Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat am Montag auf der Hannover-Messe eine Übersicht vorgestellt, die alle in Bau befindlichen Kraftwerke sowie die genehmigten und geplanten Projekte mit einer Leistung von mehr als 20 Megawatt aus dem konventionellen und erneuerbaren Bereich umfasst. Angesichts dieser Kraftwerksliste kritisiert der BDEW, dass der Bau neuer, CO2-armer Kraftwerke zu langsam vorankomme, obwohl diese für die Energiewende dringend gebraucht würden.
Der Liste zufolge gibt es zurzeit in Deutschland 64 Projekte zum Neubau von Kraftwerken, die gesicherte Leistung bereitstellen können. Davon sind laut Liste jedoch lediglich zehn tatsächlich im Bau – darunter vier Gaskraftwerke mit insgesamt 572 Megawatt, fünf Windparks mit insgesamt 1528 Megawatt und ein Steinkohle-Kraftwerk mit 1052 Megawatt. Weiterhin auf der Liste finden sich zukünftige Gaskraftwerke, von denen 19 in Planung sind, acht im Genehmigungsverfahren und drei genehmigt. Bei den Windparks weist die Liste 17 genehmigte Projekte aus, bei Biomasse zwei Kraftwerke in Planung und bei Pumpspeicherkraftwerken ein Projekt in Planung und zwei im Genehmigungsverfahren. Zudem befindet sich laut Liste ein Projekt im Genehmigungsverfahren, das Steinkohle, Biomasse und Wasserstoff kombiniert.
Wie der BDEW mitteilt, rechnet sich aufgrund der aktuellen Marktsituation der Bau von Gaskraftwerken nicht; ihre Realisierung sei daher fraglich. Ebenso fraglich sei die Realisierung von weiteren Pumspeicherkraftwerken, die eine wichtige Funktion für die Stabilisierung des Stromnetzes hätten. Positiv wertet der Verband, dass im Rahmen von mittlerweile 15 Projekten Kohle durch Erdgas ersetzt werden solle. Auch bei der Offshore-Windkraft gehe es gut voran. Der BDEW spricht sich in diesem Zusammenhang für zügige Sonderausschreibungen für Offshore-Wind aus, zumal es ohnehin zusätzliche Netzanschlusskapazitäten für Offshore-Wind in Höhe von knapp 1,6 Gigawatt gebe.
„Bisher setzt der Markt nicht die erforderlichen Bedingungen für den notwendigen Zubau an Kraftwerken“, sagt BDEW-Chef Stefan Kapferer. Stattdessen sei Deutschland auf eine Reihe an Reparaturmaßnahmen angewiesen. „Netzreserve, Kapazitätsreserve oder netztechnische Betriebsmittel kaschieren mehr schlecht als recht die Defizite der deutschen Energiepolitik und Marktkonditionen. Auf Dauer wird das nicht funktionieren“, so Kapferer. Deutschland laufe zurzeit sehenden Auges spätestens im Jahr 2023 in eine Unterdeckung bei der gesicherten Leistung.
Der BDEW weist zudem darauf hin, dass für den Ausstieg aus der Kohle im Jahr 2030 zwingend 65 Prozent erneuerbare Energien gebraucht würden. Auch ein schnellerer Netzausbau sei zwingend. Das dritte zentrale Thema sei die Versorgungssicherheit. „In der Kohlekommission gab es eine sehr hohe Übereinstimmung darin, dass die Abschaltung von Kohlekraftwerken nicht an der Frage scheitern darf, ob es gelingt, die nötigen Mengen an gesicherter Erzeugungskapazität vorzuhalten“, so Kapferer. „Die Quintessenz lautet: Wir müssen bauen, bauen, bauen.“
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Diese Erklärung des BDEW könnte ja locker aus dem Jahr 2011 oder so stammen. Gleiche Diktion, fast gleiche Wortwahl. Ein anderer Geschäftsführer, sonst nix was wirklich mit Innovation oder auch nur dem Stand der Technik/ Entwicklung zu tun hätte.
