Schlaglichter: Das politische Gezerre um den 52-Gigawatt-Deckel und die nationale Wasserstoffstrategie

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Das Jahr 2020 startete eigentlich mit ganz guten Nachrichten. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass es ein ganz besonderes Jahr werden würde. So veröffentlichte Energy-Charts vom Fraunhofer ISE veröffentlichte seine Bilanz zur Nettostromerzeugung in Deutschland 2019. So lag die Produktion aus erneuerbaren Energien erstmals höher als die der Kohle- und Gaskraftwerke zusammen. Die Erneuerbaren trugen 46 Prozent zur Nettostromerzeugung bei und die Photovoltaik allein kam immerhin auf 9 Prozent.

Auch aus Österreich kam frohe Kunde. Der Koalitionsvertrag von ÖVP und Grünen sieht ein 1-Million-Dächer-Programm für das Land vor. Doch im Laufe des Jahres zeigte sich dann, dass Papier geduldig ist. Eine konkrete Ausgestaltung des Programms gibt es bis zum Jahresende nicht, immerhin ist das Thema aber nicht komplett verschwunden und die so bleibt die Hoffnung, dass es 2021 für eine große Belebung des Dachanlagen-Marktes in der Alpenrepublik sorgen wird.

In Deutschland bringt derweil die SPD, namentlich ihr Energiepolitiker Matthias Miersch, erstmals eine bundesweite Photovoltaik-Pflicht ins Gespräch. Mit dem EEG-Entwurf im Herbst wird das Thema wieder heiß diskutiert, doch bis dahin tun sich eher Bundesländer mit konkreten Initiativen hervor. Etwa Baden-Württemberg stellt seine Pläne vor und will ab 2022 bereits eine verbindliche Photovoltaik-Pflicht auf Neubauten einführen.

Der 52 Gigawatt-Deckel naht

Bundespolitisch wird bis in den Sommer hinein der 52-Gigawatt-Deckel das beherrschende Thema aus Sicht der Photovoltaik- und Speicherbranche sein. Bereits früh im Jahr macht der CDU-Wirtschaftsflügel diesbezüglich klar, dass er keinen Sonderweg will, sondern nur ein Gesamtpaket verabschiedet, in dem unter anderem auch neue Abstandsregeln für Windparks an Land festgeschrieben werden. Wie zäh das Ringen werden würde, ahnte im Januar wohl noch niemand. Auch das Thema, wie weiter mit den Anlagen, die 2021 nach 20 Jahren aus der EEG-Förderung fallen, ist zu Jahresanfang bereits präsent. Eine Petition startet, die sich für eine wirtschaftliche Weiterbetriebslösung stark macht.

Die Kohleverstromung ging schon 2019 zurück.

Foto: Pixabay

Agora Energiewende wiederum veröffentlichte eine Analyse, die den deutlichen Rückgang der CO2-Emissionen 2019 aufzeigte. Dies lag vor allem an der stark rückläufigen Kohleverstromung. Die CO2-Minderungsziele für 2030 rückten demnach wieder in Reichweite. 2020 wird auch dazu beitragen, dass sich dieser Trend vorsetzt, allerdings aus dem eher unschönes Anlass, dass infolge der Corona-Pandemie die Stromnachfrage der Industrie gerade im Frühjahr heftig einbrach.

Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft zeigte anhand der gleitenden Marktprämie auf, dass große Photovoltaik-Freiflächenanlagen mittlerweile geringere Förderkosten als etwa Windkraft- oder KWK-Anlagen verursachen. Die gleitende Marktprämie für die Solarparks lag 2019 demnach gerade einmal bei 1,42 Cent pro Kilowattstunde. Die Förderung der Windparks war mehr als doppelt so hoch, für innovative KW-Anlagen lag sie bei mehr als 10 Cent pro Kilowattstunde.

Für die Entwicklung des Photovoltaik-Weltmarkts waren im Januar die Analysten noch sehr optimistisch. IHS Markit ging etwa von einem Wachstum auf 142 Gigawatt aus. AECEA prognostizierte für den größten Markt China 31 Gigawatt.

