Aktuell wird viel und oft über Mieten diskutiert. Sie steigen und steigen und die sogenannte „Mietpreisbremse“ funktioniert bei weitem nicht so, wie sie sollte. Dazu kommen Debatten über energetische Sanierungen, die die Mieten für die Bewohner oft explodieren lassen, wenn nicht unbezahlbar machen. Ein nun fertiggestelltes Neubaugebiet in Berlin-Lichtenberg soll zeigen, dass klimaneutrales Wohnen auch bezahlbar sein kann. Auf einem rund 5400 Quadratmeter großem Areal einstand ein Neubauquartier mit 99 Wohnungen. Die Hälfte davon werde gefördert und mit Einstiegsmieten ab 6,50 Euro pro Quadratmeter vermietet, heißt es von der verantwortlichen Howoge Wohnungsbaugesellschaft mbH. Für die übrigen Einheiten liege der Quadratmeterpreis im Schnitt unter 10 Euro.
Die zwei achtgeschossigen Neubauten seien als klimaneutrale KfW-40-Plus-Effizienzhäuser gebaut worden. Zudem ist eine Photovoltaik-Anlage mit 145 Kilowatt Leistung dem Dach und ein Batteriespeicher im Erdgeschoss installiert worden. Die Bewohner könnten daher künftig auch Mieterstrom vom eigenen Dach beziehen. Der Photovoltaik-Strom vom Dach soll den Mietern für rund drei Cent pro Kilowattstunde unter den vergleichbaren Markttarifen angeboten werden. Auch dies sei ein Beitrag für eine günstige Gesamtmiete.
Neben der energetisch optimierten Bauweise von Gebäuden, etwa Fassadendämmung und anderen wärmeübertragenden Flächen wie Fenster, Türen und Decken, spielt die Energietechnik eine maßgebliche Rolle bei der Errichtung klimaneutraler Immobilien. Beim Neubau sei durch ein ganzheitliches Energiekonzept, das dezentrale Trinkwasserstationen mit niedrigen Systemtemperaturen, kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung, eine Photovoltaik-Anlage mit Batteriespeicher sowie grünen Mieterstrom sogar eine negative CO2-Bilanz von -4 Kilogramm pro Quadratmeter erreicht, heißt es von der Howoge. Eigentlich sei bei diesen Gebäuden ein Wert von 7 Kilogramm pro Quadratmeter zulässig, dass sie als klimaneutral gelten.
Howoge räumt zugleich ein, dass das Bauen nach KfW-40-Plus-Standard derzeit noch eine finanzielle Herausforderung ist. Doch je mehr sich die Technik am Markt etabliert und nachgefragt wird, um so schneller werden die Produkt- und Montagepreise sinken. Dann könne „klimaneutrales Bauen zum gelebten Standard“ werden, heißt es bei dem landeseigenen Unternehmen weiter.
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Diese Aussage, dass der KfW 40plus-Standard eine finanzielle Herausforderung sei, erscheint mir ziemlich lächerlich. Vor 20 Jahren waren die Baukosten für ein Passivhaus etwa 10% höher (war bei meinem auch zutreffend), als ein konventioneller Bau. Inzwischen sind einerseits die Komponenten (vor allem die Dreifach-Verglasung) wesentlich günstiger geworden, gleichzeitig stieg der Standard des „konventionellen Baus“ durch die EnEV. Der Abstand zum Passivhaus sollte also inzwischen vernachlässigbar sein, und bei der Warmmiete sollte man mit Passivhausstandard inzwischen, ohne irgend eine „Förderung“ günstiger sein.
Was ich mir vorstellen könnte, ist, dass die „Aktivkomponenten“ die Bilanz verschlechtern: Um die letzten paar Kilo CO2 einzusparen wird dann viel für Steuerung und Energieerzeuger und -speicher ausgegeben. Es wäre sinnvoller, auf diese aktiven Komponenten erst mal zu verzichten und dafür den Passivhausstandard in der Breite durchzusetzen – damit hat man ohne Mehrkosten viel Energieverbrauch gespart. Aber weil Projekte wie dieses hier das Energiesparen als teuer verunglimpfen, wird bei jeder Diskussion über zu wenig Neubau mit daraus folgendem Wohnungsmangel geschrieen, man müsse den „Dämmwahn“ beenden und die Baustandards senken. Dabei würde es reichen, sich auf die wirtschaftlichen Dämmmaßnahmen zu beschränken und den „Aktivwahn“ als Spielzeug für Ingenieure auch als solchen zu behandeln. Er schafft vielleicht Arbeitsplätze, ist aber wenig kosteneffizient. Und auf die Kosteneffizienz käme es bei der Versorgung der Gesamtbevölkerung mit angemessenem Wohnraum mit minimalem CO2-Verbrauch an.
