Gestern hat die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen ihren Green Deal mit großen vollmundigen Worten vorgestellt. Wie immer lassen sich viele Menschen von solchen Worten blenden und glauben, dass dies nun für Klimaschutz und Umwelt genug sei.
Doch man muss die 10 Punkte des Green Deals an den Notwendigkeiten der Ziele messen, die wirklich erforderlich sind, um die Erde vor der Heißzeit zu retten und auch daran, ob alle wichtigen zentralen Maßnahmen ergriffen werden, diese Ziele auch zu erreichen.
Der gestern vorgelegte Plan wird beidem nicht gerecht. Sowohl die Ziele reichen nicht aus, als auch bleiben viele stützende Maßnahmen der fossil-atomaren Wirtschaftsweise, insbesondere deren hohen Subventionen, bestehen.
Zu den Zielen:
Die EU soll nach dem Green Deal bis 2050 klimaneutral werden. Das bedeutet, dass die EU bis 2050 sogar bilanziell noch immense neue Treibhausgasmengen emittieren wird, in eine irdische Atmosphäre, die heute schon mit einem Anteil von 408 ppm CO2 um 147 Prozent und bei Methan mit über 1.869 ppm sogar 259 Prozent über dem vorindustriellen Niveau liegt. Jede neue Emission in die Atmosphäre ist unverantwortlich, weil damit die Treibhausgaskonzentration weiter steigen und damit die jährliche Antriebskraft der Erderwärmung erhöht wird.
Aber selbst klimaneutral heißt immer noch nicht Nullemissionen, weil ja viele weitere Emissionen nach 2050 noch zugelassen werden sollen, die dann durch beispielsweise Aufforstungen oder gar mit Emissionszertifikaten aus anderen Kontinenten neutral gestellt werden sollen. Erdöl, Erdgas und Kohle, und vor allem Nuklearenergie werden demnach voraussichtlich auch noch nach 2050 Teil des Energiesystems sein. Besonders deutlich wird dies auch dadurch, dass eine Anhebung der unzulänglichen EU-Ziele für erneuerbare Energien im Green Deal nicht explizit vorgesehen ist und von 100 Prozent erneuerbaren ist ebenfalls keine Rede.
Das Ganze, obwohl erneuerbare Energien heute die günstigste Art der Stromerzeugung sind und damit das Festhalten an fossiler bzw. atomarer Energie eine ökonomische Belastung darstellt. Schon über 60 Nationen und tausende Städte haben das Ziel von 100 Prozent erneuerbaren Energien ausgerufen, die EU folgt dem nicht. Von einem ambitionierten Klimaschutzziel ist der Green Deal also weit entfernt.
Noch deutlicher wird dies dadurch, dass im Green Deal keinerlei Vorgaben zur Reduktion fossiler und atomarer Subventionen gemacht sind. Zwar soll ab 2020 zusätzlich 100 Milliarden Euro aus Steuergeldern und Eigenmitteln der Europäischen Investitionsbank in eine gerechte und nachhaltige und grüne Entwicklung der Mitgliedsstaaten fließen. Deutschland alleine gibt heute jährlich 48 Milliarden für fossile Subventionen aus. Damit ist die finanzielle Unterstützung für die fossile Wirtschaft aus Steuergeldern alleine in Deutschland um ein Vielfaches höher als die gesamten bisher fest eingeplanten EU-weiten öffentlichen Umbaumittel für den Green Deal. Die Kommission hält in selbigem fest, dass jährlich eine Summe von 260 Milliarden Euro notwendig sein wird, um die derzeitigen Klima- und Energieziele 2030 zu erreichen. Darüber hinaus will sie Anfang des kommenden Jahres einen Nachhaltigen Investitionsplan vorlegen, der bis 2030 mindestens 1 Billionen Euro an privaten und öffentlichen Geldern freisetzen soll. Diese Pläne sind aber weder genauer spezifiziert noch ist die Höhe der öffentlichen Investitionssumme festgelegt. Daher ist nicht zwangsläufig von einer notwendigen Erhöhung der Finanzmittel für eine grüne und CO2-neutrale Umstellung der Wirtschaft auszugehen. Die angeführte Summe von 1 Billionen Euro bleibt somit vorerst nicht mehr als ein Luftschloss, dessen Realisierung mit Recht bezweifelt werden darf.
