Zur Dekarbonisierung der Stahlerzeugung in Duisburg planen Tyssenkrupp Steel Europe, Thyssenkrupp Uhde Chlorine Engineers und Steag den Bau und Betrieb einer Wasserstoffelektrolyse mit bis zu 500 Megawatt Leistung. Die in Duisburg gewonnenen Erkenntnisse sollen mittel- und langfristig eine klimaneutrale Stahlproduktion in ganz Europa in industriellem Maßstab ermöglichen und diese damit dauerhaft wettbewerbsfähig erhalten.
Wie die Unternehmen am Mittwoch mitteilten, bemühen sich die Partner jetzt um Anerkennung des Projekts „HydrOxy Hub Walsum“ als „Important Project of Common European Interest“ (IPCEI) und eine damit verbundene Investitionsförderung durch Bundes- und Landesmittel. Die Realisierung des Projekts hänge jedoch nicht allein von einer Förderung als IPCEI ab. Vielmehr gebe es losgelöst vom Ausgang des Verfahrens eine Machbarkeitsstudie.
Den Beteiligten zufolge besticht „HydrOxy Hub Walsum“ durch die räumliche Nähe von Erzeugung und Verbrauch des grünen Wasserstoffs. Daher sei das Projekt nicht auf den Aufbau eines eigens für den Transport von Wasserstoff ausgelegten Leitungsnetzes angewiesen und könne schnell realisiert werden. Geplant ist demnach aktuell, dass – sofern im Frühjahr 2023 eine Investitionsentscheidung fällt – die Elektrolyse bereits ab 2025 ans Netz geht und grünen Wasserstoff produziert.
Der Steag-Homepage zufolge ist die Sicherstellung der Grünstromversorgung ein wichtiger Bestandteil des Projekts. Steag werde dafür sorgen, dass die eingesetzte Energie aus erneuerbaren Quellen stammt, und die benötigte Menge regenerativen Strom beschaffen. Zusätzlich werde geprüft, auf den Dachflächen der geplanten Elektrolyse-Hallen Photovoltaik-Anlagen zu installieren, die lokal erzeugten, erneuerbaren Strom für die Produktion des grünen Wasserstoffs liefern können.
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Ein sehr ähnliches Projekt gibt es doch bei der Salzgitter AG auch! Hoffentlich bastelt da nicht jeder für sich vor sich hin.
Gerade die Vielfalt und verschiedene Ideen machen die deutsche Wirtschaft so stark! Nur so können sich am Ende die besten Lösungen durchsetzen. Wenn man alle Ideen auf ein Projekt zusammen zieht entsteht nicht immer die beste Lösung. Außerdem ist jede gebaute Anlage mit grünem Strom ein Riesenschritt zur Entkarbonisierung der Industrie, da diese Anlagen mindestens fünf Jahre Vorlaufzeit bis zur Erzeugung des grünen Wasserstoffs brauchen. Da wir für die energieintensive Herstellung des Wasserstoffs sehr viel grüne Energie brauchen, müssen wir nur alle Maisfelder Deutschland durch Solarparks ersetzen, da Mais eine der umweltschädlichsten und uneffizientesten Pflanzen zur Energieerzeugung sind.
Technologieoffenheit vermeidet Lock-in-Effekte in falsche Technologiepfade
Ein möglicher zusätzlicher Wasserstoff-Verbraucher wird aus Sicht der Bundesregierung (NWS) in Zukunft die Stahlherstellung sein. Hier kann Wasserstoff u.a. den Steinkohlenkoks in der Primärstahlherstellung (Direktreduktion von Eisenerz) ersetzen. Eine treibhausgasneutrale Stahlproduktion auf Basis Wasserstoff benötigt nach der NWS bis 2050 80 TWhH2. Das entspricht bei 70% Wirkungsgrad einem künftigen zusätzlichen Strombedarf der Stahlindustrie nur für die Wasserelektrolyse von ca. 115 TWh/Jahr.
Das vorgesehene Konzept für „grünen“ Stahl auf Basis Wasserstoff wird derzeit mit umfassender Förderung der Bundesregierung neben dem Thyssen-Krupp/STEAG-Projekt unter anderem von der Salzgitter AG im Rahmen des Projektes „SALCOS“ zusammen mit Siemens als Hersteller der PEM-Elektrolyseure sowie dem Energieversorger Avacon entwickelt (Projekt Windwasserstoff Salzgitter“: 30 MW onshore-Wind auf Betriebsgelände, 2.2 MW-PEM-Elektrolyseur; Invest Windkraft u. Wasserstoffanlagen 50 Mio. €).
