Auch in Indien ist Kohle auf dem absteigenden Ast

Hans-Josef Fell

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In Indien geraten die Betreiber von Kohlekraftwerken zunehmend unter Druck. Wie eine neue Studie von KPMG India feststellt, könnte ein Großteil der fossilen Kraftwerke ab 2022 eher eine Rolle ähnlich eines Energiespeichers erhalten. Sie könnten dann mögliche Stromreserven bereitstellen, um die Netzvariabilität bei Bedarf auszugleichen. Denn etwa ab diesem Zeitpunkt könnte die Anlagenauslastung von vielen Kohlekraftwerken auf 35 bis 40 Prozent fallen. Kohlekraftwerke wären also nicht mehr die „Bollwerke der [Energie-]Versorgung“, sondern würden zunehmend an- und abgeschaltet, je nach Energiebedarf. Damit dies geschieht müssten bis zum Jahr 2022 in Indien insgesamt 120 Gigawatt an erneuerbaren Energien installiert werden. Und dies ist ein mehr als wahrscheinliches Szenario.

„Die Nachricht vom aufkommenden Szenario eines Anlagenauslastungsfaktors von 40 Prozent in konventionellen Kohlekraftwerken ist in der Tat [für indische Verhältnisse] eine positive Disruption und ein Indikator für eine schnelle Energiewende“, sagt auch Pranav R. Mehta, der Vorsitzende des Global Solar Council und Präsident des indischen Solarverbandes National Solar Energy Federation of India.

Dass Indien die Energiewende ernst nimmt, ist keine Neuigkeit, das Land wird bis 2022 nicht wie oben angeführt 120 Gigawatt, sondern voraussichtlich sogar etwa 144 Gigawatt erreichen und plant bis zu 500 Gigawatt bis 2030.

Der momentane Anteil der Erneuerbaren Energien im Strommix beträgt ca. 22 Prozent und soll bis 2030 auf 40 Prozent steigen. Da sich der Energiebedarf des Landes in den kommenden Jahren erheblich erhöhen wird, schlägt sich eine vier- bis fünffache Erhöhung der erneuerbaren Leistung nur in einer Verdopplung des Anteiles am Strommix nieder.

Leider plant Indien deshalb derzeit weitere Kohle- und Atomkraftwerke zu bauen, um den restlichen Zuwachs des Energiebedarfs zur decken. Die stetig sinkenden Preise für solar PV und die sinkende Nachfrage gekoppelt mit momentanen Versorgungsengpässen für Kohle könnten jedoch dafür sorgen, dass sich die indische Umstellung auf Erneuerbare Energien um einiges schneller vollzieht als von der Regierung vorgesehen. Zudem wird die geringere Auslastung der Kohlekraftwerke diese ökonomisch erheblich unter Druck setzen.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird sich in Indien in den nächsten Jahren noch erheblich steigern und wohl die anpeilten Ziele deutlich übertreffen. Dann werden die heute in Indien noch geplanten Kohle- und Atomkraftwerke sicher zu Finanzruinen werden.

Um diesen absehbaren volkswirtschaftlichen Schaden zu vermeiden, benötigt Indien jetzt gute Beratung und gute Projekte, die eine volle Versorgungssicherheit mit 100 Prozent erneuerbare Energien plus Speichern zu wettbewerbsfähigen Preisen ermöglichen. Wenn das gelingt, wird Indien bald eine Strategie für 100 Prozent erneuerbare Energien akzeptieren, um den Kampf gegen Klimawandel und Luftverschmutzung zu gewinnen. Beides hat inzwischen in Indien schon katastrophale Verhältnisse geschaffen, weshalb die politische Bereitschaft für erneuerbare Energien in Verbindung mit E-Mobilität sehr hoch ist.

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com

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