Wie können die 42 europäischen Kohleregionen den Abschied von den fossilen Energien sozialverträglich gestalten? Und was soll an die Stelle der Kohlekraftwerke treten, die dort Strom erzeugen? Diese Fragen haben jetzt vier Forscher des Joint Research Centre der Europäischen Kommission untersucht. Ihr Fokus lag auf dem Beitrag, den die Photovoltaik hier leisten kann. Das Ergebnis ihrer Analyse „Solar Photovoltaic Electricity Generation: A Lifeline for the European Coal Regions in Transition“, die sie in einem Paper veröffentlicht haben: Ein massiver Ausbau der Photovoltaik in den europäischen Kohleregionen könnte alle europäischen Kohlekraftwerke ersetzen – was die Stromerzeugung betrifft. Allerdings würden dabei wohl mehrere Zehntausend Arbeitsplätze verloren gehen.
Mithilfe von Satellitendaten haben die Forscher herausgefunden, dass das technische Potenzial für Photovoltaik-Freiflächenanlagen in den Kohleabbauregionen bei 580 Gigawatt liegt, wenn nur drei Prozent der geeigneten Flächen tatsächlich mit Modulen belegt werden. Das ist sieben Mal mehr als die Leistung, welche die insgesamt 111 Kohlekraftwerke liefern, die derzeit in den Kohleregionen in Betrieb sind – sie kommen auf 83 Gigawatt. Die Photovoltaik-Anlagen würden 7570 Quadratkilometer Fläche einnehmen und könnten pro Jahr gut 700 Terawattstunden Strom erzeugen. Die Forscher haben dabei alle Tagebau-Flächen mit einem Gefälle von weniger als 30 Grad in Süd-, Ost- und Westausrichtung berücksichtigt.
Nutzt man auch alle geeigneten Dachflächen in den Regionen, würde die technisch mögliche Photovoltaik-Leistung auf 668 Gigawatt steigen. Zusammen mit weiteren Flächen in unmittelbarer Umgebung der Kohleregionen wäre gar eine Leistung von 730 Gigawatt möglich. Ihr jährlicher Ertrag von 874 Terawattstunden würde genügen, um alle Kohlekraftwerke in der EU zu ersetzen, so die Forscher – die Systemintegration etwa durch Speicher vorausgesetzt. 730 Gigawatt: Das ist sechs Mal mehr als die gesamte, Ende 2018 in der EU installierte Leistung von 117 Gigawatt. Am größten ist das Potenzial der Studie zufolge in Spanien, Deutschland, Polen und Rumänien (siehe Grafik unten).
Die Kohleregionen bieten beste Voraussetzungen für die Installation von Photovoltaik-Freiflächenanlagen, da die nötige Netzanbindung sowie weitere Infrastruktur-Einrichtungen wie Straßen oder Zäune bereits vorhanden sind und energietechnisch geschultes Personal verfügbar ist. Nach Auslaufen der Bergbau-Aktivitäten sind die Abbauunternehmen verpflichtet, die Tagebaue zu rekultivieren und das Gelände anschließend zu überwachen – wirtschaftlich gesehen eine große Herausforderung. Mit dem Betrieb von Photovoltaik-Anlagen könnten sie erhebliche Erlöse für diese Aufgaben erzielen. Zugleich würde das Angebot an verfügbaren Flächen für die Photovoltaik mit dieser Nutzung der Tagebaue deutlich steigen. Eine Flächenkonkurrenz zu einer landwirtschaftlichen Nutzung besteht nicht, öffentliche Proteste sind nicht zu erwarten.
Die Forscher zählen insgesamt 240.000 Arbeitsplätze in den europäischen Kohleregionen, davon 180.000 im Bergbau und 60.000 bei den Kraftwerken. Die Photovoltaik könnte diese nicht vollständig ersetzen. So rechnen die Wissenschaftler damit, dass mit der Installation von 580 Gigawatt Freiflächenanlagen über die nächsten 15 Jahre rund 135.000 Arbeitsplätze entstehen könnten. Bei Betrieb, Wartung und Monitoring kämen 50.000 Jobs dazu. Unter dem Strich würde das den Verlust von 55.000 Arbeitsplätzen bedeuten – der sich jedoch verkleinern würde, wenn man die Jobs dazu zählt, die durch Dachanlagen entstehen. Hier ist eine Quantifizierung jedoch schwierig, so die Forscher.
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7570 Quadratmeter Fläche? Da fehlen ein paar Nullen…
Herzlichen Dank für den Hinweis – in der Tat… Es sind natürlich Quadratkilometer, wir haben das geändert.
Mit der Quantifizierung der „Arbeitsplatzverluste“ kann man es sich relativ einfach machen: Strom aus PV+Speicher wird kaum billiger sein als der aus Kohlekraftwerken, soweit man diese Stromsorten wiederum vergleichen kann, weil es nicht nur auf die Kosten für die Erzeugung ankommt, sondern auch darauf, ob der Strom sinnvoll eingesetzt werden kann.
Höherer Strompreis bedeutet aber auch mehr Arbeitsplätze, denn irgend jemand verdient ja dieses Geld. Das sind natürlich zum Teil andere, zum Teil auch im Ausland. Aber unser Problem in den nächsten Jahrzehnten wird ohnehin weniger sein, wie wir genügend Arbeitsplätze schaffen, sondern eher, wie wir die vorhandene Arbeit überhaupt erledigt bekommen, weil viel mehr alte Menschen aus dem Berufsleben ausscheiden, als junge nachrücken. Schon heute liegt diese Differenz bei mehreren hunderttausend pro Jahr, und die Schere wird noch größer, wenn ab 2025 die 60er Jahrgänge ausscheiden.
Strom aus PV+Speicher (plus Fernwärmeerzeugung) wird nicht nur „kaum billiger“ sein. Und seht interessant ist die Feststellung, dass höhere Strompreise mehr Arbeitsplätze bedeuten.
Und da wir alle globale Bürger sind, ist es auch egal wo, schließlich wird so das globale Klima gerettet.
Pv wird dort gebraucht wo tags ein hohe e-last ist: in den städten. Das dortige theater von WEGs, die durch veraltetes Recht am PV-Ausbau gehindert werden, kann und muss schnellstens beendet werden. Teure Agro-pv ist widersinnig.