In den vergangenen Tagen gab es verschiedene Meldungen, dass es in Kürze wieder zu einem Engpass angesichts steigender Photovoltaik-Nachfrage kommen könnte. Zum einen erwartet NPD Solarbuzz, dass sich der Photovoltaik-Markt bereits in diesem Jahr zu einem Angebotsmarkt entwickelt. Auch der Direktor des Fraunhofer-ISE, Eicke Weber, sagte auf einer Veranstaltung in Berlin, dass es 2015 zu Engpässen bei Photovoltaik-Produkten kommen könnte, wenn sich die weltweite Nachfrage in Richtung 50 Gigawatt bewege. Götz Fischbeck, Geschäftsführer der Smart Consulting GmbH, kann diese Einschätzung nicht teilen.
pv magazine: Wie hoch war aus Ihrer Sicht der weltweite Photovoltaik-Zubau 2013?
Fischbeck: Die endgültigen Zahlen liegen noch nicht für alle Länder vor. Aber ich gehe von einer global neu installierten Photovoltaik-Leistung von etwa 38 bis 39 Gigawatt im vergangenen Jahr aus.
Dies bedeutet, dass der weltweite Photovoltaik-Markt um etwa 25 Prozent zulegen müsste, um eine Nachfrage von 47 bis 50 Gigawatt zu generieren. Scheint das realistisch?
Ich sehe das nicht. Der globale Photovoltaik-Markt wird zwar weiter wachsen, aber in einzelnen Regionen wie beispielsweise Europa ist die Nachfrage in 2014 sogar rückläufig, so dass auf globaler Basis das Wachstum entsprechend geringer ausfällt.
Aus welchen Märkten könnte die Nachfrage kommen, um zu der von NPD Solarbuzz und anderen Marktteilnehmern prognostizierten Nachfrage von 47 Gigawatt und mehr zu kommen?
Nach meinem Dafürhalten wird die Nachfrage aus den vier Hauptabsatzmärkten in Summe in 2014 im Wesentlichen auf dem Vorjahresniveau liegen: In China lag die installierte PV-Leistung in 2013 zwischen 12 und 14 Gigawatt. Für dieses Jahr hat die Regierung in Peking erst vor kurzem bekräftigt, dass die Förderung von Neuinstallationen in 2014 bei 14 Gigawatt gedeckelt ist. Hieraus ergibt sich demnach ein mögliches Wachstum der Nachfrage in China von ein bis höchstens zwei Gigawatt verglichen mit 2013.
Auch für den japanische Markt gilt, dass es das Ziel der Regierung ist, den Zubau in 2014 auf dem Niveau von 2013 zu stabilisieren – also etwa bei 6.5 bis 8 Gigawatt. Für den japanischen Markt sehen wir daher für 2014 in unseren Prognosen kein Nachfragewachstum voraus. In den USA rechnen offizielle Stellen damit, dass nach 4,75 Gigawatt im Jahr 2013 nun sechs Gigawatt zugebaut werden. Diese Einschätzung deckt sich mit unseren Prognosen. Für den europäischen Markt rechnen wir in 2014 nochmals mit einem Rückgang der Photovoltaik-Nachfrage um etwa ein bis zwei Gigawatt gegenüber 2013.
Was bedeutet dies nun für die Entwicklung des globalen Gesamtmarktes?
Wenn man diese Veränderungen in der erwarteten Photovoltaik-Nachfrage für die vier Hauptmärkte saldiert, so kommt man auf ein mögliches Wachstum der Nachfrage aus diesen Märkten von rund ein bis zwei Gigawatt für das Jahr 2014. In Summe entfiel auf diese vier Hauptmärkte fast 90 Prozent der globalen Nachfrage im vergangenen Jahr. Alle übrigen Märkte zusammen generierten in 2013 „nur“ eine Nachfrage von rund 5 Gigawatt. Um also in der globalen Nachfrage von rund 38 Gigawatt in 2013 auf mindestens 47 Gigawatt in 2014 zu kommen, müsste die Nachfrage aus diesen anderen Regionen gegenüber 2013 um mindestens sieben Gigawatt auf dann 12 Gigawatt in 2014 steigen.
Das glauben sie nicht?
