Die Energiewende ist ins Stocken geraten. Warum betrug der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch in Deutschland im Jahr 2018 erst 37,8 Prozent? Wie lässt sich das von der Regierung gesetzte Ziel von 65 Prozent bis 2030 erreichen? Warum beruhen noch immer 86 Prozent der Wärmeerzeugung und 94 Prozent der Mobilität auf fossilen, klimaschädlichen Ressourcen? Und was muss für das Ziel von sektorübergreifend 100 Prozent Erneuerbare getan werden? Diesen und anderen Fragen hat sich die Reiner Lemoine Stiftung in der „Übersichtsstudie zur EnergieSystemWende – Systemische Hemmnisse der Energiewende und Lösungsansätze“ gewidmet. Ergebnis: Für den Übergang vom konventionellen zum erneuerbaren Energiesystem sind neue Denkweisen und neue regulatorische Leitplanken nötig; die Energiewende muss zu einer Energiesystemwende werden.
„Ohne eine fundamentale Wende des Energiesystems wird die Energiewende scheitern“, sagt Annegret Jatzkewitz, Vorstandsvorsitzende der Reiner Lemoine Stiftung. Dazu gehöre es, überkommene Denkweisen zu überwinden und neue Rahmenbedingungen für die klimapolitisch nötigen, technisch möglichen und gesellschaftlich gewollten Veränderungen zu schaffen. Als Beispiele nennt die Studie unter anderem die neuen Anforderungen, die mit einer dezentralen, erneuerbaren und sektorgekoppelten Energiewelt einhergehen. Viele neue Anwendungen, etwa Speicher, flexible Tarife, die regionale Engpassbewirtschaftung, Bürgerenergie oder Mieterstrommodelle, stecken demnach in strukturellen Sackgassen fest und gelten regulatorisch bisher meist eher als Ausnahmetatbestände. Flexibilität, Sektorenkopplung oder gesellschaftliche Teilhabe müssen laut Studie jedoch zu zentralen Aspekten des Energiesystems werden. „Bislang wurde versucht, die Erneuerbaren Energien in das Konventionelle Energiesystem zu integrieren“, sagt RLI-Geschäftsführerin Kathrin Goldammer. Statt dessen müsse eine Transformation des gesamten Energiesystems passend für die erneuerbaren Energien stattfinden.
Ziel der Studie ist es den Autoren zufolge, den politischen Entscheidungsträgern einen Überblick über die Möglichkeiten auf dem Weg zu einem erneuerbaren Energiesystem zu geben. Grundlage der Studie seien Literaturrecherchen und die Auswertung bisheriger Untersuchungen zur Transformation des deutschen Energiesystems. Dabei würden vier Dimensionen – Umwelt, Technik, Wirtschaft und Gesellschaft – betrachtet.
„Die Möglichkeiten, die Energiesystemwende voranzubringen, sind vielfältig“, heißt es in der Studie. „Punktuelle Anpassungen im Rahmen des konventionellen Systems werden jedoch nur unzureichend und immer weniger den Anforderungen des erneuerbaren Energiesystems gerecht. Der Ausgangspunkt für weitere Reformen kann nur ein neues Denken sein, das in den Vordergrund stellt, wo wir hinwollen, nicht aber wo wir herkommen.“ Dafür müssten die aktuellen Regularien überdacht und die Rahmenbedingungen für das erneuerbare Energiesystem geschaffen werden. Als Beispiele nennen die Autoren die Einführung einer wirksamen CO2-Bepreisung, die Anpassung des Marktdesigns an die veränderten Strukturen und die Weiterentwicklung der Regularien angesichts neuer Technologien. Zudem müsse der Marktzugang neuer Akteure und Geschäftsmodelle und damit die Einbeziehung der Gesellschaft gewährleistet werden. Die Autoren abschließend: „Das Energiesystem muss ganzheitlich neu gedacht und aus den alten Strukturen gelöst werden. Aus der Energiewende muss eine Energiesystemwende werden.“

Tabelle: Reiner Lemoine Stiftung
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Eine Energiesystemwende haben wir in der Praxis verschiedentlich schon, nur merkts keiner, weil die Gesetze nicht mehr da zu passen.
