Deutschland ist schon seit Jahren kein Vorreiter mehr, wenn es um den Ausbau der erneuerbaren Energien geht. Ein Aufholen scheint nicht in Sicht: Anstatt Privatinvestitionen in Erneuerbare mit entsprechenden wirtschaftlichen Anreizen politisch zu fördern, auch um eine Corona-Wirtschaftskrise abzumildern, stehen gesetzliche Regularien den notwendigen Ausbauraten im Weg. Bürgerenergie-Projekte werden durch erhebliche Hürden in den Vergabeprozessen der Ausschreibungsrunden aus dem Markt gedrängt – nach wie vor eine unglaubliche Entwicklung. Denn wir blicken auf ein sich immer weiter schmälerndes Zeitfenster, das sich uns für die weltweite Energiewende und den Klimaschutz noch bietet.
Die jüngsten Ausschreibungsergebnisse der Bundesnetzagentur vom 1. Juli machen das Desaster deutlich: Photovoltaik wurde vierfach überzeichnet! Von den eingereichten 780 Megawatt haben lediglich 190 den Zuschlag erhalten. Eine verpasste Chance für knapp 600 Megawatt in baubereiten Projekten! Dabei sind die angebotenen Projektvolumina sowieso schon viel geringer als Unternehmen gerne umsetzen würden und könnten.
In der Windenergie sieht es anders und doch ähnlich ernüchternd aus: Die ohnehin schon geringen Volumina der Windkraft wurden deutlich unterzeichnet. Von dem bereitgestellten Ausschreibungsvolumen von 275 Megawatt konnten lediglich 191 Megawatt zum Gebotstermin am 1. Juli 2020 bezuschlagt werden. 84 Megawatt blieben somit ungenutzt.
Woran liegt’s?
Es ist zu erkennen, dass Bürgerenergie fast gänzlich aus dem Markt gedrängt worden ist. Lediglich große Finanzinstitute und finanzkräftige private Investoren können sich unter den derzeitigen Ausschreibungsbedingungen behaupten. Nur solchen Akteuren ist es möglich, ein entsprechendes finanzielles Risiko einzugehen und es unter mehreren Projekten zu streuen. Bürgerenergie-Projekte zählen selten zu den erfolgreichen Bietern. Zu hohe Anfangshürden und zu enge Ausschreibungskriterien trennen sie vom Zuschlag. Neugründungen von Energiegemeinschaften kann es so schon gar nicht mehr geben.
Es zeigt sich also wieder einmal deutlich: Die große Koalition muss schleunigst auf diese Entwicklungen reagieren und mit deutlich verbesserten Rahmenbedingungen finanzielle Anreize schaffen, welche Neuinvestitionen in Photovoltaik und Windenergie wieder mobilisieren, sowohl durch Bürgerenergie als auch durch die großen finanzkräftigen Investoren. Im Herbst stehen mit der EEG-Novelle, dem 2030 Climate Target Plan der EU und weiteren Entscheidungen fundamentale politische Weichenstellungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien an.
Es bleibt also wenig Zeit für eine fundierte Analyse der Hemmnisse und die Formulierung solider Handlungsempfehlungen für einen politischen Kurswechsel. Deshalb ist die folgende Studie so wichtig und zeitkritisch, für die wir mit der Energy Watch Group derzeit finanzielle Mittel über Crowdfunding sammeln:
Unter dem Arbeitstitel „10 Schwachstellen von EE-Ausschreibungen – und Perspektiven für den politischen Rahmen der EU. Empirische Beobachtungen aus der wachsenden Erfahrung mit EE-Ausschreibungen weltweit.“ analysieren Wissenschaftler im Auftrag der EWG die Schwachstellen des politischen Rahmens von EE-Ausschreibungen und legen Handlungsempfehlungen für einen Kurswechsel vor. Denn Klimaschutz braucht erneuerbare Energien!
Von den insgesamt benötigten 50.000 Euro sind inzwischen über 30.500 Euro zusammengekommen. Mein herzlicher Dank gilt allen, die bereits gespendet haben. Hier geht es zur Crowdfunding-Kampagne.
Wenn Deutschland, die EU und die Länder der Welt nicht umgehend die politischen Rahmenbedingungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien anpassen und auch die Zugangsbarrieren für die Bürgerenergie in den Vergabeprozessen senken, wird es für die riesige Aufgabe der Bewältigung des Klimawandels keine Lösung geben.