Nein, ich glaube nicht, dass wir derart hohe Zuwächse bei den Installationszahlen in Mittel- und Südamerika, Südafrika, der MENA-Region oder in den asiatisch-pazifischen Ländern sehen werden. Was sollte diese Märkte veranlassen, ihre Photovoltaik-Installationen mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 140 Prozent in 2014 gegenüber 2013 zu erhöhen?
Für ein solch dramatisches Wachstum der Photovoltaik-Nachfrage aus diesen Regionen sehe ich für 2014 keinerlei Anzeichen. Man muss verstehen, dass die Treiber der Nachfrage in diesen Ländern deutlich andere sind, als wir das aus den europäischen, japanischen und nordamerikanischen Photovoltaik-Märkten kennen.
Wie meinen Sie das?
In der Vergangenheit war der Photovoltaik-Boom in vielen Ländern von staatlichen Förderprogrammen getrieben, wie etwa die Beispiele Deutschland oder Italien zeigen. Abgesichert durch garantierte Einspeisetarife nutzten viele Investoren die Gelegenheit, sich langfristig attraktive Renditen auf ihre Investitionen zu sichern. Durch planmäßig und außerplanmäßig implementierte Absenkungen der Einspeisetarife wurde ein künstlicher Zeitdruck erzeugt, der in einzelnen Ländern zu einem „explosionsartigen“ Wachstum der Nachfrage in einzelnen Jahren führte. Diese Dynamik hat sich angesichts der weltweit sinkenden Einspeisevergütungen und auch der stabilisierten Modulpreise nun wieder geändert. Die Voraussetzungen für Investitionen in Photovoltaik-Anlagen sind heute anders als etwa in den Boomjahren zwischen 2006 und 2011. Außerhalb staatlicher Förderprogramme sind Investitionen in die Photovoltaik weit weniger zeitkritisch. Investoren können länger abwarten und sind nicht gezwungen, in Phasen von Produktverknappungen und steigenden Komponentenpreisen ihre Planungen unverändert umzusetzen.
Wie werden sich die Modulpreise angesichts der steigenden Nachfrage entwickeln?
Derzeit gleichen sich die Modulpreise weltweit in vielen Märkten an. Durch die von der EU geforderten Mindestpreise für chinesische Module in Europa haben sich die Preise hier in den vergangenen Monaten deutlich stabilisiert. Gleichzeitig sind Überkapazitäten etwa bei der Siliziumproduktion aber auch auf anderen Wertschöpfungsstufen (vorübergehend) stillgelegt worden, so dass das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage sich erheblich entspannt hat.
Aber was passiert, wenn die Photovoltaik-Nachfrage in diesem Jahr wirklich um 20 Prozent steigt?
Sollte die Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen tatsächlich in diesem Jahr um 20 Prozent oder mehr wachsen, würden die Preise tendenziell erst einmal steigen. Eine solche Preisentwicklung würde aber unmittelbar die Nachfrage aus nicht-subventionsgetriebenen Märkten dämpfen. Gleichzeitig würden bei steigenden Preisen mehr und mehr Produktionsanlagen, die bislang stillgelegt oder nur gering ausgelastet sind, wieder hochgefahren. Dieses zusätzliche Angebot, welches kurzfristig mobilisiert werden kann, sollte Verknappungen auf dem Photovoltaik-Markt daher eher zu einem Wunschtraum der Hersteller als zu einer tatsächlich zu erwartenden Realität werden lassen.
Sie erwarten also, dass es keinen Engpass bei Solarmodulen geben wird?
Nein, davon gehe ich nicht aus. Es findet auch langsam wieder ein Ausbau der Produktionskapazitäten statt. Dies geschieht zwar nicht in dem Ausmaß wie 2010 oder 2011. Aber die Hersteller von Produktionsanlagen stehen bereit, Anfragen auch sehr kurzfristig befriedigen zu können. Auch sie haben zwei sehr harte Geschäftsjahre hinter sich, in denen die Nachfrage nach Produktionsanlagen um teilweise mehr als 80 Prozent eingebrochen ist. Eine kurzfristige Erhöhung der weltweiten Produktionskapazitäten um fünf bis sieben Gigawatt wäre aus meiner Sicht kein Problem.