Siehe hier:
Zitat: Diese zwei Artikel beantworteten sehr gut unsere Frage, wer eigentlich an der Strombörse einkauft. Denn es wurde immer nur von Versorgungsunternehmen, Stromhändlern, industriellen Großkunden und Banken gesprochen. Nun wissen wir dazu gehören auch die Stadtwerke und Unternehmen, wie E.ON, RWE usw. Es gibt also keinen Zwischenhändler mehr. Der Grund dafür, dass Unternehmen wie RWE auch an der Börse einkaufen, obwohl sie selbst rund 30 Kraftwerke besitzen und somit eigentlich genug Strom produzieren, ist einfach. Es gibt Tage, da ist der Strompreis an der Börse so günstig, dass eine Eigenproduktion viel teurer wäre. Daher werden dann die Kraftwerke gedrosselt und lieber günstig eingekauft. Zitat Ende.
Immer dann, wenn Sonne und Wind keine Rechnung schicken, werden relativ teure Langzeitverträge am Terminmarkt, durch billiges Zukaufen am Spotmarkt bedient. Der „Zappelstrom“ wird so mit Grundlast fähig. Ertragsoptimierung nennt man das in verschiedenen Studien. Logistik ist der Schlüssel für die Energiewende.
Leider passen, wie oben erwähnt, die Gesetze nicht mehr da zu . Denn keiner kontrolliert ob der Anteil „Zappelstrom“ auch tatsächlich konventionell gedrosselt wird, oder nicht lukrativ, unter dem Deckmantel überschüssiger EEG Strom, ins Ausland verscherbelt wird.
Für Letzteres liegt die Vermutung nahe, siehe hier
https://www.iwr.de/news.php?id=26696
Zu mal ab 2010 EEG Strom am Spotmarkt nur noch „Kaufmännisch“ gehandelt wird.
Ein Schelm der sich da einen Reim drauf macht.
Das war mit Gesetz von vor 2010 mal anders. Da wurden die EE den Versorgern zwingend zugeteilt, und waren somit – physikalisch nachgewiesen – sicher beim Kunden.
Wenn damals Überschuss entstand weil konventionell nicht angepasst wurde, war die Ursache eindeutig, und die Kosten lagen beim Verursacher.
Da machen die sich soviel Mühe, und dann steht bei Sektorkopplung nur E-Mobilität und Power-to-X. Und die Wärme??? Power-to-X ist die Voraussetzung, aber dann muss dieses X natürlich auch in Wärmekraftkopplung eingesetzt werden, und das geht am effektivsten in Nah- und Fernwärmenetzen. Dann ist die Sektorkopplung keine Einbahnstraße mehr vom Strom in die anderen Sektoren, sondern sie geht auch von der Wärme zum Strom. Das macht die Sache natürlich komplexer, aber eben auch effektiver. Wenn man dagegen aus Strom winterliche Heizwärme machen will, dann muss man seinen erneuerbaren Strom vorrangig mit Windenergie erzeugen, denn nur die liefert genug im Winter. Die Windenergie hat aber erhebliche Akzeptanzprobleme, die bei noch größerem Bedarf nicht besser werden.
Ob diese Peer-to-peer-Verträge und virtuelle Kraftwerke nötig sind, wage ich zu bezweifeln. Im besten Falle bringen sie keine größeren Nachteile, außer des administrativen Aufwands, im schlechteren führen sie zu Rosinenpickerei der „guten Risiken“, und die schlechten leiden dann unter hohen Strompreisen. Solche Rosinenpickerei gibt es heute schon im Industriebereich mit Eigenkraftwerken, aber im Interesse der Gemeinschaft der Stromverbraucher wäre eigentlich deren Begrenzung, nicht noch eine Ausweitung.
