Bislang führt die Photovoltaik in Polen ein Schattendasein. Erst ein Solarpark mit mehr als einem Megawatt Leistung ist in unserem Nachbarland installiert. Ansonsten gibt es noch ein paar kleine Systeme, aber nichts von Bedeutung. Die bislang geltende Förderung für Photovoltaik mit einem Quotensystem erlaubt es nicht, wirtschaftlich zu installieren. Die Regierung will dies nun aber ändern. Das Wirtschaftsministerium in Warschau hat Ende Juli einen Entwurf für eine Neuregelung der Förderung erneuerbarer Energien vorgelegt. Es bietet auch für Betreiber von Photovoltaikanlagen glänzende Aussichten, wenn es in dieser Form in Kraft tritt.
Die polnische Regierung muss ihr Energierecht sowieso dringend reformieren. Ursprünglich sollte es als ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht werden. Da das Land vor allem bei den Erneuerbaren großen Nachholbedarf hat und die Vorgaben der Europäischen Union zu verfehlen droht, hat die Regierung das neue Fördergesetz aus dem Paket genommen. Es soll vorgezogen und schneller umgesetzt werden.
„Im Wirtschaftsministerium ist eine eigene Arbeitsgruppe Photovoltaik eingerichtet worden“, sagt Stefan Bruss von der Berliner Firma Parabel. Dies sei ein deutliches Zeichen, dass die Bemühungen ernsthaft vorangetrieben würden. Dennoch glauben viele Kenner des Landes, dass der ursprüngliche Termin 1. Januar 2013 für die Einführung des neuen Gesetzes nicht eingehalten werden wird. Die Regierung hat den Entwurf noch nicht ins Parlament geschickt und will gleichzeitig das neue Gesetz noch bei der EU als Beihilfe notifizieren lassen. „Der Prozess dauert mindestens ein halbes Jahr“, sagt Rechtsanwalt Christian Schnell, der für die Kanzlei DMS DeBenedetti Majewski Szcześniak in Warschau arbeitet. Aus seiner Sicht wird das Gesetz voraussichtlich erst Mitte nächsten Jahres in Kraft treten. Diese Einschätzung teilt Stephan Wegert von dem in Polen aktiven Beratungsunternehmen Dreberis in Dresden. Er hält den 1. Januar 2013 für ein „sehr ehrgeiziges Ziel“.
Die Rahmenbedingungen, wie sie im Entwurf formuliert sind, sind vielversprechend für Betreiber von Photovoltaikanlagen. Dabei kommt ihnen zugute, dass die Regierung in Warschau vor allem kleinere Systeme stärker fördern will. Solarstrom aus Photovoltaikanlagen bis 100 Kilowatt Leistung soll demnach künftig einen Einspeisetarif von umgerechnet rund 27 Eurocent je Kilowattstunde (1,1 Złoty) erhalten. Verglichen mit den Vergütungssätzen für entsprechende Anlagen in Deutschland, die im kommenden Sommer voraussichtlich noch zwischen 13 und 17 Cent je Kilowattstunde liegen werden, sieht es so aus, als ob die polnische Regierung damit glänzende Perspektiven bieten will. Der Einspeisetarif für die kleineren Anlagensoll für 15 Jahre ab Inbetriebnahme gezahlt werden. Allerdings, sagt Schnell, ist dies nur eine angekündigte Verordnung, also nicht direkt im Gesetzentwurf integriert. Die 27 Cent je Kilowattstunde sollen dabei als Vergütung in den ersten beiden Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes gelten; danach wird sie für neue Anlagen voraussichtlich abgesenkt. Nicht abschließend geklärt ist bislang, ob Anlagen die nach 2013 ans Netz gehen, nicht eine kürzere Vergütungsdauer haben. Eine Präzisierung steht in diesem Punkt noch aus. Die Genehmigungsverfahren für kleinere Anlagen sollen aber erleichtert werden. Für private Haushalte wird erstmals der Weg zum Betrieb einer eigenen Photovoltaikanlage geöffnet, sagt Wegert. Künftig sollen demnach Anlagen mit weniger als 40 Kilowatt Leistung ohne Konzession oder Registrierung als Unternehmer betrieben werden können. Somit sind die Förderbedingungen im Segment kleiner Dachanlagen enorm verbessert.
