Vor gut einem Jahr hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) die ersten drei Smart Meter zertifiziert. Damit konnte der Rollout der intelligenten Messsysteme starten. Nun hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen diesen Prozess per Eilbeschluss gestoppt: Die zertifizierten Systeme würden den Anforderungen des maßgeblichen Messstellenbetriebsgesetzes nicht gerecht. Zudem werfen die Richter dem BSI vor, technische Richtlinien eigenmächtig abgeändert zu haben. Damit habe die Behörde ihre Kompetenzen überschritten.
Mit diesem Urteil dürfte sich auch der geplante Pflichteinbau von Smart Metern bei Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von mehr als sieben Kilowatt sowie für steuerbare Lasten wie Wärmepumpen oder Ladestationen verzögern. Hier steht die Zulassung der intelligenten Messsysteme noch aus.
Die Richter weisen darauf hin, dass mit ihrem Eilbeschluss nun vorläufig weiterhin andere Messsysteme eingebaut werden dürfen. Bereits möglicherweise auch in Privathaushalten verbaute intelligente Messsysteme müssten nicht ausgetauscht werden.
Der Eilbeschluss des OVG Nordrhein-Westfalen geht auf eine Klage eines Aachener Unternehmens zurück. Der Beschluss ist nicht anfechtbar. In der Hauptsache entscheidet das Verwaltungsgericht Köln über diese Thematik. Das Verfahren ist derzeit noch anhängig. Zudem sind beim OVG noch etwa 50 gleich gelagerte Beschwerdeverfahren von Messstellenbetreibern – insbesondere Stadtwerken – anhängig, in denen das Gericht in Kürze entscheiden wird.
Die Markterklärung vom Februar 2020 verpflichtete die Betreiber von Messstellen, Haushalte mit einem Smart Meter auszustatten, wenn diese mehr als 6000 Kilowattstunden Strom verbrauchen. Zudem können die Messstellenbetreiber die intelligenten Messsysteme auch in Haushalten mit einem geringen Verbrauch installieren, wenn sie es für geboten halten. Bis 2032 sollten alle Haushalte mit den Systemen ausgestattet werden.
„Prozess von Anfang an verkorkst“
Konkret moniert das OVG Nordrhein-Westfalen, dass die zertifizierten Smart Meter nicht den im Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) formulierten Interoperabilitätsanforderungen entsprechen. Bestimmte Funktionalitäten, die intelligente Messsysteme nach dem Messstellenbetriebsgesetz zwingend erfüllen müssten, sehe das BSI nicht vor, erläutern Experten der Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) in einem Blogbeitrag zum Urteil. Die dem BSI zustehende Kompetenz, Technische Richtlinien entsprechend dem technischen Fortschritt abzuändern, gehe nicht so weit, dass dadurch gesetzlich festgelegte Mindestanforderungen unterschritten werden können.
„Einer Unterschreitung gesetzlicher Standards, nur um den lang erwarteten Roll-Out intelligenter Messsysteme nun endlich voranzubringen, hat das OVG Nordrhein-Westfalen einen Riegel vorgeschoben“, erklären die BBH-Autoren. Man möge es vor dem Hintergrund des sehr langen Zeitraums der Ausgestaltung des MsbG und seiner Umsetzung bedauern, dass es nun zu weiteren Verzögerungen kommen kann. „Auch hier gilt aber: Qualität geht vor Tempo! Die Energiewende erfordert gerade bei intelligenter Messtechnik eine volle Marktreife und keine eingeschränkte Funktionalität.“
Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft e.V. (bne) weist darauf hin, dass ohne geeignete intelligente Messsysteme dem Energiemarkt wichtige technische Voraussetzungen für die Entwicklung und Umsetzung von neuen Geschäftsmodellen und für die Erreichung der Klimaschutzschutzziele fehlen. Dabei gebe es längst freie, nicht BSI-zertifizierte Messsysteme, die vergleichbare Anforderungen zu Sicherheit, Eichrecht und Datenschutz erfüllen und den notwendigen Standards entsprechen. Diese Messsysteme brächten schon jetzt jene Funktionen und Messwerte in der Auflösung mit, die für aktuelle und zukünftige Geschäftsmodelle notwendig sind.
