Seit wann machen Sie Windkanalversuche und Ballastierungsberechnungen für Photovoltaikanlagen und wie viele haben Sie schon gemacht?
Hans Ruscheweyh (Ruscheweyh Consult): Ich arbeite bereits seit 14 Jahren auf dem Gebiet der Windlasten an Solaranlagen. Ich habe inzwischen etwa 650 Projekte bearbeitet, wobei 103 Windkanalversuche an unterschiedlichen Anlagentypen durchgeführt worden sind.
Randbereiche sind bei ballastierten Flachdachanlagen besonders kritisch. Welche Probleme sehen Sie in der Praxis?
Hans Ruscheweyh: Werden Photovoltaik-Elemente vom Dachrand zum Dachinnern verschoben, verringert sich die Windlast nicht, sondern steigt sogar etwas an. Der Grund liegt im Strömungsverhalten nach der Strömungsablösung an der Dachkante: die Strömung legt wieder an die Dachfläche an und belastet das zurück verlagerte Modul in stärkerem Maße.
pv magazine Webinar
Im pv magazine Webinar „Sichere und korrekte Ballastierung von Solar-Flachdachsystemen“ am 18. September erläutern Hans Ruscheweyh und Cedrik Zapfe, was man bei Flachdachanlagen falsch machen kann und worauf man achten sollte. Ruscheweyh wird auch erläutern, nach welchen Methoden er die Ballastierungsmodelle erstellt, ob es Unterschiede in der Herangehensweise verschiedener Aerodynamiker gibt und wie diese zu bewerten sind.
Gibt es Normen, die dazu etwas aussagen? Wie kann es dazu kommen, dass Aerodynamiker diesen Punkt unterschiedlich handhaben?
Hans Ruscheweyh: Es gibt Versuche, die Absicherung gegen Windlasten an Photovoltaikanlagen zu normieren. Das gelingt aber nicht in befriedigender Weise. Der Grund liegt in den zahlreichen Einflussparametern, die sich auch noch durch die rasante Entwicklung der Photovoltaik-Systeme ständig ändern. Bei diesen Normungsversuchen ist man irrtümlich von der Windlastverteilung an einem Flachdach ausgegangen und man hat übersehen, dass sich die Windlasten an den Photovoltaikelementen anders verhalten. Leider ist es so, dass Normen – auch wenn es nur Entwürfe sind – häufig kritiklos abgeschrieben werden.
Aerodynamik ist kompliziert und nicht umsonst gibt es Spezialisten, die die Berechnungen machen. Wie kann man als Planer sicher gehen, dass die Berechnungen richtig sind? Gibt es einige Tipps, worauf man als Mindestanforderung achten kann?
Hans Ruscheweyh: Wenn bei ballastierten Systemen sehr geringe Ballastgewichte angegeben werden, sollte man hinterfragen, welche aerodynamischen Druckbeiwerte verwendet werden und aus welcher Quelle diese stammen. Bestehen weiterhin Zweifel, sollte ein Fachmann eingeschaltet werden.
Um die Schäden durch die thermische Ausdehnung der Unterkonstruktion zu vermeiden (Raupeneffekt), muss die Länge von Montageschienen begrenzt werden. Das beeinflusst allerdings den Ballast, der für die Beschwerung nötig ist. Wie lang sollten durchgehende Metallschienen maximal sein und wie berücksichtigen Sie das bei der Ballastierung?
Cedrik Zapfe (Dr. Zapfe Ingenieurbüro & CTO Schletter): Die Länge einer zusammenhängenden Montageeinheit sollte längs und quer auf etwa sechs Meter begrenzt werden. Der Report zu den Windkanalversuchen berücksichtigt verschiedene zusammenhängende Moduleinheiten. In der Auslegung des Ballastierungsplans wird die Größe der einzelnen Montageeinheit berücksichtigt.
Kann man, wenn man eine Lagesicherung durch eine Anbindung macht, längere Metallschienen verwenden?
Cedrik Zapfe: Im Hinblick auf temperaturbedingtes Verschieben schon, da dieser Effekt ja ausgeschlossen wird. Bei längeren Einheiten treten dann aber größere Zwängungskräfte in der Kontaktfuge der Bautenschutzmatten auf. Bei längeren Einheiten wächst das Risiko des Verrutschens der Bautenschutzmatten. Unter diesem Gesichtspunkt würde ich von längeren Metallschienen abraten.
Wann sollte man eine Anlage durch eine Anbindung sichern und wie dimensioniert man sie richtig? Unterstützt Schletter bei der Dimensionierung?
Cedrik Zapfe: Bis zu einer Dachneigung von drei Grad funktioniert erfahrungsgemäß die Ballastierung als alleinige Lagesicherung. Bei größeren Dachneigungen nimmt die Hangabtriebskraft deutlich zu. Da ist eine Anbindung auf jeden Fall erforderlich. Wenn es sich um ein Satteldach mit Belegung beider Dachhälften handelt, kann diese auch durch die Verbindung der Teilgeneratoren über den First erfolgen sofern diese annähernd die gleiche Größe haben. Damit kann eine Durchdringung der Dachhaut vermieden werden. Die technischen Berater der Firma Schletter unterstützen mit Lösungsvorschlägen. Die Dimensionierung übernehmen die Fachberater nicht, da hier umfassende Kenntnisse zum Dachaufbau erforderlich sind. Für den Nachweis der Anbindung wird dann ein Statiker benötigt.
Wie sollten unzureichende Lagefixierungen an Bestandsanlagen sinnvoll nachgerüstet oder ertüchtigt werden?
Cedrik Zapfe: Dafür gibt es kein einheitliches Patentrezept, da im Regelfall die individuellen Eigenschaften des Gebäudes ausschlaggebend sind. Als Beispiel kann hier eine Lichtkuppel am First angeführt werden. In derartigen Fällen sollte ein Statiker eingeschaltet werden.
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Interessant zu wissen, dass die Windlast sogar ansteigt, wenn Photovoltaik-Elemente vom Dachrand zum Dachinnern verschoben werden. Mein Onkel möchte sich auch eine Photovoltaikanlage auf der Lichtkuppel in seinem Haus auf dem Lande installieren lassen. Er hofft, dass die dadurch gesteigerte Energieeffizienz den Nachteil der gesteigerten Windlast übersteigen würde.
Wir haben bei uns im Firmengebäude auch eine Lichtkuppel. Die Option mit der Lichtkuppel am Fürst finde ich deshalb ganz gut. Ich wusste aber nicht, dass dann ein Statiker benötigt wird.