Kaum einer bestreitet heute noch das Potenzial, das Photovoltaik und Energiespeicher für die Energiewende haben. Sie sind prädestiniert, beim Weg von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien, den bereits viele Länder weltweit einschlagen, die Führungsrolle zu übernehmen. Ihre Wachstumsraten und ihre Kostenreduktionen sind enorm, obwohl nach wie vor noch außerordentlich hohe Subventionen in die fossilen Energien fließen.
Nach den jüngsten Zahlen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE erreichte die kumulierte Photovoltaikleistung Ende vergangenen Jahres 515 Gigawatt, wovon 122,6 Gigawatt in Europa installiert waren. Die Photovoltaik kam damit auf einen Anteil von 2,6 Prozent der weltweiten Stromerzeugung sagt IEA PVPS. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Photovoltaikinstallationen betrug zwischen 2010 und 2017 durchschnittlich 24 Prozent. Dies dürfte sich auch in den nächsten Jahren zumindest fortsetzen, wenn nicht noch steigern. Das bedeutet, dass es bis 2030 nicht ausgeschlossen ist, dass jährlich über ein Terawatt Photovoltaik installiert wird.
Damit ist die Solar- und Energiespeicherbranche aber auch dafür prädestiniert, ein Beispiel zu geben für ein neues ökologisches Wirtschaften.
Eine große Verantwortung für die Branche
Auch wenn der Ursprung des Sprichwortes umstritten ist: Mit großer Macht kommt große Verantwortung. Vielleicht stammt es von Voltaire, vielleicht von Churchill oder vielleicht doch von Spiderman? Egal, die Bedeutung ist sonnenklar.
Eines der dringlichsten Themen für die Branche wird in den kommenden Jahren der Umgang mit den Komponenten sein, die das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. Nach den neuesten Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA) und der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA), die 2016 einen Bericht mit dem Titel „End of Life Management“ veröffentlicht haben, werden bis in die 2050er-Jahre zwischen 60 Millionen und 78 Millionen Tonnen Photovoltaikabfälle erwartet (siehe Grafik), wobei China, die USA, Japan, Indien und Deutschland führend sein werden. Trotzdem haben bisher nur wenige Länder eine PV-spezifische Entsorgungsverordnung verabschiedet.
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Wir möchten gerne verantwortungsvolle Vorreiter der Circular Economy und „Carbonfootprintreduzierer“ sein und zusammen mit der Solarindustrie Kriterien einer erweiterten Nachhaltigkeit definieren. Der erste Schritt werden viele Diskussionen sein – vor allem der Kriterien und deren Umsetzbarkeit. Idealerweise kommen wir zu einem gemeinsam entwickelten Sustainability-Kodex, an dem sich Unternehmen orientieren können.pv magazine wird den Prozess auf seinen Plattformen begleiten und in Webinaren sowie Roundtable-Events zur Diskussion stellen: eine ideale Möglichkeit, die eigene Ambition und Technologie zu promoten.
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Das ist problematisch, sagen Experten wie Dustin Mulvaney, Associate Professor des Bereichs Umweltstudien an der San José State Universität, und Michael Braungart, Mitbegründer der Grünen in Deutschland sowie der Chemieabteilung von Greenpeace. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass gefährliche Chemikalien wie Blei immer noch in Solarmodulen eingesetzt werden. Ihre Volumina mögen auf der Ebene der einzelnen Module gering sein, aber wenn man berücksichtigt, in welcher Kapazität die Module in naher Zukunft produziert werden, wird das Thema immer relevanter und ist einer der wichtigsten Diskussionspunkte, auf die wir uns in zukünftigen Ausgaben konzentrieren werden.
Es ist ja nicht so, dass es noch keine Ansätze gibt, nach denen man vorgehen kann. Braungart selbst gilt als Visionär. Er hat das Cradle-to-Cradle-Konzept entwickelt, das heißt übersetzt: von der Wiege zur Wiege. Damit lässt sich das Mind-Set grundlegend ändern (siehe Kasten). Doch es gibt auch noch etliche andere Ansätze, die wir in der nächsten Zeit diskutieren werden. Einer der oft erwähnten Aspekte ist, dass mit EVA laminierte Module nicht einfach wieder zerlegt werden können. Das macht die Wiederverwertung mancher Komponenten schwer.