Immer wieder höre ich, daß die Klimaziele erreicht werden müssen. Welches Klimaziele hat denn Deutschland? Nein ich meine nicht den Anteil von Erneuerbaren, ich meine Klima, sprich Verringerung der Erderwärmung. Welche Werte möchte sich denn Deutschland auf die Fahnen schreiben. Wieviel darf denn ein Hundertstel Grad weniger kosten? 100 Millarden, 200, 300??
Nicht daß uns ein global Player dabei folgen würde. Indien, China, USA? Fehlanzeige! Wann wird uns denn mal erklärt, was wir für unsere Milliarden erhalten, für all den Verzicht, der uns auferlegt wird?
Was kosten die Deicherhöhungen für Hamburg, Bremen, Kiel u.a.? Was sind die Immobilien dort wert? Was kostet das Abbaggern von Dörfern, die Bergschäden über Kohlegruben, die Endlagerung von Kernkraftabfällen? Entweder bisher nicht eingepreist, oder es fällt weg, wenn wir umsteigen.
Indien, China und die USA folgen, zwar langsamer, aber sie folgen. Bei Indien und China geht es zunächst um erneuerbare Energieträger für den wachsenden Energieverbrauch, ebenso in den vielen kleinen Entwicklungsländern.
Es wirkt aus heutiger Sicht utopisch, aber vor 10 Jahren meinten unsere hochbezahlten Industriebosse noch, ein Anteil von 40% Erneuerbar aus Sonne und Wind sei beim Strom utopisch, heute haben wir ihn. Es wird sich von Jahr zu Jahr beschleunigen, und dabei gar nicht wesentlich teurer werden, vielleicht sogar günstiger. Nur der Fossil-Verbrauch sollte teurer werden – das Knattern der Motoren und eine stinkende Ölheizung muss man sich dann leisten wollen.
Was wir für unsere Milliarden erhalten wird so weit wie möglich geheim gehalten.
Die Energiewende ist in der öffentlichen Wahrnehmung eine reine Kostenbetrachtung.
Kosten/Nutzen ist da ein Tabuthema.
Das würde ja nicht in die Strategie der Kritiker passen.
@Herr Hauptreif,
wissen sie wirklich was in den genannten Ländern passiert? Ich glaube nicht.
China wird gerade zum Vorreiter der Elektromobilität, gerade auch im öffentlichen Verkehr. China hat auch eine sehr klare Strategie zum Ausbau der Erneuerbaren Energien. Da sind wir mit unserem Deckel weit hinten dran und gehen definitiv nicht voran. In den USA sollten sich auch mal auf die Bundesstaaten schauen. Da gibt es welche, die gehen ebenfalls voran und bauen erneuerbare aus.
Außerdem, wo sehen sie Verzicht! Sehr pauschal und polemisch gesprochen!
Manfred Haupt sagt.
Nicht daß uns ein global Player dabei folgen würde.
@ Manfred Haupt.
Folgen können die ja auch gar nicht, weil sie uns schon um Einiges voraus sind..
.Hier einige Beispiele.
https://www.heise.de/thema/Elektroauto
Oder hier.
https://www.welt.de/wirtschaft/article189350193/Northvolt-Schwedisches-Start-up-plant-Batteriefabriken-in-Europa.html
https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.studie-zur-elektromobilitaet-zahl-der-e-autos-steigt-weltweit-immens.c29da866-a237-4ea1-88c5-809508bc1955.html
Zitat: In China und den USA sind immer mehr Elektrofahrzeuge unterwegs. In Deutschland hingegen stockt der Verkauf von E-Autos. Weltweit erfolgreichstes Modell ist der Tesla Model 3.
https://www.energiezukunft.eu/erneuerbare-energien/solar/solarstrom-renaissance-in-italien/
https://www.pv-magazine.de/2019/08/02/photovoltaik-rekordeinspeisung-in-frankreich-im-juni/