Schon bei diesen wenigen aber grundsätzlichen Betrachtungen wird klar, dass der von Kommissionspräsidentin von der Leyen vorgestellte Green Deal keineswegs ambitioniert ist. Das Nichtantasten der hohen schädlichen fossilen und atomaren Subventionen, das fehlende Ziel zu 100 Prozent erneuerbare Energien und das Fortführen der Gifte in der Landwirtschaft auf einem nur etwas verringerten Niveau statt einer flächendeckenden Biolandwirtschaft sind entscheidende Kernpunkte, die den Green Deal als vollkommen unzulänglich entlarven.
— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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Ich hätte mir unter Klimaneutralität vorgestellt, dass wenigstens die Stromversorgung zu 100% aus Erneuerbaren gewährleistet wird. Gut, dass der Artikel hier für Aufklärung sorgt.
Ich denke nicht, dass jedes Land sich einfach anrechnen kann, dass im jeweiligen Ausland Aufforstung finanziert wird. Ich denke, das ist kein Konzept, dass längerfristig global funktionieren kann, allein schon wegen eine nem Mangel an Flächen, die nach Aufforstung dauerhaft ungenutzt bleiben müssen. Man muss aufpassen genug technologische Weiterentwicklung zu leisten und weniger Innovationen im Verrechnungswesen und Juristerei.
Solange Subventionen für fossile Energien gezahlt werden sind wir von klimaneutralität und Green New Deal weit entfernt. Green New Deal braucht einen System Wechsel.
„Das Winzler Viertel von Pirmasens“
„Details
Dagmar (57) kämpft ums Überleben: Jeden Morgen wird ihr der Strom abgestellt, wenn sie nicht tagtäglich acht Euro aufbringt, um ihre Altschulden zu tilgen. Für die Hartz-IV-Empfängerin ist das finanziell kaum zu bewältigen, immer häufiger ist sie auf Hilfe von Freunden angewiesen, um dieses Grundbedürfnis zu decken. So muss Dagmar neue Schulden machen, um alte Schulden zu begleichen. Gute Nachrichten für Patricia: Das Sozialgericht hat der Langzeitarbeitslosen einen Hartz-IV-Satz in Höhe von 416 Euro genehmigt. Nach drei Monaten in ärmsten Verhältnissen ist dies der erste Lichtblick für die 42-Jährige. Doch der Kampf ist noch nicht vorbei – für die Wohnung will das Amt nicht aufkommen und Ehemann Patrick muss die Miete selbst tragen. Zuviel für den 31-Jährigen LKW-Fahrer. Er zieht einen Schlussstrich und setzt Patricia vor die Tür. Angela und Florian möchten sich das Ja-Wort geben. Doch eine Hochzeit kostet viel Geld. Schnell wird dem Paar klar, dass ihre Vorstellungen vom Traum in Weiß mit ihren knappen finanziellen Mitteln nicht in Einklang zu bringen sind. Werden sie es schaffen, dass ihre Hochzeit trotz des schmalen Budgets unvergesslich bleiben wird?
Hinweis
Die „Schuhstadt“ Pirmasens kämpft mit strukturellen Problemen: Die Arbeitslosenquote liegt bei 11 %, fast jedes dritte Kind lebt von Hartz IV. Die Kamerateams von „Hartz und herzlich“ haben vom Sommer bis zum Winter 2018 Bewohner des Winzler Viertels begleitet und zeigen nun Schicksale aus der einst kaufkräftigen Stadt in der Westpfalz.“
„Schon bei diesen wenigen aber grundsätzlichen Betrachtungen wird klar, dass der von Kommissionspräsidentin von der Leyen vorgestellte Green Deal keineswegs ambitioniert ist. Das Nichtantasten der hohen schädlichen fossilen und atomaren Subventionen, das fehlende Ziel zu 100 Prozent erneuerbare Energien und das Fortführen der Gifte in der Landwirtschaft auf einem nur etwas verringerten Niveau statt einer flächendeckenden Biolandwirtschaft sind entscheidende Kernpunkte, die den Green Deal als vollkommen unzulänglich entlarven.“