Wann können wir die ersten Perowskit-Module aus der Serienproduktion mit einer Gewährleistungsdauer von 20 Jahren und mehr erwarten?
Tom Aernouts: Innerhalb von zwei bis drei Jahren werden Perowskit-basierte Module als Perowskit-Silizium-Tandemzellen und als Dünnschicht-Perowskit-Zellen kommerziell verfügbar sein. Schon heute entwickeln einige zehn Hersteller weltweit Fertigungsprozesse und bauen Produktionskapazitäten auf. Dabei ist zum Beispiel GCL in China einer der Vorreiter. Es wird erwartet, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren weltweit eine Produktionskapazität von 0,4 bis 1,3 Gigawattpeak realisiert wird.
Schon um 2020 werden Module den IEC-Test bestehen (siehe Tabelle unten). Dabei ist allerdings die Frage, ob dieser Standard-Test, der ursprünglich für Siliziumzellen entwickelt wurde, auch eine zwanzigjährige Garantiezeit für Perowskit-basierte Zellen garantieren kann. Entscheidend dafür ist, dass die Degradationsmechanismen besser verstanden werden, so dass man neue Testverfahren entwickeln kann.
Sind Perowskit-Silizium-Tandemzellen oder Dünnschicht-Perowskit-Zellen am Ende besser geeignet?
Beide Optionen werden koexistieren und in unterschiedlichen Applikationen eingesetzt werden. Perowskit-Silizium-Tandemzellen werden die Option für große Stromerzeuger sein. Trotz ihrer im Vergleich zu Siliziumzellen höheren Effizienz werden sie zunächst den Nachteil höherer Kosten haben. Das liegt daran, dass die zusätzlichen Prozessschritte, mit denen Perowskite auf das Silizium aufgebracht werden, die Fertigung verteuern. Doch dieses Kostenproblem wird durch einen beträchtlich höheren Wirkungsgrad bald kompensiert werden. Und die Kosten werden sinken, sobald die Zellen in der Massenfertigung produziert werden.
Die reinen Dünnschicht-Perowskit-Module werden für integrierte Applikationen eingesetzt werden: etwa in gebäudeintegrierten Anwendungen (BIPV), in der Verkehrsinfrastruktur etwa auf Radwegen und an Autos. Der Vorteil der Dünnschicht-Lösung besteht darin, dass sie auf flexiblen Substraten aufgebracht werden kann, und außerdem leichtgewichtig und semi-transparent ist.
Welche Wirkungsgrade können wir bei den kristallinen-Silizium-Perowskit-Tandemzellen erwarten, zunächst im F&E-Bereich und später in der Serienfertigung?
Die Perowskit-Technologie ist gegenwärtig die am schnellsten fortschreitende Solartechnologie. Bei ihrer Entdeckung im Jahr 2009 lag der Wirkungsgrad bei 3,8 Prozent. Heute liegt er bei 25,2 Prozent. Bei Tandemzellen haben Forscher bereits eine Effizienz von 28 Prozent geschafft. Es besteht das Potenzial, dass sie auf 30 Prozent und sogar auf noch höhere Werte steigt.
Diese Resultate sind allerdings immer noch auf relativ kleine Flächen in der Größenordnung von einem Quadratzentimeter erreicht worden, wie sie in der Forschung verwendet werden. In der Serienfertigung wird bei Tandemzellen erwartet, dass sie im Vergleich zu heutigen Siliziumsolarzellen eine mindestens 1 bis 2 Prozent höhere Effizienz (in Absolutwerten) bezogen auf die volle Modulgröße haben. Dies erlaubt eine aussichtsreiche Markteinführung.
Unsere Industrie hat mit den mikromorphen Dünnschicht-Silizium-Tandemzellen schlechte Erfahrungen gemacht. Einer der Gründe war die Fehlanpassung der beiden Layer, abhängig vom Spektrum des Lichts. Durch beide muss der gleiche Strom fließen, da sie elektrisch in Serie geschaltet sind. Die Fehlanpassung reduziert den spezifischen Ertrag. Ist das ein schwerwiegendes Problem und wie kann man es lösen?
