Enttechnisiert und energieautark – so beschreibt die Lübbener Wohnungsbaugesellschaft (LWG) die beiden Mehrfamilienhäuser, deren Bau gerade begonnen hat. Jedes Haus wird jeweils sieben Wohnungen auf 575 Quadratmeter Wohnfläche haben. Das Energiekonzept stammt vom Timo Leukefeld: Wie schon bei den früheren energieautarken Mehrfamilienhäusern, die beispielsweise in Cottbus, Wilhelmshaven und Aalen gebaut wurden, soll auch in Lübben die Photovoltaik einen Großteil des Energiebedarfs für Wärme und Strom decken. Anstelle von Solarthermie kombiniert Leukefeld die Photovoltaik-Anlagen nun aber mit Infrarotheizungen.
„Wenn wir über die Hälfte des Strombedarfs mit Photovoltaik erzeugen, gehen die Energiekosten stark nach unten“, so Leukefeld. „Wir müssen weg von der wassergeführten Heizung. Es soll im Wohnungswesen in Richtung Strom gehen, das ist auch die politische Ausrichtung.“ Infrarotheizungen haben demnach auch mehrere Vorteile, beispielsweise haben sie eine Lebensdauer von 30 bis 40 Jahren, sind wartungsfrei, reduzieren die Investitionskosten der Heizung und sorgen für eine angenehme Strahlungswärme.
Die baugleichen Mehrfamilienhäuser sollen jeweils Photovoltaik-Anlagen mit 37,7 Kilowatt sowie Speicher mit 73 Kilowattstunden Kapazität bekommen. Der Solarstrom soll für die Haushalte, die Infrarotheizung und die Warmwasserbereitung genutzt werden. Den eventuell verbleibenden Strombedarf sollen die Stadtwerke Lübben mit Ökostrom decken. Die LWG geht jedoch davon aus, dass sie den Solarstrom auch für die Mobilität nutzen kann – den Berechnungen zufolge soll so viel Strom übrig bleiben, dass damit 50.000 Kilometer elektrisch gefahren werden kann. Das Unternehmen will deshalb prüfen, ob es Elektroautos zum Car-Sharing anbieten oder eine öffentliche Ladesäule aufstellen kann.
Die künftigen Mieter sollen eine Pauschalmiete inklusive einer Energieflat zahlen, welche die Nettokaltmiete sowie die Energie für Heizung und Warmwasser, den Haushaltsstrom und anteiligen Gemeinschaftsstrom abdeckt. Ziel des Konzeptes ist, dass sich Mieter über steigende Energiekosten, die oft als zweite Miete bezeichnet werden, keine Gedanken machen müssen. Und auch die LWG sieht darin einen großen Vorteil, da die aufwändige Heizkostenabrechnung entfällt.
„Wir brauchen eine einfache, solide und wartungsarme Technik, die den Bewohnern Kosten spart und CO2 auf ein Minimum reduziert“, fasst Leukefeld die Eckpunkte seines Konzepts zusammen. „Der Schlüssel dazu ist eine hohe Autarkie durch Solarenergie für Wärme, Strom und Mobilität.“ Hinzu komme eine radikale Vereinfachung auf zwei Ebenen: bei der Technik sowie bei den Verträgen und Abrechnungen. Mit der Lübbener Wohnungsbaugesellschaft setzt das Autarkie-Team diese Vision und das Baukonzept nun erstmals in Deutschland um.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
Das hatten wir doch vor kurzem im Streit mit dem Solarthermievertreter. Die hier geführte Argumentation ist besser und darum ist Solarthermie nicht notwendig! 🙂 DANKE für diesen schönen Artikel
Hallo,
interessantes Projekt und interessanter Artikel. Mich würde interessieren, wie die Energieflat kalkuliert und berechnet werden wird. Was sind die Kosten für den Mieter pro qm und/oder Haushalt geschätzt?
Welche steuerlichen Aspekte sind zu beachten?
Sind die Einnahmen aus der Energieflat dem Erzeuger/Vermieter als Einkommenssteuer zuzurechnen?
Beste Grüße
Sonja Hörner
Am besten wenden Sie sich direkt an die Projektbeteiligten – an Timo Leukefeld (https://www.timoleukefeld.de/) oder die Lübbener Wohnungsbaugesellschaft (www.luebbener-wbg.de).
Wirtschaftlich funktioniert Infrarot-Direktheizung mit eigenem PV Strom nur solange, wie auch in der Dunkelflaute Endkunden-Strompreise nicht höher sind, als an einem Pfingst-Wochenende. Sobald intelligente Zäher dafür sorgen, dass der Bezugs-Strompreis wetter-abhängig ist, wird die Infrarot-Direktheizung unbezahlbar.
Diese Direktheizungen dürften wie Wärmepumpen nur mit Sondervertrag betrieben werden können. Dafür braucht man einen zweiten Zähler, und der Energieversorger hat das Recht, die Versorgung per Rundsteuersignal zu unterbrechen, wenn der Strom zu teuer wird. Tendenziell wird er im Winter den Strombezug freigeben, wenn genug Windstrom im Netz ist. Für die Zeiten, wo kein Bezug möglich ist, wird man einen Wärmespeicher brauchen, der ein paar Tage überbrücken kann. Im Netz wird das den Bedarf an Windstrom stark erhöhen. Der Bedarf an Grundwärme wird besser mit Wärmepumpen gedeckt, Direktheizungen allenfalls für Spitzenbedarf. Besser ist KWK und noch besser Solarthermie,die man auch bestens mit PV kombinieren kann.
Mir scheint Herr Leukefeld da technologisch in eine nicht nachhaltige Sackgasse zu rennen. Bei den gegenwärtigen Preisstrukturen geht das vielleicht, ob es sich auch in Zukunft noch rechen wird, wage ich zu bezweifeln.