Unterstützen Sie daher bitte die Crowdfunding-Kampagne, damit die Energy Watch Group die Studie rechtzeitig in die politischen Prozesse im Herbst einbringen kann.
— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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Es scheint nicht unbedingt Peter Altmeier zu sein, dem das Versagen anzurechnen ist.
Vermutlich sind es seineeigenen Mitarbeiter, die immernoch ein unzutreffendes Verständnis für Ihre Rolle in derdringenden Energiewende haben.
Kosten sparen und Bremse ist out.
Kontingente und Kapazitäten an Erneuerbaren herranbringen wäre das Thema.
Zitat „Von den eingereichten 780 Megawatt haben lediglich 190 den Zuschlag erhalten. Eine verpasste Chance für knapp 600 Megawatt in baubereiten Projekten!“
Wie lange müssen wir uns das noch mit ansehen?
Eventuell hat es Herr Altmeier den Mittarbeitern wg. der vielen eigenen Termine einfach noch nicht nahebringen können………
@ Thomas :
die Bundesnetzagentur hält sich an die im EEG § 28 festgelegten Ausschreibungsvolumen, und das kann nur vom Bundestag geändert werden !
Diese Anlagen gehen im übrigen auch anders als PPA-Anlagen in die Berechnung der EEG-Umlage mit ein.
@Klaus; wußte ich bislang nicht! Danke.
Wie könnten wir das ändern?
Was muß passieren, dass die Ausschreibungen für die Erneuerbaren den Erfordernissen der Energiewende in Ansätzen schritthalten?
Es kann doch nicht sein, dass alle Schritte für die Steuerung des Aufbaues der Alternativen Energieen offensichtlich der verabredeten Zügelung des EEG unterworfen werden!
Typischer ungelöster Interessenskonflikt!
@ Thomas :
Aber das Gesetze nur vom Bundestag geändert werden können wissen sie schon ?
Solange die Gesetzgebung der Bundesregierung und die sie tragenden Parteien Autonomie regenerativer Energieversorgung verhindert, kann es keine Energiewende geben, die Fortführung nuklear/fossiler Energieversorgung verhindert.
Im Schatten der Corona Pandemie werden sogar zusätzliche Steinkohle- und Erdgasimporte getätigt, anstatt dafür erforderlichen Aufwuchs regenerativer Energien und deren Speicherung zu finanzieren.
Offensichtlich ist es unter Politikern noch immer nicht Konsens, dass 100 % regenerative Energieversorgung unverzichtbare Voraussetzung für Friedensicherung, Verhinderung des Klimawandels und sozialer Katastrophen ist.
Ohne gesetzliche Legalisierung der Konkurrenz zwischen regenerativer und nuklear/fossiler Energieversorgung, ist Richtungswechsel zum Ende der Abhängigkeit von Atomkraftwerken, Kohle, Erdöl und Erdgas ausgeschlossen.
Energieversorgung gehört wie Wasserversorgung und saubere Atemluft zur Daseinsvorsorge.
Studien, die am Dogma marktwirtschaftlicher Energieversorgung festhalten sind daher eher kontraproduktiv.
In einer parlamentarischen Demokratie muss es keinen Konsens unter Politikern zu Gesetzesänderungen geben sondern es dafür Mehrheiten im Parlament geben und nicht an irgendwelchen Stammtischen, die behaupten sie wären das „Volk“
So lange Energiepolitik von Leuten, beeinflusst wird,wie im Folgenden dargestellt, muss man sich wundern, dass die Energiewende schon so weit ist. wie sie ist
https://de.wikipedia.org/wiki/Externe_Mitarbeiter_in_deutschen_Bundesministerien
Einer breiteren Öffentlichkeit wurden Personalaustauschprogramme, und die Mitarbeit Externer in Bundesministerien, durch das Fernsehmagazin Monitor am 19. Oktober 2006 bekannt. Der Beitrag wurde anmoderiert mit den Worten:
„Lobbyisten versuchen, die Politik zu beeinflussen, um ihrem Arbeitgeber Vorteile zu verschaffen. Dazu sprechen sie auch in Ministerien vor. Manche Lobbyisten haben das gar nicht mehr nötig – sie sind nämlich schon da. Ja, richtig, das ist neu: Lobbyisten haben in unseren Ministerien mittlerweile eigene Büros – Tür an Tür mit Regierungsbeamten und […] mit eigener Durchwahl, und schreiben an Gesetzen mit. Bezahlt werden sie von ihren Unternehmen. Leihbeamte – gut für die Wirtschaft, schlecht für Bürger