Das bisherige Verfahren der Stahlerzeugung in Verbindung mit Koks ist sehr aufwändig, sehr energieintensiv und vor allem klimaschädlich. Bei einem weltweiten Stahlverbrauch von ca. 2 Mrd. Tonnen ist die Stahlerzeugung immerhin für ca. 2 Mrd. Tonnen CO2 und damit für ca. 7% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Insoweit wird auch hier von der Salzgitter AG sowie anderen Stahlerzeugern neben grünem Wasserstoff das Herausfiltern von CO2 aus den Abgasen, das Binden und Speichern im Untergrund (CCS) überlegt. Aber das macht in einem extremen Wettbewerbsumfeld einen ohnehin schwer wirtschaftlichen Prozess noch weniger wirtschaftlich. Die Wasserstoffschiene macht die Stahlherstellung ebenfalls energieintensiver und teurer.
Eine konventionelle Reduktionsanlage am Beispiel der ArcelorMittal Hamburg GmbH hat einen Erdgasbedarf von rund 9,7 GJ Heizwert pro Tonne Stahl (= 2,694 MWhth = 27 m3 Erdgas) und einen Strombedarf von 0,08 MWhel pro Tonne. Bei aktuellen Energiekosten von rund 5,6 €/GJ für Erdgas und Stromkosten von 45 €/MWhel ergeben sich Energiekosten für die Reduktion von Eisenerz von 57,90 €/t, was den Umwandlungskosten auf dem Weltmarkt entspricht.
Bei einer Reduktion mit Wasserstoff entsteht nicht mehr Eisenschwamm (Kohlenstoffgehalt 2.3%), sondern HBI ohne Kohlenstoff (H2BI=Hydrogen – Hot Briquetted Iron). Dem ermittelten Energiebedarf von rund 3,31 MWhel/tH2BI würden also Umwandlungskosten von 331 €/tH2BI folgen, was einem Faktor 5,7 im Vergleich zu den heutigen Kosten entspricht. Die Prozessumstellung hätte als positiven Klimaschutzeffekt eine spez. CO2-Reduktion von rund 515 kg CO2 pro Tonne H2BI im Vergleich zu konventionellem Eisenschwamm. Hiermit wäre allerdings eine Zunahme der Umwandlungskosten von 273 €/t verbunden, so dass sich CO2-Vermeidungskosten von 530 €/t CO2 ergeben (Marc Hölling, Matthias Weng, Sebastian Gellert, 2020: „Bewertung der Herstellung von Eisenschwamm unter Verwendung von Wasserstoff“). Der CO2-Marktpreis im Emissionshandel liegt derzeit bei ca. 30 €/t.
D.h. eine Marktfähigkeit der Direktreduktion mit Wasserstoff ergibt sich nur, wenn die CO2-Preise deutlich angehoben werden (aktuell wäre der Faktor 18) und Carbon Leakage z.B. durch die von der EU beabsichtigte CO2-Grenzsteuer für CO2-intensive Importe vermieden würde. Der Strombedarf steigt bei der Direktreduktion mit Wasserstoff statt mit Erdgas um den Faktor 41.4 auf 137 TWh/a ausschließlich für die Erzeugung von Eisenschwamm. Mit 120 kWh Strom würde ein Kubikmeter Erdgas verdrängt bzw. 12 kWhel Strom ersetzen 1 kWhth Erdgas. Wenn die Mehrkosten von 273 € pro Tonne Stahl, wie sie sich bei der Direktreduktion mit Wasserstoff heute darstellen, finanziell staatlich ausgeglichen werden müssen, würde dies bei einer Jahresproduktion von 42.4 Mio. t Stahl (2018) einen Subventions- bzw. Ausgleichsbedarf von jährlich 11.58 Milliarden € nur für den Stahlbereich erfordern.
Technologieoffenheit bei Förderungen ist zentral
Wie wichtig für die Volkswirtschaft Technologieoffenheit ist, d.h. die Politik entscheidet die Ziele und Anforderungen, die Wissenschaft und Wirtschaft sucht die günstigste Lösung, das zeigt sich bei den Lösungsmöglichkeiten für eine zum heutigen Stand der Technik wettbewerbsfähige „CO2-neutrale Stahlerzeugung“.
Nach dem „Handlungskonzept Stahl, S. 6 Kernaussagen 10.“ will die Bundesregierung „erreichen, dass der Einsatz von Kokskohle zur Stahlerzeugung auf Wasserstoff umgestellt werden kann (Die Bundesregierung, ZUKUNFT FORMEN, Juli 2020: „Für eine starke Stahlindustrie in Deutschland und Europa“). Diese Festlegung, die mit umfangreichen öffentlichen Fördermitteln verbunden sein wird, ist nicht technologieneutral und führt – wenn sich kostengünstigere Decarbonisierungsverfahren ohne Wasserstoffeinsatz ergäben – ins Abseits. Zentral ist, politisch nur die Ziele vorzugeben (hier z.B. CO2-freier bzw. CO2-neutraler Stahl), aber niemals den Weg (hier der Technologiepfad Wasserstoff).
