Einige Bundesländer haben bereits eine Solarpflicht auf Neubauten oder auch Bestandsgebäuden gesetzlich verankert (Hamburg und Baden-Württemberg). In anderen ist eine Solarpflicht in Erarbeitung (Bayern, Berlin, Schleswig-Holstein und Bremen). Als Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) NRW setzen wir uns bei Politik und Ministerien dafür ein, dass auch Nordrhein-Westfalen eine landesweite Verpflichtung zur Installation von Photovoltaik-Anlagen im Wohn- und Gewerbebereich einführt. Die aktuellen Novellierungen der Landesbauordnung und des Klimaschutzgesetzes bieten die Möglichkeit, eine solare Baupflicht noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen.
Die Einführung einer Solarpflicht bietet verschiedene Chancen für Nordrhein-Westfalen aber auch ganz Deutschland. Auch von Installateursbetrieben und mittelständischen Unternehmern, die vor Ort Tag für Tag Photovoltaik-Anlagen planen und installieren, wird eine solare Baupflicht positiv bewertet.
Solarpflicht hebt vorhandene Potenziale
Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV NRW) hat auf den rund elf Millionen Dächern in Nordrhein-Westfalen ein Potenzial von 68 Terrawattstunden Sonnenstrom errechnet. Dieses Potenzial entspricht fast der Hälfte des heutigen Stromverbrauchs von ganz Nordrhein-Westfalen. Bisher realisiert wurden jedoch nur rund vier Terawattstunden, das heißt im Land wird aktuell lediglich sechs Prozent des vorhandenen Photovoltaik-Potenzials auf Dachflächen tatsächlich genutzt. Mit einer Solarpflicht könnte der nötige Anschub für die Solarwende gelingen, die ein wichtiger Baustein für das Erreichen der Klimaschutzziele ist. Die Photovoltaik ist gerade für städtische Regionen mit wenig Freifläche für großräumige Erneuerbare-Energien-Anlagen eine gute Möglichkeit zur regenerativen Energieerzeugung; beispielsweise im Ruhrgebiet oder in den dicht besiedelten Regionen von Köln und Düsseldorf.
Chance für private Neubauten ohne bürokratischen Mehraufwand
Die Photovoltaik-Pflicht auf Neubauten lässt sich für den Eigentümer relativ einfach erfüllen. Da die Netzinfrastruktur ohnehin geplant wird, kann eine Solaranlage leicht integriert werden. Angesichts der generellen Investitionskosten für den Wohnungsbau und der Notwendigkeit der Umsetzung einer funktionierenden Stromversorgung sind die Investitionskosten in eine Photovoltaik-Anlage kein wesentlicher Kostentreiber der Baukosten. Zumal oft sogar Förderprogramme genutzt werden können. Da sich der Hausbauer im Zuge des Neubaus ohnehin mit vielen Pflichten und Regelungen auseinandersetzen muss, ist der bürokratische Mehraufwand, der sich aus der Solarpflicht ergibt, überschaubar. Ordnungsrecht ist zudem im Gebäudebereich die Regel. Das neue Gebäudeenergiegesetz etwa enthält eine Vielzahl an Vorgaben für die energetische Qualität von Gebäuden.
Brachliegende Flächenpotenziale in Industrie und Gewerbe nutzen
Mit der Photovoltaik-Pflicht auf Gewerbedächern können die großen, bisher brachliegenden Flächenpotenziale der Industrie- und Gewerbegebiete genutzt werden. Gerade Gewerbeimmobilien, wie Bürogebäude, Produktions- und Lagerhallen haben oftmals ausgedehnte Dachflächen. Hier kommen der Solarstromerzeugung zusätzlich die Skaleneffekte zugute. Das heißt, da ohnehin Einmalinvestitionen für Komponenten wie Wechselrichter oder Verkabelung nötig sind, können großflächig Solarmodule auf dem Dach installiert werden, ohne dass die Gesamtkosten erheblich steigen. Zusätzlich werden die Stromerzeuger in räumliche Nähe zu den Stromverbrauchern gebracht. Solare Energie, die tagsüber gewonnen wird, kann direkt die tagsüber benötigten Strommengen von Industrie- und Gewerbebetrieben abdecken.
Solarpflicht ist zeitnah umsetzbar und rechtssicher
Wir als LEE NRW setzen uns daher dafür ein, dass im Rahmen einer bauordnungsrechtlichen Verpflichtung die solare Dachnutzung geprüft wird und geeignete Dachflächen zur Stromerzeugung durch die Nutzung solarer Strahlungsenergie genutzt oder zur Verfügung gestellt werden, sofern es technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist. Diese Pflicht können die Eigentümerinnen oder Eigentümer selbst erfüllen oder dadurch erfüllen, dass sie einer oder einem Dritten die Dachfläche zur Errichtung und zum Betrieb der Anlagen zur Verfügung stellen. Auch bei Dachsanierungen sollte eine solare Nutzung zukünftig verpflichtend sein, sofern eine vollständige Erneuerung der Dachhaut ansteht. Dass sich eine landesweite Solarpflicht bereits heute rechtssicher in NRW umsetzen ließe, zeigt ein aktuelles Gutachten von Professor Grigoleit von der TU Dortmund.
Auf die Dächer, fertig, los!