Steigende Erlöse für große Anlagen
Auch bei größeren Anlagen mit mehr als 100 Kilowatt Leistung hat die polnische Regierung deutliche Nachbesserungen angekündigt. Zwar soll es hierbei keine festen Einspeisetarife geben, aber das bestehende Zertifikatesystem wird künftig um einen Technologiequotienten erweitert. Bislang liegen die Erlöse für Betreiber bei maximal elf Cent je Kilowattstunde, und es wurde ein Zertifikat unabhängig von der Erzeugungsquelle erteilt. Nun steht im Entwurf, dass Photovoltaikanlagen statt eines Zertifikats künftig 2,85 Zertifikate erhalten sollen. Dieser Wert wird zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes sukzessive abgesenkt und soll nach fünf Jahren noch bei 2,4 liegen, wie Schnell erklärt. Zusammen mit dem Ertrag aus dem Stromverkauf kommen Betreiber größerer Photovoltaikanlagen auf einen Erlös von etwa 23,5 Cent je Kilowattstunde, der dann ebenfalls für 15 Jahre garantiert sein soll. Allerdings ist der Mechanismus nicht ganz einfach zu berechnen und richtet sich jeweils auch nach dem Preis der Grünstrom-Zertifikate, der derzeit bei umgerechnet etwa 60 Euro pro Megawattstunde liegt. Wenn mehr Erneuerbare-Energien-Anlagen installiert werden, steigt damit auch die Verfügbarkeit dieser Zertifikate. Daher hat die polnische Regierung die Quoten für Erneuerbare angehoben und bis 2021 verlängert. Dies werde den Erlös stabil halten, sagt Schnell. Gegenüber der derzeitigen Situation stellt der Entwurf in jedem Fall eine signifikante Verbesserung dar.
Stanisław Pietruszko, Präsident der polnischen Gesellschaft für Photovoltaik, hätte sich dennoch gewünscht, dass die Regierung einen allgemeinen Einspeisetarif für Photovoltaikanlagen bis zu einer Größe von fünf Megawatt einführt. Auch Stephan Wegert von Dreberis weist darauf hin, dass bis zur Einführung des Gesetzes durchaus noch mit einer Verringerung der Fördersätze gerechnet werden sollte. „Schließlich wird man auch in der polnischen Regierung den Vergleich zu anderen Märkten ziehen, und man wird bemüht sein, die Tarife an die aktuellen Entwicklungen der Vollkosten der Technologien anzupassen.“ Gerade mit Blick auf die weiter sinkende Vergütung hierzulande könnte der polnische Photovoltaikmarkt für deutsche Firmen ein wichtiges neues Geschäftsfeld eröffnen. „Wenn das Gesetz in Kraft ist, bieten sich zumindest in den ersten fünf Jahren attraktive Investitionsmöglichkeiten“, sagt Rechtsanwalt Christian Schnell. „Viele Unternehmen weltweit zeigten ein großes Interesse und stehen bereits in der Startlöchern.“Dazu zählen die großen Projektierer, die auch in Deutschland bereits viele Solarparks installiert haben, aber auch große Bauunternehmen und Modulhersteller aus aller Welt, sagt Schnell weiter. Auch Stephan Wegert registriert ein gestiegenes Interesse am polnischen Markt.
Derzeit läuft bereits die Flächensicherung in Polen an. Doch allein einen Bauplatz zu haben wird in Polen nicht ausreichen. „Als Flaschenhals für einen raschen Ausbau der Photovoltaik könnte sich das Verteilnetz erweisen, denn die Netzbetreiber hinken mit dem Ausbau noch hinterher“, sagt Christian Schnell. Doch im kommenden Jahr soll diesbezüglich nachgebessert werden, was auch dem Ausbau der Erneuerbaren einen Schub verleihen könnte. Auch weitere EU-Mittel – gerade mit Blick auf den Ausbau der gesamteuropäischen Übertragungsnetze – könnten bald Abhilfe schaffen.