Doch die niedrigsten Preise werden woanders verzeichnet. Katar vergibt einen Zuschlag für ein 800 Megawatt-Projekt für knapp 1,42 Cent pro Kilowattsunde. Es stammt von dem Konsortium aus Marubeni und Total. Der Preis wird per Stromabnahmevertrag (PPA) für 25 Jahre garantiert.

Smart-Meter-Rollout verschoben

Der Smart-Meter-Rollout wird erst einmal verschoben.

Foto: ComMetering

Im Februar kocht in Deutschland wieder das Thema Smart-Meter-Rollout hoch. Das BSI legt seine Marktanalyse vor, nachdem drei Gateways zertifiziert sind und verkündet den Start. Der Beginn für die EEG- und KWK-Anlagen wird jedoch verschoben. Hierfür sollen erst noch Änderungen von Seiten des Bundeswirtschaftsministeriums abgewartet werden.

Auf dem BEE-Neujahrsempfang spricht CDU-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von einer schnellen Aufhebung des 52 Gigawatt-Deckels. Er verspricht eine schnelle Einigung innerhalb der Regierungskoalition bei den Abstandsregeln zur Windkraft. Es keimt Hoffnung auf, dass der Minister schnell handeln wird. Doch recht schnell wird sich diese Stimmung in zermürbendes Warten wandeln, auch wenn die Abschaffung des Deckels nicht mehr in Frage gestellt wird. Die Frage wann, bleibt jedoch lange unklar. Die 52 Gigawatt installierte Photovoltaik-Leistung rücken dabei immer näher und näher. 2019 summierte sich der Zubau auf 3944 Megawatt, wie die Bundesnetzagentur Ende Januar veröffentlichte.

Nationale Wasserstoffstrategie präsentiert

Ein anderes großes Thema zu Jahresbeginn ist Wasserstoff, genauer grüner Wasserstoff ist in aller Munde. Endlich wird auch der Entwurf für die N

ationale Wasserstoffstrategie bekannt. Doch ist der Aufbau von 5 Gigawatt Elektrolyseur-Leistung bis 2030 vorgehen. Auf den Weg gebracht ist auch das Kohleausstiegsgesetz. Leider ohne die von der Solarbranche erhoffte Abschaffung des 52-Gigawatt-Deckels. Die erste gute Gelegenheit, die das Bundeskabinett dafür verstreichen lässt. Zudem gibt es die lang erwartete Verordnung für die Innovationsausschreibungen, die damit 2020 mit einem Jahr Verzögerung wirklich starten können.

Chancen und Risiken der Wasserstoffstrategie

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Anlässlich der Wasserstoffstrategie haben wir in einem Schwerpunkt der Märzausgabe die Chancen und Auswirkungen für die Photovoltaikbranche und die dezentrale Energiewende analysiert. Unter anderem mit Artikeln zu:

 

 

Im Februar erreichte dann das Thema Corona auch den alten Kontinent. Noch grassierte der Virus fast ausschließlich in China. Der dortige Lockdown samt Produktionsstopp sorgte jedoch dafür, dass hiesige Photovoltaik- und Speicherhersteller auf dringend benötigte Materialien wie Solarglas oder Batteriezellen warteten. Es begannen die Diskussionen, wie sich dies auf die Entwicklung der Weltwirtschaft in diesem Jahr auswirken wird. Wie schnell der Virus dann doch auch Europa fest im Griff haben würde, war sicher den wenigsten klar.

Mehr dazu lesen Sie in diesen Artikeln, beziehungsweise können Sie in Podcasts hören:

Bei Batteriezellen unternimmt die EU seit einiger Zeit einiges, um großskalige Produktionen auch in Europa aufzubauen, etwa auch um die Abhängigkeit von Lieferungen aus Asien zu minimieren. Batteriezellen sind dabei nicht nur für die Heimspeicher wichtig, sondern auch für die Elektrofahrzeuge der Autobauer. Daher beteiligen sie sich auch aktiv an den Vorhaben. Opel will so etwa zwei Produktionsstätten mit 48 Gigawattstunden Jahreskapazität aufbauen, eine davon in Kaiserslautern.

