Der eine Deckel ist weg, da sorgt der nächste Deckel für Aufregung. Nach der bereits vom Bundestag beschlossenen Streichung des 52-Gigawatt-Deckels aus dem EEG, die auch künftig eine Vergütung für Photovoltaik-Anlagen bis 750 Kilowatt Leistung sicherstellt, geht es nun um den Degressionsmechanismus für die Solarförderung. Dieser wird auch „atmender Deckel“ genannt, da sich die Höhe der monatlichen Veränderung an dem Zubau der zurückliegenden Monate orientiert. Kurz gesagt: Wird viel Photovoltaik zugebaut, sinken die Fördersätze stärker. Wird nur ganz wenig Photovoltaik installiert, könnten sie sogar steigen. Als Orientierungsmarke gelten dabei die derzeit jährlich angestrebten 1900 Megawatt neu installierte Photovoltaik-Leistung.
Der „atmende Deckel“ hat mittlerweile dazu geführt, dass die Einspeisevergütungen für Photovoltaik-Anlagen bis 100 Kilowatt im Juni nur noch bei 7,00 bis 9,17 Cent pro Kilowattstunde liegen. Sie werden aktuell um monatlich 1,4 Prozent gesenkt. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) hat sich – auch mit Blick auf die im Herbst angekündigte EEG-Novelle sowie des langfristigen Ziels von 1000 Gigawatt installierter Photovoltaik-Leistung für die Energiewende – in einem Positionspapier mit dem Degressionsmechanismus befasst und Änderungsvorschläge in Richtung Bundesregierung formuliert. Es gehe darum, den Ausbau der Photovoltaik stark zu beschleunigen. Der „atmende Deckel“ könnte die Entwicklung jedoch unnötig ausbremsen, warnt der Verband.
„Mittelfristig muss das Förderregime grundsätzlich neu ausgerichtet werden. Im aktuellen System hat die sowohl Volleinspeisung als auch die Direktvermarktung in der Regel einen wirtschaftlichen Nachteil gegenüber Anlagen mit Eigenversorgungsanteilen. Die Logik des EEG-Vergütungsregimes macht aktuell keinen Unterschied zwischen den solaren Einsatzbereichen“, heißt es im Positionspapier des bne. Dort werden insgesamt vier „Bausteine einer Lösung“ benannt.
Zunächst müsse die Bundesregierung den Zielpfad für die Photovoltaik-Dachanlagen auf ihr 65-Prozent-Ziel bis 2030 anpassen. Danach richtet sich die Höhe der monatlichen Degression. Mit einem höheren angestrebten Zubauwert pro Jahr, der für das Erreichen der Erneuerbaren-Ziels bis 2030 unerlässlich ist, würde die Solarförderung für Photovoltaik-Dachanlagen folglich langsamer sinken. Zudem dürfe nur jener Zubau angerechnet werden, wo der Solarstrom mit EEG-Vergütung ins Netz eingespeist werden, heißt es in Punkt zwei. „Heute ist für die Auswahl der Degressionsstufe der annuisierte Brutto-Zubau maßgeblich. Dies ist sachwidrig, da nicht jedes Kilowatt Brutto-Zubau eine Vergütungszahlung auslösen kann“, heißt es vom Verband. Er schlägt vor, künftig die im Marktstammdatenregister verzeichnete Nettonennleistung der Photovoltaik-Anlagen zur Berechnung des „atmenden Deckels“ heranzuziehen. Zudem müsse auch die 70-Prozent-Regel für alle Photovoltaik-Anlagen bis 30 Kilowatt berücksichtigt werden. Von diesen Anlagen darf maximal 70 Prozent der Photovoltaik-Leistung ins Netz eingespeist werden, sofern sie nicht fernsteuerbar sind. Der Anteil darüber kann aber als Eigenverbrauch genutzt werden.
Als dritten Baustein schlägt der bne eine Anpassung der Sonderdegression an die heutige Kostensituation vor. „Aufgrund der inzwischen stark gesunkenen Kosten von PV-Dachanlagen sollte der Degressionsmechanismus moderat angepasst werden. Insbesondere die ‚Fallbeilwirkung‘ bei marginalen und moderaten Überschreitungen des Korridors sollte korrigiert werden“, heißt es zur Begründung im Positionspapier. Bei einem starken Überschreiten des Zielkorridors sollte die Degression jedoch entsprechend greifen. Statt einer „C-Form“ schlägt der bne daher eine „S-Form“ zur Ausgestaltung der Degressionsstufen für die Solarförderung vor (siehe Grafik).