Ein Beispiel für eine künftig eventuell mögliche CO2-neutrale Stahlerzeugung als Alternative zum teuren Wasserstoffkonzept ist das Konzept der „Molten Oxide Electrolysis“. Hier wird mit Strom über die Schmelzoxid-Elektrolyse direkt flüssiges Metall erzeugt (Formel: Eisenerz + Strom ergibt Eisen + Sauerstoff / Fe2O3 + e- -> 2 Fe + 3/2 O2). Dieses Verfahren erzeuge keine Klimagase, habe keinen Wasserverbrauch und vor allem – es soll ca. 25% kostengünstiger sein als die heutige Stahlherstellung, und das bei Strompreisen von ca. 3.5 Ct./kWh. Das entspricht dem heutigen Börsenpreis. Die kommerzielle Reife und erste große Demonstrationsanlage sei in ca. 5 Jahren zu erwarten (Cleanthinking, 19. Juli 2020: „Boston Metal: Elektrolyse als saubere Alternative zur Stahlherstellung“). Investoren in Boston Metal sind die BHP Group, ein australisch-britischer Rohstoffkkonzern und eines der drei weltweit größten Bergbauunternehmen, die Bill Gates-founded Breakthrough Energy Ventures, die Piva Capital and Devonshire Investors u.a. (IEEFA, 15. Jan. 2021: „BHP Group invests in start-up aiming to produce steel without coking coal”).
Bei technologieoffener Förderung können auch solche Alternativverfahren eingebunden werden. Fehlentwicklungen über Lock-in-Effekte in die falschen Technologien würden durch eine konsequente Technologieoffenheit vermieden. Konkret heißt das: Es dürfen keine Elektrifizierungs- oder Wasserstoffprojekte, sondern nur Projekte mit 100%-Dekarbonisierung gefördert werden. Sollte z.B. die Molten-Oxide-Elektrolyse greifen, dann hätte das im Vergleich zum Wasserstoff-Weg einen deutlich geringeren Stromverbrauch zur Folge, die Ausbauanforderungen der Erneuerbaren würden sich im Vergleich zum Wasserstoffpfad deutlich reduzieren und es gäbe einen am Markt wettbewerbsfähigeren, da kostengünstigeren Stahl. An diesem Beispiel wird deutlich, dass bei der Decarbonisierung im Industriesektor aktuell vor allem Forschung und Entwicklung gefordert ist und zu frühe Technikfestlegungen, wenn es die falsche ist, die industrielle Wettbewerbsfähigkeit massiv beschädigen können bzw. wenn die Mehrkosten über Carbon Contracts for Difference gezahlt werden, der Steuerzahler nicht nur die Mehrkosten der Investition, sondern vor allem die Betriebskosten einer ineffizienteren, teureren Technik über den gesamten Abschreibungszeitraum zahlen muss.
Vielen Dank für die sehr detaillierten und interessanten Ausführungen. Grundsätzlich ist natürlich der Forderung nach Technologieoffenheit bei der Förderung zuzustimmen – gleichzeitig muß man aber denke ich auch anerkennen, dass jede neue Technologie erst einmal im Verbund über eine kritische Schwelle gehoben werden muß, um sich durchsetzen zu können. Seien es Elektroautos und gleichzeitig Ladeinfrastruktur, oder im Falle Wasserstoff die Erzeugung im Elektrolyseur, Verteilungsnetz, sowie industrieller Einsatz. Eine komplett technologieagnostische Förderung würde meines Erachtens riskieren, dass die Technologie nicht vom Boden kommt, weil nur in einzelne Aspekte investiert wird, aber dann andere benötigte Aspekte fehlen. Daher kann es schon sinnvoll sein, wie im Falle Wasserstoff gezielt alle diese Bereiche zu fördern.
Davon unabhängig sollte natürlich eine voreilige Festlegung vemieden bzw. aussichtsreiche Technologien wie die erwähnte ebenfalls gefördert werden. Für Wasserstoff wird es noch genügend andere Anwendungen geben.
Keine Entscheidung wird für die Ewigkeit getroffen und alles hat seine Zeit. Wenn sich also andere Verfahren für die Stahlgewinnung in der Zukunft als machbar und besser herausstellen, wird der Staat mit den gleichen Mitteln, die er jetzt für die Etablierung einer Wasserstoffwirtschaft einsetzt, auch für die Etablierung der nächsten Technik einsetzen können.