Im Augenblick profitiert das skizzierte Versorgungsprinzip davon, dass sommerlicher Überschussstrom zu Preisen, die wesentlich höher sind, als es dem Wert dieses Überschussstroms entspricht, ins Netz abgegeben werden dürfen. Im Winter muss dafür Strom aus dem Netz ergänzt werden. Es ist zwar öfter von „energieautarken“ Häusern die Rede, an einer Stelle aber auch von „hohem Autarkiegrad“, was mir die ehrlichere Aussage zu sein scheint. Man sieht daraus vor allem, dass die Verwendung des Begriffs „Autarkie“ oft mißbräuchlich erfolgt, wenn damit nur eine Teilautarkie gemeint ist. „Hoher Autarkiegrad“ heißt im Umkehrschluss, dass es Zeiten gibt, in denen Energie von außen zugeführt werden muss, und das ist hier Strom in kalten Winternächten. Es wäre zu hoffen, dass dem Projekt zumindest dieser Strom auch zu den Preisen berechnet wird, was es kostet, in kalten Winternächten Strom bereitzustellen, wenn den Rest des Jahres nichts bezogen wird, oder sogar – und zwar in sonnigen sommerlichen Mittagsstunden – Strom mit Einspeiseprivileg und Garantievergütung ins Netz abgegeben wird. Kraftwerke und Stromleitungen, die nur 1% der Jahresstunden benötigt werden, produzieren teurer als es die Grundversorgertarife wiederspiegeln.
Wie gesagt – zur Zeit funktioniert das aufgrund der Marktbedingungen, aber die Gemeinschaft der Stromverbraucher zahlt da mit, wenn sie Strom zu Vorzugsbedingungen (Garantievergütung) abnimmt und ebenso zu Vorzugsbedingungen (Grundversorgertarif) liefert. Wenn das Beispiel Schule machen würde, wäre es zumindest mit den Vorzugsbedingungen für den Strombezug ganz schnell vorbei.
Die Bundesregierung mag zur Zeit dazu tendieren, die Bedeutung des Stroms im Wärmesektor zu steigern, denkt aber wohl eher an Wärmepumpen, was den hier propagierten Verzicht auf Wärmeverteilung durch wasserführende Rohre nicht erlaubte. Technologisch bedeutet das, dass diese Form der Wärmeverteilung bleibt, und dann kann man auch bei der Nutzung der Solarthermie bleiben – am besten kombiniert mit der PV, denn dann werden auch Mehrfamilienhäuser „vollautark“. Die Wärme kann man sogar saisonal speichern, was vielleicht noch nicht ganz wirtschaftlich ist, aber auch nicht weit davon entfernt. Wenn es weiter verbreitet wäre, würde es auch günstiger. Eine Zwischenstufe könnte es sein, dass zumindest Wärme für einige Tage gespeichert werden kann. In einem gut gedämmten Haus kann alleine die Masse des Hauses innerhalb der gedämmten Hülle schon Wärme für über 24h speichern – das ist dann ein Prinzip des Passivhauses: Mit einfachsten Mitteln (Wärmespeicherung in Beton und Gipskarton) ein ausgeglichenes Raumklima gewährleisten. Die vom Passivhausprinzip ursprünglich propagierte Wärmeverteilung über die Raumlüftung erscheint mir nach meinen Erfahrungen (mein Passivhaus wird dieses Jahr 20) eher nicht allgemein anwendbar, weil Luft wenig Wärme transportieren kann, und bei Reduzierung der Heizzeiten der Luftfeuchtigkeit zuliebe, wenn niemand im Haus anwesend ist, überfordert ist.
Welche Maßnahmen wären dem Gesetzgeber nahezulegen, dass so ein zweifelhaftes Modell wie das von Herrn Leukefeld nicht Schule macht? Die Garantievergütung für Eigenverbraucher ist so weit abzusenken, dass sie nicht zu weit weg vom Wert dieses Stroms liegt, und der liegt aufgrund des netzbelastenden Abgabeprofils nahe Null. Der Vorteil des Errichters einer Eigenversorgungsanlage liegt ja schon im sehr günstigen Eigenstrombezug. Auf der Verbrauchsseite ist das Bezugsrecht für Strom zum Grundversorgertarif auf Strommengen und Anschlussleistungen zu begrenzen, die einem kleinen Haushalt entsprechen, und es ist dafür zu sorgen, dass die Grundversorger davon auch Gebrauch machen und nicht die Kosten dieses Modells auf die Gemeinschaft der Stromverbraucher abwälzen. Das ganz allgemeine Problem des Modells scheint mir zu sein, dass der eigenerzeugte PV-Strom durch die Verwendung zur Direktheizung entwertet wird, ein Teil dieser Entwertung aber nicht vom Betreiber der Anlage bezahlt wird, sondern von der Gemeinschaft. Zusammen mit den Einsparungen in der Hausinstallation rechnet es sich dann für den Betreiber.
Wenn der PV-Strom so kostengünstig produziert werden kann, dass sich das Modell auch rechnet, wenn Überschusseinspeisung und Reststrombezug entsprechend ihrem Wert bzw. Kosten abgerechnet werden, dann will ich nichts sagen. Aber das kann ich nicht erkennen. Wir sind schon an dem Punkt, dass PV-Anlagen <4kWp im Jahresvergleich teurer geworden sind, und das wird wahrscheinlich immer größere Anlagen betreffen, wenn nicht nochmal der große technologische Durchbruch („PV-Strom aus Ziegelsteinen“) kommt.
Voll das coole Konzept. Ich bin mal gespannt, wie gut das dann mit dem Strom für die Infrarotheizung klappt. Wann soll der Bau fertig sein?