Eine interessante Studie kam im Februar auch aus Freiburg. Das Fraunhofer ISE eruierte das wirtschaftliche Potenzial für schwimmende Photovoltaik-Anlagen auf Braunkohle-Tagebauseen in Deutschland. Das Ergebnis: Drei Gigawatt sind auf jeden Fall möglich. Allerdings steckt der Markt in Deutschland noch in den Kinderschuhen, da passende Anreize fehlen, um wirklich größere Projekte zu realisieren.

Nostromversorgung ist einer der Motivatoren, warum Hausbesitzer in Batteriespeicher investieren.

Grafik: E3/DC

Gleichzeitig hielt Sturmtief „Sabine“ im Februar Deutschland zumindest in einigen Teilen in Atom. Da sie auch am Wochenende über das Land fegte und so die Windturbinen zu Höchstleistungen antrieb, deckten die Erneuerbaren an einem Sonntag bis zu 85 Prozent des Strombedarfs. Die Preise dann der Strombörse bewegten sich als Folge über viele Stunden im negativen Bereich. Auch die Speicher konnten zeigen, was sie können. E3/DC veröffentlichte eine Analyse, wie ihre Produkte regional die Notstromversorgung erfolgreich sicherten, während Nachbarn durch das Sturmtief im Dunkeln saßen.

Das Fraunhofer ISE veröffentlichte unterdessen eine Studie, die verschiedene Szenarien enthält, wie Deutschland bis 2050 ein klimaneutrales Energiesystem erreichen kann. Dabei haben die Forscher nicht nur technische und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt, sondern auch verschiedene gesellschaftliche Modelle berücksichtigt. Die unterschiedlichen Wege zur Klimaneutralität sind daher auch mit unterschiedlichen Kosten behaftet.

Ihre rasante Kostenentwicklung zeigte die Photovoltaik auch wieder bei den Ausschreibungen. Die erste Runde des Jahres endete mit einem neuesten Niedrigstgebot von 3,55 Cent pro Kilowattstunde. Ein Grund für diese Werte waren und sind die anhaltenden Überzeichnungen der Ausschreibungen, sei es bei technologiespezifischen oder -übergreifenden Ausschreibungen, bei denen für Photovoltaik-Anlagen geboten werden kann.

Anfang März nahm die Bundesnetzagentur ein bisschen Druck aus dem Kessel bezüglich des 52-Gigawatt-Deckels. Sie rechnete die dafür anzurechende installierte Leistung nochmal nach und korrigierte sie etwas nach unten. Dennoch blieb es dringlich, da nur noch gut 2,5 Gigawatt bis zum Erreichen der Marke fehlten, ehe die EEG-Förderung für alle Photovoltaik-Anlagen bis 750 Kilowatt ausgelaufen wäre. Der lahmende Ausbau der Windkraft an Land führte auch dazu, dass erste Studien erschienen, die einen stärkeren Ausbau von Photovoltaik und Offshore-Windenergie forderten, um die Klima- und Ausbauziele für 2030 noch zu erreichen.

Erste Auswirkungen der Corona-Pandemie

Mit gewaltigen Schritten kam im März dann auch der Corona-Virus nach Europa. Als erste Messe fiel die Energy Storage Europe Covid-19 zum Opfer und musste für 2020 abgesagt werden, so dass auch die pv magazine energy storage highlights 2020 in einem pv magazine Webinar vergeben wurden. Wenig später folgte das PV-Symposium in Bad Staffelstein. Die Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr zur Normalität erfüllten sich nicht. Auch die wichtigste Messe für die Solar- und Speicherbranche in Europa, The smarter E, wurde letztendlich auf 2021 verschoben. Die rasante weltweite Ausbreitung der Corona-Pandemie führte letztendlich auch dazu, dass Analysten ihre Ausblicke für den globalen Photovoltaik-Markt senkten. Mittlerweile litten nicht nur die Hersteller unter Lieferengpässen, in vielen Ländern gab es auch Einschränkungen bei den Installationen.

