Mit fast 200 Teilnehmer aus Bayern, Österreich und Tschechien war die 27. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Solarinitiativen (ABSI) in Roding sehr gut besucht. Intensive Diskussionen, Vorträge, Austausch guter Ideen, Konzepte und unternehmerischer Aktivitäten prägten die zweitägige Veranstaltung.
Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) stellte sich als Schirmherr der Diskussion mit Vertreter der Solarinitiativen und Ramona Wüst von Fridays for Future. Sie alle kritisierten die bayerische Energiewende und Klimaschutzpolitik als vollkommen unzulänglich angesichts der zu bewältigenden Herausforderungen.
Außer einzelnen kleineren Maßnahmen, wie das erfolgreiche bayerische Förderprogramm für Photovoltaik und Speicher, konnte Minister Aiwanger keine weiteren Maßnahmen und oder Vorhaben nennen. Doch genau solche werden in Bayern dringend benötigt, um die Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien zu ermöglichen, die bis 2030 notwendig ist, um das in Paris beschlossene Klimaschutzziel mit 1,5 Grad Celsius nicht zu überschreiten. Der dafür notwendige Ausbau des Ökostroms findet außer geringfügig bei der Photovoltaik nicht mehr statt. So hielt Aiwanger an der 10H-Regelung fest, obwohl genau diese den Ausbau der Windkraft fast völlig erstickt hat.
Zu Recht kritisierte Minister Aiwanger die fehlende Bürgerbeteiligung, machte aber keine Angebote, wie sie wieder gestärkt werden könnte. So sind beispielsweise keine Initiativen der Staatsregierung zu erwarten, wenn es darum geht den Irrweg der Ausschreibungen abzuschaffen und zurück zur Einspeisevergütung im EEG zu kommen, die noch vor fünf Jahren große bürgerliche Investitionen zum Beispiel mit Energiegemeinschaften ermöglichte, auch in Bayern.
In meinem Vortrag auf der ABSI-Jahrestagung betonte ich, dass Bayern so nicht einmal den Atomausstieg bis 2023 bewältigen können wird. Bereits 2018 wurden in Bayern nur 89 Prozent des Strombedarfs selbst erzeugt. Mit dem Abschalten der letzten Atomkraftwerke wird die Deckungslücke bei weiter unzulänglichem Ökostromausbau auf 40 Prozent ansteigen.
Die Deckungslücke könnte sogar noch größer werden, da es weder von Bundesregierung noch von Seiten der Staatsregierung ernsthafte Aktivitäten für die Post-EEG-Anlagen gibt, die in den nächsten Jahren aus der EEG-Förderungen fallen. So droht in den kommenden fünf Jahren über 200 Windrädern die Abschaltung, wenn den Betreibern keine wirtschaftliche Basis für den Weiterbetrieb ermöglicht wird.
Auch vielen Kleinwasserkraftbetreibern droht das wirtschaftliche aus, weil Naturschutzbehörden immer höhere Naturschutzauflagen, zum Beispiel mit Restwasserausleitungen fordern. Erste Untersuchungen warnen, dass ab 2023 in Spitzenlastzeiten die Versorgungssicherheit gefährdet ist.
Es ist also nur eine Frage der Zeit, wann die Forderungen nach der nächsten Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke von der CSU-geführten Staatsregierung übernommen werden, die schon länger aus der bayerischen Wirtschaft zu hören sind. Möglicherweise arbeitet die CSU gezielt darauf hin, da sie ja im Bundestag, wie im Landtag im letzten Jahrzehnt immer größere Hürden gegen den Ökostromausbau mit aufgebaut hat.
Dabei hat die ABSI-Tagung gezeigt, dass der Wille in größeren Teilen der bayerischen Bevölkerung, die Bürgerenergie auszubauen, weiterhin ungebrochen hoch ist. So stellten Start-ups ihre Aktivitäten vor, wie mit zellularen Ansätzen von unten die Systemsicherheit einer Stromversorgung mit 100 Prozent Erneuerbaren und Digitalisierung geschaffen werden kann. Solche Ansätze kommen beispielsweise von der Regionalwerke GmbH & Co. KG (www.regionalwerke.com) oder Consolinno Energy (www.consolinno.de), die mit Kleinanlagen auch von privaten Betreibern das Stromnetz stabilisieren können, bereits erfolgreich aufgezeigt in Zusammenarbeit mit den Netzbetreibern Bayernwerk und Tennet.
Diese und viele weitere erfolgreiche Ansätze gilt es von gesetzgeberischer Seite zu unterstützen, statt sie zu behindern. Dann könnten Atomausstieg bis 2023 und Klimaschutz mit 100 Prozent erneuerbare Energien schnell, sicher und kostengünstig bis 2030 verwirklicht werden.