Der vierte Baustein sieht vor, dass die Nettoförderkapazität künftig als Grundlage für den „atmenden Deckel“ dient. Ab 2021 werden sukzessive Photovoltaik-Anlagen nach dem Förderende aus dem EEG fallen, jedoch teilweise weiter betrieben. „Weil der Anspruch auf Einspeisevergütung dieser Anlagen bedeutend höher war, als der Anspruch von Neuanlagen ist, sollte die nicht mehr vergütete Leistung vollständig oder anteilig negativ auf den annuisierten vergütungsberechtigten Brutto-Zubau angerechnet werden“, fordert der bne. Für 2021 seien dies rund 100 Megawatt.
„Funktion des sogenannten atmenden Deckels ist es, den Ausbau der Photovoltaik zu steuern“, sagt Robert Busch, Geschäftsführer des Verbands, auf Anfrage von pv magazine. „Der bne hat jetzt einen Vorschlagskatalog erarbeitet, dessen Umsetzung zu Erreichung der Energie- und Klimapolitischen Ziele der Bundesregierung beitragen würde.“ Langfristig sei natürlich „noch deutlich mehr erforderlich“, um die benötigten 1000 Gigawatt installierte Photovoltaik-Leistung zu erreichen. „Der Vorschlag kann daher auch nur ein Zwischenschritt im Rahmen eines künftigen Gesamtkonzepts sein, an dem der bne gerade arbeitet“, so Busch weiter.
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Im Artikel heißt es:
„Langfristig sei natürlich „noch deutlich mehr erforderlich“, um die benötigten 1000 Gigawatt installierte Photovoltaik-Leistung zu erreichen“.
Die 1000 GW kommen mir recht viel vor. Ich habe 200 bis 300 GW in Erinnerung. Ist das kein Tippfehler?
Hallo Herr Körblein,
nein, in diesem Fall mal kein Tippfehler 😉
Mehr dazu hier: https://www.pv-magazine.de/2020/04/24/bne-fordert-1000-gigawatt-photovoltaik-bis-2050-in-deutschland/
Viele Grüße,
Sandra Enkhardt
1000GW Photovoltaik in Deutschland klingen zwar etwas illusionär, wenn man die derzeitigen Erzeugungs- und Verbrauchsstrukturen zugrunde legt. Das ist aber ein Denkfehler, denn diese sind auf fossile und Kernkraftwerke abgestimmt. Der günstigere Bezug von Nachtstrom beispielsweise für Nachtspeicherheizungen ist nur notwendig, wenn man Kraftwerke hat, die ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Bedarf Tag und Nacht durchproduzieren müssen um (in ihrer Logik, in der die Allgemeinheit die Mülldeponiekosten für CO2 und Radioaktivität bezahlt) wirtschaftlich sein zu können. Die Kosten für die Marketingaktion Nachtstrom müssen dann die Tagstrom-Verbraucher bezahlen. Die Verfechter der alten Energiewirtschaft entblöden sich ja nicht, den künstlich hochgetriebenen Nachtstrombedarf dann noch als nicht abdingbaren „Bedarf an Grundleistung“ und naturgegeben hinzustellen.
Grob überschlagen produziert bei uns PV 1/3 ihres Stroms im Winterhalbjahr, 2/3 im Sommer, alles immer tagsüber, wo der Strombedarf hauptsächlich anfallen würde, wenn man den Verbrauchern die Freiheit ließe. Wenn wegen Klimawandels unser Klimatisierungsbedarf nicht erheblich ansteigt, muss dann für die Hälfte des im Sommer produzierten Stroms (=1/3 des insgesamt produzierten Solarstroms) eine Langzeitspeicherungsmöglichkeit gefunden werden, soweit er nicht abgeregelt wird. 10% Abregelung hat eine ebenso hohe Kostensteigerung des Reststroms zur Folge und das ist drin, wenn die Erzeugungskosten statt 3ct/kWh 3,3ct betragen. Diese 10% schlagen dann natürlich noch weiter durch auf die Kosten von Strom, der mit schlechtem Wirkungsgrad langzeitgespeichert wird. Aber das ist wiederum ein kleiner Anteil des gesamten Netzstroms, und dann ist es wieder verschmerzbar.