Trotz Lockdown nahm EnBW die Bauarbeiten an seinem 187-Megawatt-Projekt in Brandenburg auf.

Foto: EnBW

Der Endkundenmarkt in Deutschland blieb allerdings relativ wenig von der Corona-Pandemie beeinträchtigt. Die Nachfrage zeigte sich stabil – sowohl nach privaten Photovoltaik-Anlagen als auch nach Heimspeichern. In unserer Umfrage geben zwei Drittel der Installationsbetriebe an, dass sie keine oder nur wenig Einbußen erwarten (Premium Content). Etwas diffiziler hingegen die Lage bei der Realisierung von Großprojekten in Deutschland. EnBW ließ sich allerdings nicht abschrecken und startete den Bau des bislang größten Photovoltaik-Kraftwerks in Deutschland, das ohne EEG-Förderung auskommt. Es hielt sogar den eigenen Zeitplan und brachte die 187 Megawatt noch bis zum Jahresende ans Netz, wie wir heute wissen. Es war jedoch gerade der PPA-Markt, der erst einmal wegen der Corona-Krise weitgehend zum Erliegen kam, weil Strom- und CO2-Zertifikatspreise durch die Pandemie gesunken sind. Doch bereits im Mai sehen Christine Lauber und Bassam Darwisch von Vattenfall die Auswirkungen nicht mehr so negativ, da die anderen Treiber für das Segment noch intakt seien.

Bei den Projekten innerhalb der Förderung sorgte die Bundesnetzagentur mit ihrer „Handreichung“ für etwas Entspannung. Diese sah eine vorübergehende Fristverlängerung und Aussetzung von Strafzahlungen für die Realisierung der Ausschreibungsanlagen wegen der Corona-Pandemie vor, wie sie die Branchenverbände zuvor eindringlich gefordert hatten. Auch für die anstehenden Ausschreibungen kam eine Regelung. So wurden die Zuschläge vorerst nicht öffentlich bekannt gemacht und damit begannen auch die Fristen zunächst noch nicht zu laufen.

Bei den kleinen geförderten Photovoltaik-Anlagen zeigte eine Analyse der HTW Berlin, nicht nur der 52-Gigawatt-Deckel, sondern auch der „atmende Deckel“ drückt in diesem Segment aufs Gemüt. Die derzeitige Degression der Solarförderung wird in absehbarer Zeit dazu führen, dass die EEG-Einspeisevergütung nicht mehr ausreichend ist, um Dachanlagen wirtschaftlich und kostendeckend zu betreiben.

Das gesamte pv magazine-Team wünschte Frohe Weihnachten. Bleiben Sie gesund.

Die drei nächsten Teile unseres Jahresrückblicks veröffentlichen wir am 28., 29. und 30. Dezember.

 

 

Von unserer Jury ausgewählt

pv magazine Highlights und Spotlights in 2020

  • pv magazine top business model: Mit Nulleinspeisern das Klima schützen (E3/DC)
  • pv magazine spotlight: Der Photovoltaik-Heimspeicher von RCT Power – Der richtige Kompromiss?
  • pv magazine top innovation: Ein neues System für den neuen Photovoltaik-Floating-Markt (Baywa r.e.)
  • pv magazine spotlight: Großer Effizienter im Sonnenfenster (Fronius)
  • pv magazine top business model: Weg mit dem Schnee dank Innos Weight Watcher
  • pv magazine top business model: Verbund vor der Batteriespeicher-Intraday-Herausforderung
  • pv magazine top innovation: Nexwafe plant eine Disruption in der Photovoltaik-Lieferkette
  • pv magazine Spotlight: Photovoltaik-Kunden in Deutschland fördern Wasserversorgung in Afrika (Enteria)
  • pv magazine top business model für Energetica: Klimaneutral zum Gigawatt
  • pv magazine Spotlight: Photovoltaik-Anlagen-Betreiber teilen Elektroauto-Ladepunkte (Charge@Friends)

Zu den Artikeln über die Preisträger und zu den Informationen zu den Kriterien

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