Netzbetreiber stellen sich weiter quer bei Anschluss von Photovoltaik-Balkonmodulen

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Peter Haase (Name von der Redaktion geändert) hat sich ein Photovoltaik-Balkonmodul mit 300 Watt Leistung gekauft. Er will es vor allem für die Deckung seines eigenen Strombedarfs nutzen. Eine Vergütung will er für den überschüssigen Strom nicht haben. Bevor er sein Balkonmodul in der Steckdose einsteckt, will er es noch bei seinem Netzbetreiber anmelden. Dafür soll es ein vereinfachtes Verfahren geben, wie er gehört hat.

Doch bei vielen regionalen Netzbetreibern in Deutschland ist dies noch nicht angekommen. Sie versuchen mit allen Mitteln, den Einsatz der Solar-Stecker-Geräte in ihren Netzgebieten zu verhindern. Im Fall von Peter Haase verlangt der Netzbetreiber, dass er die Einspeisung durch technische Maßnahmen auf 70 Prozent der installierten Leistung dauerhaft reduzieren muss. Diese Forderung wird mit den technischen Vorgaben aus dem §9 EEG 2017 und den Gesetzesbegründungen zum EEG 2012 erklärt. Zudem verweist der Netzbetreiber auf eine Empfehlung des BDEW, die Begrenzung der Anlagen auf 70 Prozent durch einen Elektroinstallateur vornehmen zu lassen oder den Wechselrichter entsprechend umzuprogrammieren. Eine Erklärung des Anlagenbetreibers und seines Elektroinstallateurs, dass die Anlage technisch begrenzt wurde, sollte dem Netzbetreiber als Nachweis genügen.

Peter Haase findet das allerdings etwas hohe Anforderungen, dafür dass er keine Vergütung will und nur kleine Überschussmengen mit seinem Photovoltaik-Balkonmodul produzieren wird. Daher hat er sich an pv magazine mit der Frage gewendet, ob die Forderungen des Netzbetreibers überhaupt angemessen sind?

Die Frage lässt sich leider nicht einfach mit ja oder nein beantworten. „Für die 70-Prozent-Regel hat man zwei Betrachtungsebenen: das EEG und die technische Norm“, sagt Rechtsanwalt Jörn Bringewat von der Kanzlei Kanzlei von Bredow Valentin Herz auf Anfrage von pv magazine. Auf der Ebene des EEG kommt er zu dem Schluss, dass dessen Vorgaben für die Mini-Photovoltaik-Anlagen gelten, da sie in den Anwendungsbereich des Gesetzes gehören. „Das EEG sanktioniert aber Verstöße gegen technische Vorgaben nur durch Förderungsausfall, also EEG-intern, so dass eine Nichtumsetzung der technischen Vorgaben bei der Entscheidung, die Förderung nicht in Anspruch zu nehmen, im Grunde ohne Folgen bleibt“, schränkt er ein.

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Hinsichtlich der technischen Norm erklärt Bringewat: „Die VDE 4105 hält in Ziffer 5.7.4.2 im Grunde die genau gleiche Regelung hinsichtlich der Wirkleistungsreduzierung bereit, so dass die 70 Prozent-Regel im Grunde auch wieder deshalb gilt. Das ‚Gelten‘ allerdings ist differenziert zu sehen. Zunächst folgt das daraus, dass technische Normen gerade nicht ‚einfach so‘ gelten.“ Unter dem Strich heißt dies nach seiner Auffassung, dass die 70-Prozent-Regel bei Photovoltaik-Balkonmodulen keine Geltung im Verhältnis Anschlussnutzer und Netzbetreiber erlangt (seine jeweils ausführlichen Erklärungen zu den Vorgaben des EEG und der technischen Norm finden Sie am Ende des Artikels).

Allerdings sei die gesamte Rechtslage kompliziert, so Bringewat weiter. Die Netzbetreiber würden dies mitunter scheinbar nutzen, um die Betreiber von Solar-Stecker-Geräten einzuschüchtern. Angesichts der „administrativen Übermacht“ der Netzbetreiber und zu erwartender langwieriger Prozesse scheuten sich viele Besitzer von Photovoltaik-Balkonmodulen, dagegen rechtlich vorzugehen. „Im Grunde braucht es nach wie vor eine politische Entscheidung, kleine Photovoltaik-Balkonmodule grundsätzlich zuzulassen und von administrativer Nörgelei zu befreien“, sagt Bringewat. „Es gibt daneben auch Ansätze, mit europäischen Normen zu argumentieren, die wir auch für richtig halten, aber alle diese Maßnahmen erfordern viel Aufwand für im Grunde sehr kleine Wirkung.“

Wenn man ihn fragt, wie er privat vorgehen würde, wenn er sich ein Photovoltaik-Balkonmodul kaufen würde, dann muss er nicht lange überlegen. „Ich würde es einfach einstecken und nutzen und meinen Netzbetreiber ignorieren.“

Die ausführlichen Erklärungen von Rechtsanwalt Jörn Bringewat:

