Vorreiter gesucht

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Sie waren Technikvorstand von Sunways, bevor das Unternehmen von LDK Solar übernommen wurde. Was sind ihre Erfahrungen aus der Zeit vor und nach der Übernahme, wie chinesisches und deutsches Management zusammenarbeiten?
Burkhardt: Grundsätzlich ist die Herangehensweise an Problemstellungen unterschiedlich.
Inwiefern?
Burkhardt: Die unterschiedliche Mentalität kann man sehr schön an der unterschiedlichen Fahrweise darstellen. Wenn ein deutscher Autofahrer auf einen Stau zufährt, dann versucht er, so früh wie möglich den Stau zu umfahren, sodass er gar nicht in den Stau kommt. Ein chinesischer Autofahrer fährt in dem Bild, obwohl er den Stau sieht, einfach bis an den Stau heran und überlegt erst kurz bevor er im Stau steht, wie er an der Stelle weiterkommt. Das hört sich nach einem Klischee an, zeichnet für mich aber ein Bild, wie sich grundsätzlich die Herangehensweise an die Problemstellungen unterscheidet und wie ich es auch in der Unternehmensführung erlebt habe. Deutsch geprägte Manager wollen eher Langfristigkeit und Planbarkeit, chinesische leben eher die Spontaneität.

Wann ist denn das eine von Vorteil und wann das andere?
Burkhardt: Die langfristige Planung macht einen natürlich auch etwas träge. In deutschen Unternehmen werden vorher oft alle Möglichkeiten ausdiskutiert. In weiser Voraussicht diskutiert man mal. Die Chinesen rennen halt einfach los – allerdings auch nicht planlos. Aber eben mutiger. Wenn sie dann am Problem ankommen, ist es vielleicht wirklich ein Problem. Aber es kann auch sein, dass sich das Problem wieder auflöst. Und damit gewinnen sie einfach an Geschwindigkeit.

Gerade die Solarbranche ist ja eigentlich sehr spontan und dynamisch und überhaupt nicht planbar. Ist das ein Grund, warum chinesische Firmen einen Vorteil haben?
Burkhardt: Ja, von daher können die chinesischen Firmen mit dieser Marktgegebenheit leichter umgehen als europäische Firmen.

Was passiert, wenn das Management dann bei einer Übernahme aufeinander trifft?
Burkhardt:
Ich finde: Wenn ich als Europäer in China bin, dann gelten die chinesischen Regeln. Wenn ich als Chinese in Europa bin, dann gelten die europäischen Regeln. Das ist etwas, was sich eigentlich beide Managements vor Augen führen müssen.

Das ist jetzt eine Forderung. Liegt das daran, dass sonst die Mitarbeiter nicht mitgehen?
Burkhardt:
Ganz genau. In Deutschland pflegt man eher den Diskussionsstil, man überzeugt seine Mitarbeiter als Chef. In China ist der Mitarbeiter eher Befehlsempfänger. Wenn ein chinesischer Manager in dieser Art versucht die Mitarbeiter in Deutschland zu führen, dann wird das nicht funktionieren. Der deutsche Mitarbeiter will respektiert werden.

Wie geht man als Deutscher oder Europäer dann am besten um, wenn man ein so agierendes chinesisches Management über sich hat?
Burkhardt:
Die übliche Reaktion von Europäern ist, man setzt sich Ohrstöpsel und sagt, es wird schon vorbeigehen. Also man nimmt die Sache auch nicht mehr so ernst. Das geht dann nach dem Motto, die werden schon sehen, dass das so nicht geht.

Ist das ein sinnvoller Umgang?
Burkhardt:
Das halte ich nicht für sinnvoll. Dann ziehe ich mich ja zurück und überlasse den anderen das Geschehen. Damit kommt ein Unternehmen nicht vorwärts.