Auch in Perowskit-Silizium-Tandemzellen wird die Strom-Fehlanpassung ein Problem sein, wenn man sie im Außeneinsatz mit wechselnden Lichtintensitäten und Spektren betreibt. Doch ist die Effizienz beim Einsatz von Perowskiten als Top-Layer sehr viel höher als die Effizienz der mikromorphen Tandemzellen.
Die Strom-Fehlanpassung lässt sich aber auch vermeiden. Man kann statt eines so genannten 2-Terminal-Konzept ein 4-Terminal-Konzept nutzen. Nach diesem Konzept sind die Tandem-Subzellen gegeneinander elektrisch isoliert und parallel verschaltet. 4-Terminal-Zellen sind teurer wegen der zusätzlichen Elektroden und der Installationskosten. Trotzdem kann es auf einer jährlichen Basis betrachtet die kostengünstigere Option sein, 4-Terminal Perowskit-Silizium-Tandemzellen einzusetzen.
Die 2-Terminal- und 4-Terminal-Konzepte werden koexistieren: Für einen Stromerzeuger in einer Wüstenregion, wo der Lichteinfall nicht wesentlich variiert, wird 2-Terminal die kosteneffektivste Lösung sein, wohingegen in den meisten europäischen Ländern der Einsatz von 4-Terminal-Tandemzellen die bessere Wahl sein dürfte.
Eine der wesentlichen Herausforderungen bei den Perowskiten ist ihre Stabilität. Wie hat sich die Stabilität in den letzten drei Jahren verbessert?
Die Stabilität hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, und zwar soweit, dass die Zellen um 2020 in der Lage sein werden, den IEC-Test zu bestehen. Erstens wurden Verbesserungen beim Material selbst erreicht. Methyl-Ammonium, das sich als instabil erwiesen hat, wurde in den Perowskit-Zellen ersetzt. Zweitens wurden die Kontakt-Layer so angepasst, dass die Wechselwirkungen an den Schnittstellen reduziert werden. Die Halide Jod und Brom interagieren in Perowskiten leicht mit anderen Materialien und das sollte man eben vermeiden. Drittens schützt das richtige Packaging die Perowskit-Zellen gegen die Einwirkung von Feuchtigkeit und Sauerstoff und verbessert so deren Stabilität. Für das Glas-Glas-Packaging könnte man die Expertise aus der Silizium- und Dünnschicht-Photovoltaik-Fertigung nutzen. Für reine flexible Perowskit-Module wird die Entwicklung eines optimierten Packaging noch etwas länger auf sich warten lassen.
Die ersten Perowskit-Zellen verwendeten Blei als wichtige Komponente. Hat die Wissenschaft das Problem der Reduzierung des Bleigehaltes gelöst? Wie denken Sie über die Nachhaltigkeit der Perowskit-Solarzellen?
Die Perowskit-Technologie gilt als eine der umweltfreundlichsten Technologien, und zwar wegen ihrer Nutzung von breit verfügbaren synthetischen Komponenten (unter Vermeidung von Bergbau oder intensiven Reinigungsprozessen) in Kombination mit sehr geringem Materialverbrauch und niedrigen Prozesstemperaturen.
Die besten Wirkungsgrade werden immer noch mit bleibasierten Perowskit-Zellen erzielt. Alternativen werden erwogen, doch sie sind weit ungünstiger. Allerdings ist die eingesetzte Blei-Menge sehr gering: Die typische Dicke der bleihaltigen Absorber-Schicht ist etwa 0,3 Mikrometer. Das entspricht in etwa einem Gramm Blei-Jodid pro Quadratmeter Modulfläche. Das ist sehr wenig. Außerdem besteht in dem Fall, dass eingekapselte Module beschädigt werden, nur ein sehr geringes Risiko, dass Blei wirklich freigesetzt wird. Forscher arbeiten an Methoden, das zu verhindern. Zum Beispiel dadurch, dass Materialien integriert werden, die das Blei auffangen oder sich mit ihm Verbindungen bilden, die nicht wasserlöslich sind.