„Es ist schade, dass erst ein Gerichtsurteil knapp fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende den von an Anfang an verkorksten Prozess stoppen muss“, kommentiert bne-Geschäftsführer Robert Busch. Der im Messtellenbetriebsgesetz angelegte Zertifizierungsprozess sei ein strukturell überfrachtetes Desaster – „er ist zeitraubend und erstickt Innovationen. Wenn Deutschland seine Führungsrolle bei der Digitalisierung der Energiewende wieder zurückholen will, muss ein schnellerer und besserer Weg zur Wiedererlangung der Innovationsfähigkeit eingeschlagen werden“, so Busch.
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Hervorragende Entscheidung, bitte mehr davon. Der ganze Zwangs-Roll-Out ist eine Farce.
Mit dem richtigen Gesamtkonzept sind die Smart Meter Gateways völlig unnötig.
Die ersten EVU werben schon damit neue Businessmodell auf Basis der erlangten Daten gewinnbringend vermarkten zu wollen. Und wessen Daten sind das? Und wer soll die Geräte dafür mit jährlich völlig überteuerten Gebühren bezahlen? Der Kunde, der nicht mal gefragt wird. Das ist nicht die Form der Digitalisierung die ich mir wünsche.
Wie definiert sich im technischen Zusammenhang ‚Intelligenz‘? Ist es mehr als zeitkoordinierte Messung, bidirektional, abregelbar und zentral in Echtzeit auswertbar? Falls nein, empfinde ich den Term mit ‚Intelligenz‘ etwas hochgestochen, falls es kein Fachbegriff ist.
Und ich stimme im übrigen Herrn Fritz zu: unnötige Kostentreiber sollten vermieden werden.
Es stellt sich die Frage auf welcher Ebene die Kostentreiber sind. Sind es die Abschaltmaßnahmen von Erzeugeranlagen (EE), weil die Konventionellen nicht (mehr) ausreichend agieren können, oder sind es die Investitionskosten um einer breiteren Bevölkerung die Teilnahme an steuerbaren Lasten, oder tarifoptimierten Verbrauch nach EE-Prognose zu ermöglichen? Der Umbau des Energienetzes ist unausweichlich und die Schutzmaßnahmen müssen daher auch weiter zu den weniger großen Verbrauchern und Erzeugern wirken.
Dies ist kein Urteil, sondern lediglich ein zeitlich befristeter Eilbeschluss. Das Verwaltungsgericht Köln wird endgültig in der Sache entscheiden. Zudem ist von dem Beschluss letztlich nur ein Kläger betroffen – der Rest der Branche nicht. Und auch nicht die 50 weiteren Kläger, von denen immer die Rede ist. Deren Klage wird erst im Hauptsacheverfahren behandelt. Für Messstellenbetreiber gilt also wie gehabt die Einbaupflicht und die Preisobergrenze (POG) für intelligente Messsysteme. Der Rollout läuft somit weiter.
Der Mehrwert von SMGW für steuerbare Erzeuger und Verbraucher durch mögliche Anreizstellung (bedarfsabhängige Tarife) bis hin zur Redispatch Optimierung (dezentrale Erzeuger und Verbraucher Steuerung) über eine sichere dezentrale Infrastruktur, welche aufgrund der Interoperabilität auch kostengünstiger wird ist m.E. ein richtiges, zu fokussierendes Ziel. Wichtig ist aber auch, dass die Angebote und Prozesse durch den Regulator ausreichend angeregt und somit umgesetzt werden.
Hoffentlich wird der Artikel auch von der Kommunity der Stromverbraucher verfolgt, die insbesondere die Speicherkapazität der vielen E-Fahrzeuge mit in das System mit einbrigen wollen.
Zuschalten bedeutet das Gleiche wie Abschalten im System und damit Auswirkung auf das vorgeschaltete Zählersystem!