Kohleausstieg bis 2038 gesetzlich beschlossen – Jetzt muss Einstieg in neues Energie-Zeitalter folgen

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Fast anderthalb Jahr sind vergangenen: Ende Januar 2019 legte eine Expertenkommission ihre Vorschläge für einen Kohleausstieg bis 2038 auf den Tisch. Am Freitag nun verabschiedeten erst der Bundestag, dann der Bundesrat die dazu notwendigen Gesetzespaket. Es handelt sich dabei um das „Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung“, das aus zwei Formulierungshilfen für Stein- und Braunkohlekraftwerke besteht, sowie das „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“. Das Paket enthält einen Fahrplan für den Kohleausstieg und sichert den betroffenen Regionen zugleich Milliardenhilfen zur wirtschaftlichen Unterstützung.

Der Bundestag tat sich allerdings sehr schwer mit seiner Entscheidung. Da viele Abgeordnete der Regierungsfraktionen nicht zur Abstimmung erschienen waren, musste zur Mittagsstunde eine Entscheidung per Hammelsprung getroffen werden. Nach Informationen der Grünen stimmten rund 15 Unionsabgeordnete und einge SPD-Abgeordnete gegen den Gesetzentwurf. Am Ende wurde er allerdings mit der der Mehrheit von 314 Ja-Stimmen angenommen. 273 Bundestagsabgeordnete stimmten mit Nein, darunter die Grünen, und drei enthielten sich. Alle ansonsten zum Gesetzespaket eingebrachten Änderungs- und Entschließungsanträge wurden abgelehnt. Der Bundesrat musste auch wegen des langwierigen Abstimmungsprozedure des Bundestages sein Votum verschieben. Es erfolgte schließlich ganz am Ende der Sitzung und die Länder gaben grünes Licht.

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Die lange Zeit bis zur Verabschiedung bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass am Ende alle mit dem Kompromiss zufrieden sind. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) moniert die fehlende Verankerung der Erneuerbaren in dem Kohleausstiegsgesetz. „Es ist dringend notwendig, mit dem Kohleausstieg jetzt sofort den Ausbau der erneuerbaren Energien gesetzlich verbindlich zu verankern“, erklärte BEE-Präsidentin Simone Peter.

„Nicht nur, dass mit dem Gesetz die Laufzeiten bereits heute unrentabler fossiler Kraftwerke künstlich verlängert und noch dazu unnötig vergoldet wurden, es fehlen auch immer noch Rechtssetzungen für einen mutigen Zubau der erneuerbaren Energien“, so Peter weiter. Dies konterkariere auch die Klimaziele. „Ein Ausstieg ohne einen Einstieg ist nur eine halbe Sache.“ Der Verband forderte daher eine „positive Agenda“, in welchem Umfang Photovoltaik, Windkraft und Co. künftig erforderlich seien, um energie- und klimapolitische Aufgaben zu erfüllen. Es brauche einen Fahrplan, wie der bereits beschlossene Anteil von 65 Prozent erneuerbare Energien bis 2030 erreicht werden soll. „Die Aufhebung des Deckels für Photovoltaik dürfe hier nur ein erster Schritt sein, dem weitere folgen müssen, um den im Rahmen der Sektorenkopplung wachsenden Bedarf an Ökostrom mit heimischen erneuerbaren Energien zu decken“, erklärte Peter weiter. Sie forderte vom Bundeswirtschaftsministerium mit der angekündigten EEG-Novelle die Energiewende im Stromsektor zu beschleunigen.

Die Grünen hatten im Bundestag gegen das Gesetz zum Kohleausstieg gestimmt. Dies sei der Partei nicht leicht gefallen. „Das vorliegende Gesetz hat aber zu viele Mängel und nimmt insbesondere den notwendigen Klimaschutz nicht ernst“, begründete der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer die Entscheidung. „Viele Kraftwerke werden viel zu spät abgeschaltet, so dass wir unsere internationalen Verpflichtungen zur Eindämmung der Klimakrise nicht einhalten können. Gleichzeitig wird die von der Kohlekommission geforderte Ausbauoffensive für erneuerbare Energien nicht umgesetzt, der notwendige Ersatz für die Kohlekraftwerke wird also nicht angestoßen“, so Krischer weiter. Die Grünen wollten sich in den nächsten Jahren für Nachbesserungen einsetzen, der einen Kohleausstieg „deutlich vor dem Jahr 2038“ ermöglichen soll.

Greenpeace demonstrierte anlässlich der Verabschiedung des Kohleausstiegsgesetzes am Reichstag. „Die Bundesregierung schiebt dringend notwendige CO2-Einsparungen auf die lange Bank“, sagt Karsten Smid, Klimaexperte von Greenpeace. “Dieses Gesetz ist ein Klimaverbrechen, das der Bundestag so nicht beschließen darf. Ein vollständiger Kohleausstieg bis 2030 ist dringend nötig, damit Deutschland klimapolitisch glaubwürdig wird.”

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bezeichnete den Beschluss als „historische energiepolitische Wegmarke“. Er forderte jedoch zugleich eine umfassende EEG-Novelle im zweiten Halbjahr. „Entscheidend ist, dass wir jetzt nicht nur aus dem Zeitalter der Kohleverstromung aussteigen, sondern beherzt in das Zeitalter der erneuerbaren Energien einsteigen“, erklärte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Es müssten „konkrete, technologiespezifische Ausbaupfade“ festgelegt werden, um das 65-Prozent-Ziel bis 2030 zu erreichen. Zudem forderte der Verband die Beschleunigung und Vereinfachung des Planungs- und Genehmigungsrechts insbesondere für Windenergieanlagen an Land und Photovoltaik-Projekte sowie einen entschlossenen Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft.

„Mit Blick auf die Organisation des Kohleausstiegs ist es konsequent und richtig, dass die Politik die Umrüstung und den Neubau von CO2-armen Kraftwerken unterstützt und Entschädigungszahlungen für Kraftwerksstilllegungen vornimmt. Damit erkennt sie die Eigentumsrechte der Betreiber an. Ob die geplanten Regelungen für den Umbau des Kraftwerksparks ausreichen, um den notwendigen Ersatzneubau wirksam und in der gebotenen Geschwindigkeit voranzutreiben, bleibt abzuwarten“, so Andreae weiter. Gegebenenfalls müsste nachgesteuert werden.

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