  1. EEG-Vorgaben

In § 9 Abs. 2 Nr. 2 lit. b EEG ist geregelt, dass PV-Anlagen unter 30 Kilowatt Nennleistung höchstens 70 Prozent der erzeugten Leistung in das Netz einspeisen dürfen. Diese Regelung hat aber für Mini-PV-Anlagen nur Wirkung, wenn mit diesen Anlagen tatsächlich Strom in das öffentliche Netz eingespeist und die EEG-Förderung in Anspruch genommen werden soll. Dies wird bei jenen Plug-In-Anlagen nicht der Fall sein. Das EEG regelt den Vorrang der Einspeisung von EE-Anlagen und deren Förderung. Dabei handelt es sich um ein Angebot staatlicher Förderung. Dieses Angebot muss aber nicht angenommen werden, deklaratorisch sieht das EEG daher bspw. in § 21a die (ungeförderte) sonstige Direktvermarktung vor. Die EEG-Förderung ist allerdings an die Einhaltung verschiedener Pflichten geknüpft (vgl. §§ 9 ff. EEG), deren Nichteinhaltung zu einer Verringerung oder dem Ausfall der Förderung führt. Die Nichteinhaltung der EEG-rechtlichen Pflichten wird aber allein EEG-intern sanktioniert. Der Förderungsanspruch kommt darüber hinaus nicht auf Grundlage eines EEG-(Netzanschluss-)Vertrages zustande, sondern auf Grundlage eines gesetzlichen Schuldverhältnisses (§ 7 EEG), weshalb es anzuraten ist, entsprechende Verträge, die regelmäßig von NB vorgelegt werden, nicht zu unterschreiben. Einspeiseanlagen, die keine Förderung in Anspruch nehmen, bzw. deren Betrieb kann im Falle von Pflichtverstößen ausschließlich nach EnWG und aufgrund dieses Gesetzes erlassener Verordnungen sanktioniert werden. Einen Verweis vom EnWG auf das EEG gibt es nicht, das wäre auch systemwidrig.

  1. Vorgaben aus der technischen Norm

Die VDE 4105 hält in Ziffer 5.7.4.2 im Grunde die genau gleiche Regelung hinsichtlich der Wirkleistungsreduzierung bereit, so dass die 70 Prozent-Regel im Grunde auch wieder deshalb gilt. Das „Gelten“ allerdings ist differenziert zu sehen. Zunächst folgt das daraus, dass technische Normen gerade nicht „einfach so“ gelten.

Technische Normen entwickeln aus sich selbst heraus keinen „Verbotscharakter“ (ein Verstoß gegen technische Normen führt also nicht zwingend dazu, dass die gegen die Norm verstoßende Handlung „verboten“ ist, wie es häufig zu lesen ist) oder eine „allgemeine Geltung“. Technische Normen werden ordnungsrechtlich, aber auch vertragsrechtlich, erst relevant, wenn der Gesetzgeber – wie bspw. in § 49 Abs. 2 EnWG oder in den Landesbauordnungen – einen gesetzlichen Anwendungsbefehl setzt oder sich die Vertragsparteien auf die Geltung einigen. Dann führt ein Verstoß gegen die so faktisch zum unmittelbaren Ordnungsrecht erhobene technische Norm zur Rechtswidrigkeit der entsprechenden Handlung – es sei denn, dieser Nachweis ist immer zulässig, dass das mit der Norm verfolgte technische (Sicherheits-)ziel auch durch andere Umstände erzielt wird. Die bspw. von der Norm 0100-551 gefordert besondere Einsteckvorrichtung bezweckt, abstrakt generell zu gewährleisten, dass immer sichergestellt ist, dass kein Strom an den Kontakten der Anlage anliegt, um Menschen vor Stromschlag zu schützen. Wenn allerdings, wie bei vielen PV-Modellen, der verbaute Wechselrichter diese Funktion bereits erfüllt, stellt diese spezielle Einsteckvorrichtung nur noch ein redundantes Sicherheitsmittel dar. Sie ist damit nicht erforderlich und in der Norm nur erwähnt, da diese eben auch PV-Modelle anspricht, deren Wechselrichter den dargestellten Sicherheitsstandard nicht erfüllt.

Abgesehen davon, dass sich der Netzbetreiber im Fall von Peter Haase scheinbar nicht auf die technische Norm der 4105 zu berufen scheint, könnte er dies aber auch nicht. Denn das Verhältnis zwischen Netzbetreiber und Anschlussnutzer wird durch die NAV bestimmt, es handelt sich um ein zivilrechtliches Schuldverhältnis, das Anschlussnutzungsverhältnis. Die NAV sieht ausschließlich in § 13 Absatz 2 einen Geltungsbefehl der technischen Normen im Sinne einer Vermutungswirkung vor, die aber nur greift, wenn Änderungen an der „elektrischen Anlage“ vorgenommen werden, also konstruktive Veränderungen an der technischen Gebäudeausrüstung zur Elektrizitätsversorgung. Dies liegt durch Einstecken einer Erzeugungsanlage in eine Steckdose nicht vor. Im Grunde unterscheidet sich der Vorgang nicht von dem Einstecken eines Staubsaugers, nur dass der Strom in unterschiedliche Richtungen fließt.

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