Hier kommt noch hinzu, dass der Wasserstoff wahrscheinlich ein Teil der Lösung in vielen Bereichen sein wird, wo heute Öl und Erdgas zum Einsatz kommen. Aber auch das ist nicht sicher, denn zumindest bei Langstreckenflügen, wo man nach heutigem Stand der Technik aus Gewichtsgründen auf chemische Energieträger nicht wird verzichten können, ist Kerosin aus Algenkulturen ein harter Konkurrent. Deren größtes Problem ist nur, wo man CO2 in ausreichender Konzentration herbekommt um mit hoher Effizienz produzieren zu können. Auch für temporäre Stromüberschüsse sind andere Lösungen denkbar als die Elektrolyse, beispielsweise Wärmespeicher. Bei der Rückumwandlung in Strom zur Überbrückung der Dunkelflaute sind die aber wahrscheinlich noch ineffizienter als die Elektrolyse.
Das ganze Problem hat also mehr als eine Dimension. Wenn es um den großtechnischen Einsatz einer neuen Technik geht, bleibt dem Staat nichts anderes übrig, als sich mal zu entscheiden, einer aussichtsreichen Technik eine Chance zu geben um schnell zu Skaleneffekten zu kommen, anstatt immer auf die Taube auf dem Dach zu hoffen. Dass sich das ein oder andere dann später als zweitbeste Lösung entpuppen könnte, muss man riskieren. Dieses Risiko ist bei einer großen Gemeinschaft (dem ganzen Staat) besser aufgehoben als bei Einzelnen, die im Allgemeinen eine strafrechtliche Verantwortung gegenüber ihren Kapitalgebern haben, mit den zur Verfügung gestellten Mitteln umsichtig umzugehen. Außerdem haben private Monopolisten keinen Grund, sich um Qualität zu bemühen. Nur so kommt es, dass wir auf 90% der Rechner Windows laufen haben, obwohl es das schlechteste Betriebssystem ist, das ich kenne. Beim Video-Standard hat sich ehedem mit dem selben Mechanismus VHS durchgesetzt, obwohl alle anderen Systeme qualitativ besser waren.
Die Qualität auf dem Gebiet der Energieträger kann zum Beispiel in der Effizienz liegen, weil die darüber entscheidet, mit wieviel Windrädern und PV-Anlagen die Landschaft beglückt werden muss. Aber auch Deponiebedarf für Kernbrennstoffabfälle und anderer Umweltverbrauch sind Qualitätskriterien.
Auch eines meiner „Ceterum Censeo“ kann ich hier anbringen: Die qualitativ beste Lösung für das E-Auto wäre, wenn man ein standardisiertes System für Wechselakkus hätte. Aber die privaten kümmern sich nicht darum, weil sie sich von ihren Konkurrenten abgrenzen wollen (Paradebeispiel Tesla mit seinen proprietären Ladestationen) und der Staat oder wenigstens der VDA, die für die Koordination sorgen könnten, bleiben leider untätig.
Wasserstoff ist die Lösung auch für eine Wärmewende. Und derzeit wird in der Welt wesentlich mehr Wärme als Strom benötigt.
Es wird viel zu sehr in Strom gedacht, als in CO2-freien Energiebedarf. Aber sowohl bei der Elektrolyse als auch bei der Rückverstromung in der Brennstoffzelle kann bei dezentraler richtiger Plazierung die Wärme gebraucht und genutzt werden (z.B. für Prozeßwärme oder in Nahwärmenetzen).
Der allgemein behauptete schlechte Wirkungsgrad in der Wirkungskette ist nicht gegeben, wenn man Kraftwärmekopplung betreibt. Es wundert mich, dass überhaupt nicht über die Wärmewende und Sektorenkopplung intensiv diskutiert wird. Der Glaube man könnte alleine mit Wärmepumpen ganz Deutschland im Winter beheizen ist einfach falsch. Die Lösung für hohe Vorlauftemperaturen der Heizung bei unzähligen unsanierten Gebäuden ist ein BHKW in Form einer in Massen günstig zu produzierenden PEMFC. H2 aus der ehemaligen Erdgasleitung ist die Lösung für viele Anwendungen.
Ich erinnere mal wieder an den genialen leider verstorbenen Dipl.-Ing. Karl-Heinz Tetzlaff und http://www.bio-wasserstoff.de
Eine klimaneutrale Stahlproduktion wäre natürlich ein riesiger Fortschritt. Als mir mein Schwager, der in einem Betrieb für Stahlbau arbeitet, von grünem Stahl erzählt hat, habe ich mich erstmal gewundert. Ich drücke die Daumen, dass 2025 dann alles gut geht.