Wo liegt das derzeitige Preisniveau für Solarmodule?
Die Hersteller versuchen derzeit Preise zwischen 50 bis 65 Eurocent in den verschiedenen Absatzmärkten zu erzielen, und stehen vor der Herausforderung auf diesem Niveau wieder profitabel zu werden. Je nach Hersteller liegen die Produktionskosten bei Vollauslastung derzeit zwischen 45 und 60 Eurocent, so dass selbst unter günstigen Annahmen die Margen der Hersteller in 2014 weiter sehr dünn sein werden. Sollten die Preise für Silizium und Wafer weiter steigen, wie sie das seit etwa drei bis vier Monaten tun, wird die Luft für die meisten Hersteller noch dünner.
Werden wir bei der Photovoltaik jemals wieder einen Angebotsmarkt haben?
Angesichts der oben beschriebenen veränderten Rahmenbedingungen, welche die Nachfragedynamik für Photovoltaik-Anlagen wesentlich beeinflussen, glaube ich das eher nicht. Die Zeiten, da Investitionen in Photovoltaik-Anlagen mit hohen Renditen und staatlich zugesagter Investitionssicherheit verbunden war, sind weitestgehend vorbei. Man darf auch einen weiteren Risikofaktor für die mittelfristigen Prognosen zur Photovoltaik-Zubau nicht außer acht lassen:
Derzeit profitiert die Solarindustrie von dem extrem niedrigen Zinsniveau, welches in wichtigen Absatzmärkten wie Europa und Nordamerika vorherrscht. Dank dieses Zinsniveaus ist das notwendige Fremdkapital für die Finanzierung der Photovoltaik-Anlagen zu vergleichsweise günstigen Konditionen zu beschaffen. Gleichzeitig erscheinen Renditen von 4 bis 6 Prozent, die sich mit Investitionen in Photovoltaik-Anlagen erzielen lassen, im Vergleich mit Renditen auf festverzinsliche Wertpapiere hoher Bonität von 1 bis 3 Prozent durchaus attraktiv.
Was passiert, wenn die Zinsen wieder steigen?
Sollten die Zinsen innerhalb der nächsten 24 Monate um 100 bis 200 Basispunkte ansteigen, würde eine solche Entwicklung gleich auf doppelte Weise nachfragemindernd auf den Photovoltaik-Markt wirken: die erzielbare Eigenkapitalrendite mit PV-Investitionen würde auf Grund des höheren Kapitaldienstes abnehmen, wodurch zusätzlich die Renditedifferenz zwischen einer Investition in eine Photovoltaik-Anlage und dem Kauf eines festverzinslichen Wertpapiers weiter sinken würde.
Im Ergebnis würden Investoren insgesamt weniger Mittel für den weiteren Zubau von PV-Anlagen zur Verfügung stellen, was zu einer weiteren Verlangsamung des weltweiten Wachstums des Photovoltaik-Ausbau führen würde.
Wie sieht die langfristige Perspektive für die Photovoltaik aus?
Für die langfristige Perspektive der Photovoltaik-Nachfrage bleibt aber die Tatsache entscheidend, dass die Stromgestehungskosten aus Photovoltaik-Anlagen auch vom heutigen Niveau aus noch weiter gesenkt werden können, wenn auch mit deutlich abnehmender Dynamik. Diese weitere Kostenreduktion ist schon deshalb erforderlich, um in Zukunft auch Speichersysteme zusammen mit Photovoltaik-Anlagen rentabel zu machen. Nur so kann die Vision einer Vollversorgung mit erneuerbarem Strom noch in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts Realität werden. Insofern sind Prognosen von jährlichen Photovoltaik-Zubauraten von 200 Gigawatt und mehr in 10 oder 20 Jahren aus meiner Sicht keine Utopie.
Das Interview führte Sandra Enkhardt.
Götz Fischbeck wird auf derKonferenz "PV Power Plants – Turkey" moderieren. Sie bietet wichtige Informationen zu vielversprechenden Photovoltaikmärkten in Europa und der MENA-Region. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Wachstumsmarkt Türkei. Die Veranstaltung findet am 9. und 10. April 2014 in Istanbul, Türkei, statt. Die Konferenzsprache ist Englisch.
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