Nachhaltigkeitsfragen müssen auch im Zusammenhang mit dem Abbau von kritischen Rohstoffen, wie beispielsweise Kobalt für Batterien, und dem Umgang mit Chemikalien wie Flusssäure in Produktionsprozessen untersucht werden.
Die Zeiten ändern sich und mit ihnen die Wahrnehmung des Themas. Die in Frankreich ansässige Firma Veja, die Öko-Sneaker herstellt, hat ein Update an seine Social-Media-Follower verschickt: „Vor einigen Jahren wurde uns klar, dass Veja auf dem falschen Weg war. Wir hatten einen Sneaker, der anders, ökologischer, sozial ausgewogener war als die anderen Marken, aber was ist mit dem Rest? Was ist mit unserem Team? Was ist mit unserem Büro in Paris? Was ist mit den anderen Lieferanten? Uns ist im Jahr 2007 klar geworden, dass man das beste ökologische Projekt haben kann und immer noch die schlechteste Art von Unternehmen ist. (…) Als wir das 2009 geändert haben, hat niemand verstanden, warum. Heute erscheint die Antwort klar: Wir als Unternehmen sind für alle Schritte verantwortlich, die wir unternehmen.“
Veja hat zwar nichts mit der Solar- oder Speicherindustrie zu tun, aber der Punkt, den es anspricht, könnte nicht relevanter sein. Während Photovoltaik und Speicher die Superhelden in unserer Geschichte sind und wir am Wendepunkt des Übergangs zur grünen Energie stehen, ist es Zeit zum Nachdenken. Wird alles getan, um eine wirklich erneuerbare Industrie zu schaffen? Sind die Produkte und Herstellungsverfahren sauber genug? Werden Fragen der Menschenrechte und der Gleichstellung angemessen behandelt? Es wäre verheerend, wenn die Energiewende am Ende gebremst würde, weil es Zweifel an der sozialen und wirtschaftlichen Verantwortung der Akteure gibt.
Die Nutzung Erneuerbarer hat das Potenzial, nicht nur die durch fossile Brennstoffe verursachten Probleme anzugehen – einschließlich Geopolitik und Umweltverschmutzung – sondern sie könnten auch dazu beitragen, andere wie Energiearmut, mangelnde Bildung und Diskriminierung zu lösen. Die Industrie wächst und die Strukturen lassen sich noch gestalten.
Einen neuen Kurs setzen
Wir sind daher der Meinung, dass die Industrie mehr tun sollte, als nur erneuerbare Energie zu erzeugen. Sie sollte auch zum Aufbau einer erneuerbaren Gesellschaft beitragen.
Vor diesem Hintergrund setzt pv magazine auf eine neue redaktionelle Kampagne. Mit unserem Programm UP werden wir tief in das Thema Nachhaltigkeit in der Solar- und Speicherindustrie eintauchen. Dies werden Sie auf unseren verschiedenen digitalen Plattformen, in unseren Printmagazinen sowie auf unseren Roundtable-Veranstaltungen und Webinaren finden.
Gemeinsam mit Ihnen – den treibenden Akteuren der Solar- und Speicherindustrie – wollen wir definieren, was es bedeutet, wirklich nachhaltig zu sein. Wir wollen uns ansehen, was in diesem Bereich bereits getan wird, Verbesserungsmöglichkeiten diskutieren sowie Nachhaltigkeitsziele, Zeitpläne und Bewertungskriterien festlegen. Wir wollen eine Diskussion eröffnen und die Branche damit auf erneuerbare Weise voranbringen.
Seien Sie dabei und machen Sie bei der UP-Kampagne mit! Gestalten Sie mit uns die Nachhaltigkeitsagenda!
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Was es da zunächst braucht, ist ein Ökotest für Solarmodule und Speicher. Dann haben die Wettbewerber auch einen Anreiz, sich um Verbesserungen zu bemühen. Sonst bleibt es wie überall: Die Verbraucher sagen „Ich möchte gar nicht wissen, was da alles drin ist“ und die Hersteller hüten sich, von sich aus darauf hinzuweisen. Ich fände es toll, wenn es zu Verbesserungen kommt, aber es gilt, mit viel Fingerspitzengefühl vorzugehen, sonst gilt man als Nestbeschmutzer. Tendenziell sollte man die lieben Buben loben. Wenn die bösen Buben dann nicht stolz „bleifrei“ draufschreiben können, kann der Verbraucher sich ja seins denken.