Als neuer Sprecherrat wurden auf der ABSI-Tagung gewählt: Christian Dürschner; Wolfgang Wegmann; Werner Hillebrand-Hansen; Oliver Seth; Bodo Giesler; Fabian Flade; Michael Buchberger; Hans-Josef Fell.
— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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„Irrweg der Ausschreibungen abzuschaffen und zurück zur Einspeisevergütung im EEG zu kommen“
Herr Fell, mit Verlaub,
diese Kritik am Staatsminister ist völlig überzogen und Ihre Argumentation nicht gerade schlüssig. Ausschreibungen und Bürgerbeteiligungen schließen sich nicht per se aus. Und außerdem haben wir dank der Ausschreibungen es geschafft, dass die Gestehungskosten bei PV-Freifläche in Rekordzeit auf die Rekord(niedrig)-preise von 4-5,5 Cent /kWh gefallen sind. Kann ja sein, dass ihr persönliches Erbe (EEG, feste Einspeisetarife ohne Ausschreibung) dadurch den Tod erlitten hat, aber mal außerhalb von ihrer persönliches Blase betrachtet hat es energiesystematisch/-wirtschaftlich einen extremen Schub gebracht!
Und ja, sie werden argumentieren, dass durch das System die Zubauzahlen von 8 GW auf 1 GW eingebrochen sind. Dieser Schritt war aber zwingend notwendig, sonst wären die Kosten noch viel mehr aus dem Ruder gelaufen und DAS hätte die Energiewende und Akzeptanz noch mehr verschlechtert. Also einfach mal entspannen und nicht immer nur polemisch meckern!
Die Ausschreibungen begrenzen leider den Zubau sehr stark.
Bei 5 Cent/kWh steigt die EEG-Umlage selbst bei 15 GWp PV Zubau nur um 0,06 Cent/kWh an, also fast nix, dafür aber 15 TWh mehr EE-Strom.
Wenn die BNetzA wirklich 15 GWp im Jahr ausschreiben würde, wärs OK, aber bei den „poppeligen“ 500 MW ist das halt viel zu wenig.
Mit den 500 MW meine ich die einzelnen Ausschreibungen, im Jahr sinds ja deutlich mehr, aber halt immer noch viel zu wenig.
Stefan Baschel sagt:
Und ja, sie werden argumentieren, dass durch das System die Zubauzahlen von 8 GW auf 1 GW eingebrochen sind. Dieser Schritt war aber zwingend notwendig, sonst wären die Kosten noch viel mehr aus dem Ruder gelaufen und DAS hätte die Energiewende und Akzeptanz noch mehr verschlechtert. Also einfach mal entspannen und nicht immer nur polemisch meckern!
@ Stefan Baschel.
Wenn Sie schon die Kosten ansprechen, erklären Sie doch mal bitte, was Sie genau meinen mit den Kosten, die aus dem Ruder gelaufen sind.
Leider können und werden wir die aktuell Verantwortlichen, die die Zusage zum Pariser Abkommen gemacht haben, später leider nicht in Regress nehmen können. (im Ruhestand oder bereits verstorben)…das Prieser Abkommen war ja nur eine Absichtserklärung.
Auch bei der oben dargelegten Vorgehensweise der offensichtlich zu kleinen Ausschreibungsvolumina für Regionen in Bayern, sonstige Kluster oder auch für D insgesamt und deren absehbaren Nicht-Erreichen der notwendigen Klimaschutzziele, läßt sich die Frage formulieren:
Wer in aller Welt hat von den verantwortliche Tätigen eigentlich wiklich vor, die Energiewirtschaft CO2-neutral bis zu 2030 oder auch 2050 zu gestalten? Das wird auch Geld kosten!
Sind da Pläne bekannt mit Nennung der Energie-Mengen und dem notwendigem Finanzbedarf, um den Strombedarf zu sichern? Nur tolle politische Absichtserklärungen ohne die erforderlichen Aktionspläne.
Jeder Vorstandsvorsitzende würde in kürzester Zeit mit solch einem Business-Plan abblitzen.
Daddel-Verein!
Aber wir, wir folgen dem Geschehen sehr aufmerksam und auch recht unaufgeregt……..
Thomas sagt:
Leider können und werden wir die aktuell Verantwortlichen, die die Zusage zum Pariser Abkommen gemacht haben, später leider nicht in Regress nehmen können. (im Ruhestand oder bereits verstorben)…
@ Thomas.
Möglicherweise finden Sie den einen oder anderen in der folgenden Position wieder.
https://de.wikipedia.org/wiki/Externe_Mitarbeiter_in_deutschen_Bundesministerien