Mit den aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen wird die notwendige Ausbaubeschleunigung im Photovoltaik-Bereich leider nicht erreicht. Daher ist die Einführung einer allgemeinen Verpflichtung zur Nutzung der Dächer für die Solarenergie klima- und energiepolitisch notwendig! Eine Solarpflicht hilft zudem dabei, dass die Energiewende endlich in die urbanen Räume kommt. Die Solarwende ist nicht mehr aufzuhalten. Es wird Zeit, dass wir sie schneller voranbringen. Die solare Baupflicht kann hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten. Daher gilt: Auf die Dächer, fertig, los!
— Der Autor Christian Mildenberger ist Geschäftsführer des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW. Er ist studierter Wirtschaftsingenieur mit Schwerpunkt Energiewirtschaft. Zudem ist er Aufsichtsrat der Gemeindewerke seiner Heimatgemeinde, wo er sich für eine nachhaltige Energieversorgung einsetzt. Dazu gehört unter anderem sein erfolgreiches Engagement für den Rückkauf des lokalen Stromnetzes, um eine direkte Bürgerbeteiligung zu ermöglichen. Mildenberger ist ehemaliger Landesgeschäftsführer der CDU Baden-Württemberg und seit vielen Jahren in der Energiepolitik auf verschiedenen Ebenen engagiert. —
Dies ist eine Art Replik auf den Beitrag von Jörg Ebel vom Bundesverband Solarwirtschaft: „Solarpflicht: Es gibt Wichtigeres!„
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Warum darf ich nur 70% meiner PV Anlage nutzen. Obwohl zu gewissen Zeiten eine höhere ausbeute möglich wäre. Sind die netzbetreiber so stark daß sie diese Vorgaben machen können. Dann muss eben das EEG Gesetz geändert werden.
Hallo Wolfgang, da geht doch was: Mit der Installation eines Speichers (z. B. von E3DC) kann man über eine intelligente, zeitlich gesteuerte oder manuelle Speicherung und/oder mit Nutzung der Sonnenprognose einen höheren Nutzungsgrad jenseits der Abregelung von 70 % erreichen. Sofern also die Battereispeicherung erst dann einsetzt, wenn die Stromerzeugung über die 70 %-Abregelungssperre hinaus geht. Aber zu beachten sind die steuerlichen Tatbestände, besonders bei Nachrüstung. Hier gibt es u. a. gute Hinweise aus der bayr. Finanzverwaltung s. nachfolgende Links:
https://www.finanztip.de/photovoltaik/pv-steuer/ und weiteren Link: zur Einkommensteuer und
Umsatzsteuer und Hilfe zu Photovoltaikanlagen (Nur als PDF-Download verfügbar!) https://www.finanzamt.bayern.de/Informationen/Steuerinfos/Weitere_Themen/Photovoltaikanlagen/default.php?f=Muenchen&c=n&d=x&t=x
Viel Erfolg !
@Werner Dirkes
Das sehe ich anders.
Die Speicherung im Heimbereich verschiebt nur verlustbehaftet den Stromverbrauch in die Nacht. Das und die (noch) teuren Speicherpreise führt dazu, dass die kWh aus dem Speicher fast immer teurer ist, als die kWh Bezug aus dem Netz.
Hinzu kommt, dass durch die 70% Einspeiseregel je nach Ausrichtung und Dachneigung lediglich zwischen 2% und 5% (bei optimaler Südausrichtung) des Ertrags eingebüsst werden. Das ist zu verschmerzen.
Dafür können dann aber mehr PV Anlagen im selben Bereich des Niederspannungsnetzes angeschlossen werden, da die Auslegung des Netzes immer auf Maximallast erfolgt.
Nebenbei bemerkt, kann man die Umsetzung der 70% Regel in ‚hart‘ oder ‚weich‘ realisieren.
Bei der weichen Umsetzung können sie die PV Leistung oberhalb der 70% zeitgleich selbst verbrauchen, also auch nutzen. Wenn also Mittags de WaMa oder Spülmaschine läuft, kann das durchaus Sinn machen.
Alternativ können Sie auch einen RSE einsetzen. Hier ist die Abschaltung durch den VNB zwar möglich, wird aber idR nicht durchgeführt, da private Anlagen für einen evtl. nötigen Regeleingriff viel zu unbedeutend sind. Allerdings lohnt sich angesichts der geringen möglichen Mehrerträge und der aufgerufenen Preise für einen RSE eine Installation in den seltensten Fällen.
Zudem sollen auch die RSE ja künftig durch Smart Meter ersetzt werden…irgendwann.
sirrocool sagt:
Das sehe ich anders.
Die Speicherung im Heimbereich verschiebt nur verlustbehaftet den Stromverbrauch in die Nacht. Das und die (noch) teuren Speicherpreise führt dazu, dass die kWh aus dem Speicher fast immer teurer ist, als die kWh Bezug aus dem Netz.
sirrocool
Sie kenne ja sicher meine Kommentare hier, und waren bei der Diskussion mit dem Prof. aus Kiel auch aktiv.
Ich habe dort von der .. „Sichtweise“.. bezüglich der Speicher geschrieben. Von der ökonomischen, und von der ökologischen, im Sinne der Energiewende. Sie favorisieren die ökonomische. Der Werner Dirks die ökologische im Sinne der Energiewende, weil er ja nachts fossilen Strom verdrängt. Er verleiht dem EEG Strom wieder den vorrangigen Status, der ihm 2010 gesetzlich genommen wurde. Speicher bezogen habt ihr beide Recht, nur jeder nach seiner Fasson.