Die Kurz- und Langzeitspeicherung verteuern also den Durchschnittspreis des an den Verbraucher gelieferten Stroms, so wie auch heute der Einsatz von Pumpspeicher- und Spitzenlastgaskraftwerken den Netzstrom verteuert. Daran müssen insbesondere die Eigenerzeuger denken, die sich wundern, dass sie ihren Strom nur für ein paar ct ins Netz abgeben können, wenn sie aber selbst Strom aus dem Netz beziehen müssen dafür die üblichen Aufschläge, insbesondere die Netzkosten, bezahlen müssen. Aber das ist halt der Preisunterschied zwischen volatil erzeugtem PV-Strom und bedarfsgerecht 24h an 365 Tagen geliefertem Netzstrom.
Insgesamt kann man sich auf die Analysen des bne immer verlassen. Da wird sehr realistisch ohne ideologische Scheuklappen und so häufig anzutreffenden Selbstbetrug gerechnet. Lächerliche Sprüche wie „Die Sonne schickt keine Rechnung“ oder „Ich benutze das Netz als Speicher“ oder Jubel über angebliche „Netzparitäten“ muss man da nicht befürchten. Auch ideologische Grundsätze, wie, dass die Energieversorgung der Zukunft dezentral sein müsse, hat da keinen Platz. Dass die Erzeugung im Gegensatz zu den alten zentralisierten Großkraftwerken dezentral angeordnet ist, so wie das bisher auch schon für den Verbrauch galt, bestreitet ja keiner. Aber wir werden das Netz mehr als bisher brauchen, um regionale Erzeugungsüberschüsse (sei das jetzt ein Starkwindgebiet in Norddeutschland oder ein sommerliches Hochdruckgebiet über Süddeutschland) noch über Ländergrenzen hinweg zu verteilen, damit ein möglichst kleiner Anteil des Stroms zwischengespeichert werden muss. Diese Zwischenspeicherung treibt die Versorgungskosten viel mehr in die Höhe als ein ausreichend dimensioniertes Netz, das einen möglichst hohen Anteil an Direktverbrauch gewährleistet. Durch die dezentrale Erzeugung und (Teil-) Speicherung gibt es auch Entlastungen im Netz, so dass gar nicht gesagt ist, dass der Netzbetrieb insgesamt teurer werden muss. Anders wird das Netz aber noch. Wenn es gut läuft, wird es in Zukunft ein echtes robustes Netz mit vielen gleichwertigen Maschen und alternativen Wegen für den Strom vom Erzeuger zum Verbraucher sein, und nicht mehr die anfällige Baumstruktur mit wenigen starken Stämmen, an denen die Großkraftwerke lagen, aus denen heraus sich das Verteilnetz immer weiter verästelte.
Zu dem Thema „Modifikation des atmenden Deckels“: Der Vorschlag des bne hat vielleicht den Vorteil, dass er die nicht zu sehr vor den Kopf stößt, die diesen Deckel erfunden haben. Tatsächlich war aber schon der bisherige Deckel eine Fehlkonstruktion, und der modifizierte macht das nicht besser. Eine Fehlkonstruktion ist er, weil er (nur als Beispiel) bei stärkerer Inflation, mit der wir rechnen müssen bei dieser ungebremsten Ausweitung der Geldmenge, über Jahre zu niedrige Zubauzahlen ermöglichen würde. Der „atmende Deckel“ ist einfach träge und starr. Und die staatliche Vorgabe von Preisen ist immer bedenklich.
Besser wäre es, die Garantievergütungen für kleinere PV-Anlagen an die Auktionsergebnisse der großen PV-Freiflächenanlagen zu koppeln. Die Ergebnisse dieser Auktionen bilden die Kostenentwicklung bei PV-Anlagen richtig ab sowohl bei Senkungen wie bei Anstiegen. Staatlich festlegen müsste man nur noch im Verhältnis zur Gesamtvergütung geringe Aufschläge je nach Größenklasse und Installationsart (Freifläche, Dachanlage, Agrar, Ost-West, …) und diese Aufschläge könnte man dann auch über längere Zeit unverändert lassen. Nur bei offensichtlichen Ungleichgewichten wären Anpassungen erforderlich. Das wäre dann ein System, das man guten Gewissens längere Zeit laufen lassen könnte, ohne ständige Notoperationen, die viel Arbeit und Papier verschlingen und das Vertrauen in eine verlässliche Gesetzgebung unterminieren.