Gerade was den Anschluss neuer Photovoltaikanlagen betrifft, können die Betreiber viel von den Erfahrungen der Entwickler von Windparks profitieren. „Hierbei ist eine Zusammenarbeit auf jeden Fall sinnvoll“, sagt Stefan Bruss, der bei Parabel die Internationalisierungvorantreiben soll. Das Berliner Unternehmen hat eigens einen polnischen Mitarbeiter eingestellt, der viel im Land unterwegs ist und die Lage sondiert. Auf Erfahrungen im Windbereich könnte auch Juwi zurückgreifen, wenn der polnische Photovoltaikmarkt in Schwung kommt. Der rheinhessische Projektierer ist mit rund 20 Mitarbeitern vor Ort präsent und hat als Generalunternehmer bislang Windparks mit 17 Megawatt Leistung im Nachbarland realisiert. „Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob wir auch im Photovoltaikbereich in Polen aktiv werden“, sagt Juwi-Sprecherin Ricarda Schuller. Derzeit werde der Gesetzentwurf analysiert, der sehr hohe Vergütungssätze verspreche. Sie seien „vielleicht sogar ein wenig zu hoch“, sagt Ricarda Schuller.
Die Erwartungen, wie sich der polnische Markt nach der Einführung des Gesetzes entwickeln wird, gehen weit auseinander. Die polnische Regierung hat sehr konservative Zubauraten für die Photovoltaik kalkuliert. Sie geht davon aus, dass im kommenden Jahr rund 50 Megawatt Leistung in Polen ans Netz gehen werden. Bis Ende 2020 sollen es nach der Einschätzung der Regierung nicht mehr als 600 Megawatt sein. Angesichts des vorliegenden Gesetzentwurfs teilen Marktexperten diese Einschätzung nicht und halten sie für viel zu niedrig.
Attraktives Zeitfenster für Investitionen
„Die sehr hohen Vergütungssätze könnten zu einem Boom führen, der dann drei bis fünf Jahre andauert und sehr viele Photovoltaikanlagen mit sich bringt. Das könnte jedoch dazu führen, dass die Regierung die Förderung komplett abschafft, so wie es zum Beispiel in Tschechien der Fall war“, warnt etwa Ricarda Schuller von Juwi. Anwalt Christian Schnell sieht ebenfalls ein Zeitfenster von drei bis fünf Jahren, in denen Investitionen in Photovoltaik in Polen besonders lohnenswert sein werden. Er glaubt, dass die Entwicklung des Zubaus – ähnlich wie im Jahr 2010 in Tschechien – mit der Gesetzeinführung explodieren und bald über einem Gigawatt jährlich liegen könnte. „Der Boom könnte allerdings durch die technischen Gegebenheiten in Polen limitiert werden“, sagt Stefan Bruss von Parabel. Er sieht aber vor allem im Segment kleinerer Megawatt-Solarparks gute Aussichten für Projektierer. Eher kleinere Anlagen könnten ohne Netzstudien realisiert werden.
Selbst bei einem großen Zubau werde die polnische Regierung die Solarförderung dann nicht wieder komplett streichen, da die Photovoltaik hinsichtlich der EU-Ziele des Landes bei den Erneuerbaren eine wichtige Rolle einnehmen werde, lautet Schnells Einschätzung. Die Regierung habe erkannt, dass die Förderung der Mitverfeuerung von Kohle und Biomasse nicht sinnvoll sei. Sie soll im neuen Gesetz stark begrenzt werden und ab 2020 komplett wegfallen. Zugleich steckt die Entwicklung der Offshore-Windenergie in Polen noch in den Kinderschuhen. So muss die Regierung neben der Windkraft an Land verstärkt auf die Photovoltaik setzen.
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