher mit 9,6 Megawattstunden gesichert hat, dann bin ich skeptisch, dass sich die Großkonzerne die Butter vom Brot nehmen lassen und Bürgerbeteiligung akzeptieren.
Das sehr interessante Urteil des BVG bedeutet in meinen Augen, dass jedwede Deckelung oder Behinderung des Ausbaus von CO2 neutralen Anlagen zur Strom- und Wärmeerzeugung auf Verfassungsmässigkeit überprüft werden müssen.
Das Pflanzen von Bäumen darf nur mit dem, dem tatsächlichen Entwicklunsstand entsprechenden Faktzor angerechnet werden!
Ich glaube in dem Artikel wird dem Verfassungsgericht eine falsche Rolle zugedacht. Das BVG entscheidet zu Gesetzen und nicht zu deren technische Umsetzungsmöglichkeiten. Würde da jetzt in irgendeine Richtung etwas vorgegeben, dann wäre kommendes nicht mehr durch das Urteil gedeckt. Es liegt jetzt in den Händen der Bevölkerung und des Gesetzgebers diese Ziele zu erreichen. Wobei der Gesetzgeber Rahmenbedingungen schafft und die Verbraucher, ob privat oder gewerblich, handeln müssten, was ja nicht so richtig geschieht. Man schaue nur auf den Flottenverbrauch der Autohersteller und deren Tricksereien. Auch die Photovoltaikindustrie hat da immer schön mitgemacht. Die Kosten pro kW Peak haben sich immer den Förderungen angepasst. Wurden die Förderungen verändert, änderten sich auch schlagartig die Preise für Dachanlagen, als hätten sich die Herstellkosten von einem auf den anderen Tag geändert.
Was mich aber am meisten ärgert ist, dass es immer noch nicht erlaubt ist ein Elektroauto gleichzeitig wie einen Heimspeicher zu benutzen. Betrieben mit einer Photovoltaikanlage wäre das im Moment der günstigste Stromspeicher, der auch noch fahren kann. Mit einem Fahrzeug, das mit 100 kWh 50.000€ kostet, sind das 500 € pro kWh. Davon braucht man vielleicht mal 10% am Tag zu Hause. Ich weiß nicht wer das eigentlich nicht will. Die technische Möglichkeit ist doch schon lange gegeben.
Im Vordergrund steht der Schutz von Freiheitsrechten, von denen zu erwarten ist, dass sie durch Klimaschutzmaßnahmen eingeschränkt werden.
Diese Interpretation ist sehr unglaubwürdig.
Was wird denn an Freiheitsrechten eingeschränkt?
Ich finde wenn wir so weiter machen mit dreckigen Verbrennern, Energiewendeverhinderung und Mobilitätswendeverhinderung, dann werden wir viel mehr als irgendwelche Freiheiten einbüßen.
Unsere körperliche Unversehrtheit ist viel wichtiger als die Gier nach Macht und Reichtum zu stillen.
Wir sollten genau hinschauen welchen Trick die Regierung jetzt anwendet, um unsere Nachkommen in ihren Freiheiten, durch weitere Förderung von alten und dreckigen Techniken, beschränken werden.
Der Klimawandel schreitet weiter voran, die Gletscher schmelzen, Unwetter treten immer häufiger und extremer auf, die Luft wird immer schlechter, mit immer mehr CO2 und NOx belastet, außerdem durch Methan, das durch riesige technische und natürliche Leckagen in die Umwelt austritt.
Es muß viel strengere Maßnahmen geben.
Wenn ich es richtig aufgenommen habe, hat das BGH nur die Proportion der avisierten Massnahmen hin zur Klimaneutralität bemängelt:
40 Jahre 55% Reduktion – bis 2030; restl. 20 Jahre für weitere 45% Reduktion.
Richtiger wäre ein Ziel entsprechend dem mathematischen Verhältnis der Perioden auszurufen, welches 67/33% ausweisen würde.
Heute von SPD ins Spiel gebracht, soll 100% Klimaneutralität besser bis 2045 erreicht werden, welches die weiteren Ziele rechnerisch auf marginal auf 73% bis 2030 und restliche 27% für die Jahre bis 2045 verteilen sollte
Das ist schon mal eine anspruchsvolle Nummer!
Vollkommen unbenommen sind die bisherigen monierten Unzulänglichkeiten der Vorgehnsweise, dass der Staat sich es herrausnimmt, durch weiter limitierte Förderung der Erneuerbaren als Ausschreibungskontingente der dringend erforderliche Investitionen für einen Mangel an investitionsfreudigen Unternehmern im Energiebereich zu sorgen, um so einem vermeitlichen drohenden Anstieg der Energiekosten entgegenzuwirken.
Ebenso wird von der Regierung der vorraussichlich wachsende E-Energiebedarf des Verkehrs in seinen Annahmen und Prognosen weiterhin vollkommen vernachlässigt.
Es sollte Jadem klar sein:
Der Umbau des Energiesystems wird nicht kostenneutral für eine „Null“ zu machen sein.
Für das Geld einer Investition möchte doch ein Investor eine Verzinsung als Rückfluss des eingesetzten Kapitals sehen. Sonst wird das nichts mit einem Investment oder der Energiewende.
Hierfür wird demnächst noch zusätzlich eine Riesenschlacht über mit dem EU-Recht vertretbaren Förderungshöhen entfesselt werden.
Ich wünsch allen Beteiligten und insbesonderen den im Wirtschaftsministerium hierfür Verantwortlichen endlich mal ein glücklicheres Händchen.
Das was diese Regierung momentan macht ist für mich Freiheitsberaubung der zukünftigen Generationen.
Unsere Kinder und Enkel können noch nicht für ein gesundes Leben auf einem gesunden Planeten wählen.
Unsere Kinder und Enkel werden vor vollendete Tatsachen gestellt. Das nenne ich Freiheitsberaubung.
Die Gesetze, die die aktuelle Regierung aus CDU/CSU und SPD, täglich neu verabschiedet stellen eine Gefahr für die Gesellschaft dar.
Denn diese Gesetze sind einzig dazu da, die Industrie der Neandertal-Technik weiter zu fördern, damit die Vorstandsboni und die Dividenden und damit auch die Nebeneinkommen der aktuelll Regierenden ständig steigen.
Das nenne ich Freiheitsberaubung.
Unsere Kinder und Enkel werden um ihre Zukunft beraubt.
Diese Regierung aus CDU/CSU und SPD darf keine weitere Zusage zu solch einer volksfeindlichen Politik bekommen.