Aber macht es denn Sinn zu diskutieren?
Burkhardt:
Mein Thema ist immer wieder, und dazu rate ich auch immer wieder: Man muss an der Stelle eine stoische Ruhe bewahren und in gewisser Weise penetrant, aber höflich, auf seine Ansichten pochen. Allerdings nicht in der Form, dass ich still bin und auch nicht in der Form, dass ich die anderen vor den Kopf stoße, so wie jeder Umgang miteinander von gegenseitigem Respekt schneller zum Ziel führen wird. Es muss Geduld auf beiden Seiten vorhanden sein und auch auf beiden Seiten der Wille zum Verständnis. Anders bekommen Sie die zwei Denkweisen nicht zusammen. Das ist ein Prozess, da muss man durch.

Sehen Sie auch, dass es einen Vorteil geben kann, wenn man in gemischten Gruppen vorgeht?
Burkhardt:
Den sehe ich durchaus. Hier in China sehe ich – ich bin sehr oft in China und auch mit einer Chinesin verheiratet – hier sehe ich, dass man relativ pragmatisch vorgeht. Da öffnet sich eine Opportunität für einen Markt, dann ist man mit dabei. Allerdings ist es nach meinem Eindruck wirklich oft so: Man möchte nie der Erste sein, sondern immer der Zweite, um die Fehler des Ersten nicht machen zu müssen. Das ist im Moment für die Solarindustrie extrem schwierig. Bisher waren die Vorreiter bei neuen Technologien europäische Unternehmen. Diese Vorreiter sind nahezu alle verschwunden. Jetzt stellt sich die Frage: Wer übernimmt jetzt diese Vorreiterrolle?

Mir fallen da schon einige asiatische Unternehmen ein, die bei neuen Technologien die ersten waren. China Sunergy und Suntech haben frühzeitig selektive Emitter implementiert. Yingli hat als erstes begonnen, die n-Typ-Technologie des niederländichen Forschungsinstituts ECN in der Produktion zu nutzen. Einige andere chinesische Unternehmen haben mit Quasimono Wafern und Metal Wrap Through Zellen begonnen. Da waren sie alle vor den europäischen Unternehmen. Ist das kein positives Zeichen, dass chinesische Unternehmen die Vorreiterrolle übernehmen?
Burkhardt:
Das ist zum einen entstanden in einer Zeit in der auch die chinesischen Hersteller noch üppig im Geld geschwommen sind. Da hat man sich schon mal eine neue Linie zum Testen gekauft. Man hat jedoch stets die Technologie gekauft, nicht entwickelt. Und Technologie in Hochschulen kann nur entstehen, wenn ich eine enge Zusammenarbeit mit der Industrie habe. Das sehe ich jetzt kritisch. Eine Motivation dieser Firmen war auch vor allem davon geprägt soviel wie möglich an Know How nach China zu bekommen. Die erste Frage, die ich von chinesischen Unternehmen höre, wenn ich über neue Technologien oder Materialien diskutiere ist, wo das schon in der Massenproduktion eingesetzt wird. Wenn ich mir die Entscheidungen heute ansehe, dann tut man sich schwer, in Asien neue Technologien zu beurteilen und auch in das Risiko zu gehen, diese eventuell noch produktionsreif mit entwickeln zu müssen. Genau davon haben die Asiaten ja in der Vergangenheit profitiert, die europäischen Firmen haben die Entwicklungsarbeit gemacht und dann wurde die Technologie mit den Maschinen verkauft.

Wer könnte sonst Vorreiter werden?
Burkhardt:
Vielleicht rücken ja Unternehmen aus anderen Nationen auf den Plan. Die Araber, die jetzt auch vermehrt in Photovoltaik investieren, könnten hier auch eine Vorreiterrolle spielen. Ein Neuinvestor in die Photovoltaik, der will sich natürlich abheben von den anderen und der möchte die neueste Technologie haben.
Das Gespräch führte Michael Fuhs.

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