Wie weit ist die Entwicklung von Fertigungstools für großflächige Silizium-Perowskit-Module fortgeschritten?
Eigentlich müssen für Silizium-Perowskit-Module keine neuen Fertigungstools entwickelt werden. Es werden existierende industrielle Prozesse wie Sputtern und Schlitzdüsendruck eingesetzt. Es reichen kleinere Anpassungen der Tools und der Prozesse aus. Das ist kein begrenzender Faktor für die Einführung dieser neuen Technologie.
Was sind die Prognosen für die Produktionskosten von Silizium-Perowskit-Modulen?
Wegen des zusätzlichen Prozess- und Materialaufwands für Silizium-Perowskit-Module sind diese in der Tat kostspieliger als reine Silizium-Module. Allerdings ist der Vorteil durch den höheren Wirkungsgrad größer.
Außerdem können die Fertigungskosten von Perowskit-Modulen potenziell sehr niedrig werden. Die endgültigen Kosten hängen von den Materialien, dem Design der Schichten und der Wahl der Prozesse ab, und daneben auch von der anvisierten Applikation und dem daraus folgenden Produktionsvolumens. Wenn man alles dies berücksichtigt, ist anzunehmen, dass Perowskit-Module in den nächsten fünf bis zehn Jahren in einem Kostenrahmen von 20 Eurocent pro Wattpeak produziert werden können. Vielleicht können die Kosten sogar auf 10 oder sogar 4 Eurocent pro Wattpeak sinken, abhängig von der Lernkurve und den Effizienzwerten. Wir schließen daraus, dass die Silizium-Perowskit-Module definitiv mit denen der gegenwärtigen niedrigpreisigen kristallinen Silizium-Technologie konkurrieren können.
Doch mit Preisen von 20 Eurocent pro Wattpeak dürfte man in fünf Jahren nicht mit den dann vermutlich deutlich günstigeren kristallinen Silizium-Modulen konkurrieren können. Wenn man natürlich die Schwelle von 4 Cent erreicht, ist das eine andere Sache. Brauchen Sie eine Förderung, um 4 Cent zu erreichen?
Für diese Kostenziele werden keine Fördermittel in Betracht gezogen. Auch sollte man die richtigen Vergleiche anstellen: Der Entwicklungsverlauf hin zu 20 Cent und weiter zu 4 Cent gilt für Perowskit-Module, aber nicht für Tandem-Ausführungen. 20 Cent könnten anfangs nicht mit kristallinen Silizium-Modulen wettbewerbsfähig sein. Doch auf jeden Fall ist es dann die billigste Dünnschicht-Photovoltaiktechnologie, die bereits heute einen gewissen Marktanteil hat. Auch vergleichen Sie die Kosten mit kristallinen Silizium-Modulen der niedrigsten Preiskategorie, wie sie typischerweise in großen Solarkraftwerken eingesetzt werden. Die Kostenstruktur für integrierte Applikationen wie zum Beispiel für gebäudeintegrierte Photovoltaik erlaubt typischerweise fünfmal so hohe Kosten als bei Solarkraftwerken.
Woran arbeitet Imec in diesem Bereich?
IMO-IMOMEC entwickelt neue Perowskit-Materialien. Das ist ein Imec-Labor an der Universität in Hasselt. Außerdem arbeitet Imec am Standort EnergyVille an der Skalierung der Perowskit-Technologie in Richtung industriell einsetzbarer Module mit einer Fläche von 30 mal 30 Zentimetern. Und wir arbeiten mit Solliance zusammen an einem Netzwerk mit den Tool-Lieferanten, Photovoltaik-Anbietern und den Endverbrauchern.