Die Grundaussagen sind sicher in weiten Teilen richtig, gehen aber nicht in die Tiefe. Zunächst einmal besteht nach wie vor ein wesentlicher Erfolgsunterschied zwischen einem EnEV-Gebäude und einem Passivhaus und hier inbesondere zu einen Passivhaus in Premiumqualität, wie es ein KfW40+-Haus darstellt. In Zahlen ausgedrückt sind das schnell eine rd. 75% bessere Energiebilanz zugunsten des Passivhauses. Alleine diese Zahl beweist, dass derzeit kein Weg am Passivhaus vorbei geht.
Dann stellt sich die Frage der Mehrkosten für ein solches Passivhaus. Betrachtet man das Ergebnis, so ist das Passivhaus regelmäßig das günstigere Bauwerk. Dies mag überraschen, aber was die HOWOGE nicht veröffentlich hat, sind die KfW-Fördermittel (Prog 153) mittels Tilgungsverzicht beim KfW40+-Gebäude. Das sind bei einem Bauvolumen mit 99 Wohnungen mal eben knapp 1,5 Mio.EUR. Damit kann man sehr viel Passivhaus bauen. Weitere Fördermittel gibt es für jede weitere Klimaschutzmaßnahme am Gebäude.
Ich teile auch nicht die Meinung des „Aktivwahns“. Erstens stellt dieses zunächst der Einstieg in Entwicklungen dar, deren Endergebnis heute niemand einschätzen kann und wie heißt es doch so schön= Stillstand bedeutet Rückschritt. Zweitens beendet dieser Weg irgendwann den Irrsinn der zentralen Stromversorgung mit deren minimalen Wirkungsgraden. Das hierbei Arbeitsplätze gefährdet werden, richtig, ober sind soviel Arbeitsplätze gefährdet wie Menschen vorzeitig an Umweltgiften sterben? Erinnern wir uns, vor 50 Jahren mit Beginn der ersten zaghaften Klimaschutzmaßnahmen lag die Lebenserwartung in Deutschland rd. 12 Jahre niedriger als heute. Ich bin ein paar Tage älter als mancher Leser und erinnere mich noch gut daran, wie die Luft in den 1960er Jahren aussah (ich empfehle einen Blick nach Peking). Darüber hinaus wird nicht bestreitbar sein, dass ein gebäudeinternes Gesamtversorgungssystem mit einem Wirkungsgrad von >90% besser ist, als ein zentrales Stromversorgungssystem mit einem Wirkungsgrad von <40% und Unmengen von Immissionen.
Das Problem der Passivhausbauweise liegt nicht an dessen Auslegung in seinem gesamten Spektrum, sondern der fehlenden Marktdurchdringung. Man kann (durch Fördermittel) günstiger Bauen als bei herkömmlichen Bauweisen, die Gebäude sind zukunftsfest, weil hochwertiger und bereits heute klimaneutral betreibbar. Passivhäuser sind gesünder bewohnbar, weil üblicherweise zwangsbelüftet und hierbei durch Filterung weitgehend frei von Allergenen in der Zuluft. Aber trotzdem, während in der Schweiz (zwingendes Baurecht) und Österreich fast jeder Neubau ein Passivhaus ist, dümpelt Deutschland vor sich hin. Es wird Zeit, dass wir alle wach werden.
Mit diesen Behauptungen tun Sie dem Passivhaus einen Bärendienst: Das Passivhaus ist auch ohne Fördermittel in der Gesamtrechnung (Bau- plus Betriebskosten) günstiger als ein EnEV-Haus. Das einzige Problem, das es hat, ist, dass es haufenweise Architekten gibt, die glauben, sie würden in Ihrer Gestaltungsfreiheit eingeschränkt, wenn sie im Passivhausstandard bauen sollen. Zitat eines Dozenten „Man darf ein Haus nicht nur unter einem Gesichtspunkt bauen“, eine Aussage die natürlich richtig ist, aber eben nichts gegen das Passivhaus sagt, nur über das Schmalspurdenken dieses Dozenten. Dabei werden Architekten vom Passivhausstandard nicht mehr oder weniger eingeschränkt, als sonst auch, meistens durch den Zwang, so billig wie möglich zu bauen.
Neben der medialen Verunglimpfung des Passivhauses („Dämmwahn“, „Leben in der Plastiktüte“, Fenster „dürfen“ nicht geöffnet werden, …) ist ein weiteres Problem in Deutschland, dass die meisten Wohngebäude nicht von den zukünftigen Nutzern, sondern von Immobilienunternehmen und Bauträgern errichtet werden. Die wollen so wenig wie möglich investieren, die zukünftigen Betriebskosten müssen ja die Nutzer zahlen – soweit Wohnungen dann noch verwaltet werden, lässt sich daran sogar noch zusätzlich verdienen, je höher der Umsatz ist, desto mehr.