Die Module lassen sich in ihrer Transparenz und im Absorptionsspektrum übrigens so einstellen, dass sie auch für 4-Terminal-Tandems mit kristallinem Silizium oder sogar mit anderen Photovoltaik-Technologien verwendbar sind. Im Fall der 2-Terminal-Konfigurationen muss man stark auf die passenden Prozessbedingungen achten, um die Perowskit-Schichten mit guter Qualität auf der der Siliziumzelle zu deponieren. Die Textur ist eine Herausforderung.
Wie schätzen Sie die Chancen der europäischen Forschung und Fertigung bei diesen neuen Technologien ein?
Wie in einem White-Paper der europäischen Perowskit-Initiative EPKI dargelegt glauben wir, dass Europa mit der Technologie die Kontrolle des Photovoltaikmarkts zurückgewinnen kann. Speziell für integrierte Applikationen (BIPV, etc.) wird es essentiell sein, die Produktion in der Nähe zum Markt zu haben. Auch deswegen, weil in den einzelnen Ländern ganz unterschiedliche Regulierungen und Marktstrukturen vorliegen.
Europa ist ein Vorreiter in der Perowskit-Forschung und -Entwicklung. Es ist wichtig, dieses Momentum zu nutzen, um hier eine starke Industrie aufzubauen. Natürlich hat Asien die Spitzenposition bei der Entwicklung der Low-Cost Siliziumtechnologie. Also ist es gut vorstellbar, dass Europa Silizium-Perowskit-Zellen und -Module entwickelt, die auf Zellen basieren, die aus Asien importiert werden.
Ich habe nie ganz verstanden, warum es bei den integrierten Lösungen einfacher sein sollte, im Wettbewerb mit den großen asiatischen Herstellern und ihren signifikanten Skalenvorteilen zu bestehen. Sie sagten auch, dass GCL ein Vorreiter ist. Genauso sind es die asiatischen Firmen, die in F&E investieren. Warum sollten sich die Anwender von integrierten Lösungen im Endeffekt für teurere Module aus Europa entscheiden? Und ist der Skaleneffekt genügend groß, um eine Produktion mit Fokus auf integrierte Lösungen zu etablieren?
Die asiatischen Hersteller haben einen Skalenvorteil bei standardisierten Panels, sowohl bei der kristallinen Silizium-Photovoltaik als potenziell auch bei der Dünnschicht-Photovoltaik. Doch sobald die Kundenspezifizierung ins Spiel kommt – wegen lokaler Regulierungen oder Anwendungsbedingungen – ändert sich die Kostenstruktur substanziell. Ein Solarfenster oder -Fassadenelement hat eine zusätzliche Funktionalität neben seiner allgemeinen Funktion als Teil des Baukörpers, nämlich die der Stromerzeugung. Entscheidend wird sein, was der Anwender für diese zusätzliche Funktionalität zu zahlen bereit ist. Möglicherweise spielen hier auch lokale Gesetzgebungen und Bauvorschriften eine Rolle. Wir entwickeln eine Technologie, die mit einem in den Fertigungsprozess integrierten Schritt eine viel raschere Kundenspezifizierung erlaubt, statt mit Standardzellen oder -modulen zu beginnen und diese auf die passenden Formate zuzuschneiden.
Tom Aernouts hat die Fragen schriftlich beantwortet
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„Die asiatischen Hersteller haben einen Skalenvorteil bei standardisierten Panels, sowohl bei der kristallinen Silizium-Photovoltaik als potenziell auch bei der Dünnschicht-Photovoltaik. Doch sobald die Kundenspezifizierung ins Spiel kommt – wegen lokaler Regulierungen oder Anwendungsbedingungen – ändert sich die Kostenstruktur substanziell.“
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