Dem Verband ist nicht zu helfen- ist fast so bizarr wie das Interview vom Söder mit „heute“ gestern abend wo der Mann (vielleicht angetrunken?) von den „alten Sonnenkollektoren und den alten Windrädern“ faselte. https://www.zdf.de/nachrichten/heute/csu-chef-verteidigt-klimapolitik-100.html
Deutschland braucht ausschließlich CO2-freie Kraftwerke und nicht irgendwelche fossilen Mogelpackungen !
Der BDEW hat leider immer noch nicht verstanden, dass in Zukunft die Kraftwerkslandschaft
nimmer so aussehen wird wie früher, mit großen zentralen Kohle/Atom+Gas-Kraftwerken.
In Deutschland gibt es noch einen großen Bestand nicht ausgelasteter, vor allem, Gaskraftwerken
die sehr gut als Brücke in die 100 % regenerative Zukunft dienen können.
Sobald unsere Regierung, ihre Blockaden der Erneuerbaren löst, wird der Zubau von Wind und Solarkraftwerken auf allen Ebenen wieder in ausreichendem Maße stattfinden !
Der BDEW geht davon aus, dass der Betrieb von Gaskraftwerken, die nur selten, aber dann zur Deckung der (fast) vollen Last gebraucht werden, mit heutigen Vergütungsstrukturen wenig rentabel ist. Die bisherige Energiewende lebte auch ein bißchen auf Kosten der alten Dinos Eon und RWE, die ihre alten, abgeschriebenen Kraftwerke weiterlaufen ließen, obwohl sie (vor allem die Steinkohlekraftwerke) nicht mehr die Rendite brachten, mit denen die ursprüngliche Investitionsentscheidung getroffen worden war. Die daraus entstandenen Verluste hatten die Aktionäre zu tragen. Wenn in Zukunft neue Gaskraftwerke gebaut werden sollen, werden sie entweder eine Beschäftigungsgarantie verlangen, oder eine Möglichkeit haben müssen, ihren Strom so teuer zu verkaufen, was es eben kostet, wenn das dafür notwendige Kraftwerk nur selten läuft. Und man wird sie nicht oft laufen lassen wollen, solange sie mit fossilem Erdgas laufen.
Was der BDEW geflissentlich ignoriert, ist die Tatsache, dass man selbst im heutigen Stromsystem noch einen ganzen Haufen an ungenutzten Optimierungsmöglichkeiten hat, und noch mehr in Zukunft. Das derzeit bedauerlichste Defizit besteht beim Biogaseinsatz. Weder die Wärmekraftkopplung ist da weit verbreitet, noch die Anpassung der Produktion an den Bedarf im Netz. Selbst bei negativen Strompreisen (wegen schwer unterzubringenden Überschusses) powern die 365 Tage im Jahr 24 Stunden mit voller Leistung durch – sie bekommen es ja bezahlt, ein Erzeugungsprofil, als ob es Kern- oder Braunkohlekraftwerke wären. Wenn die nur die Hälfte der Zeit arbeiten würden, dafür aber dann, wenn sie auch gebraucht würden, könnten sie das doppelte an regenerativer Leistung abdecken, als sie bisher tun. Der BDEW als Lobby der alten Dinos hat allerdings kein Interesse daran, solche Verbesserungen anzustoßen – das gräbt den alten Dinos das Wasser noch schneller ab, als ohnehin schon, und ignoranten Politikern kann man die alten Denkweisen ohne Probleme unterjubeln (z.B. Söder spricht ganz brav von Grundlastbedarf, wie er das vor 40 Jahren in der Schule gelernt hat, obwohl Grundlast bald ein überkommener Begriff sein wird) – dann bekommt man Regelungen (Stichwort: Investitionssicherheit), die noch für Jahrzehnte fossile Gaskraftwerke als wichtiges Standbein festzurren.
Dann spielt der BDEW noch ein bißchen mit der „German Angst“, für die es unmöglich ist, zu denken, dass doch auch ein ausgeglichener Export/Importsaldo beim Strom eine schöne Sache wäre. Dann wäre man ja zu bestimmten Zeiten auf das Ausland angewiesen! Das geht für einen deutschen Perfektionisten freilich nicht, das wäre ein Zeichen von Schwäche.
Weiter könnte die Kraft-Wärme-Kopplung ausgebaut werden, was freilich auch eher dezentral bei den Stadtwerken, nicht bei den alten Dinos stattfände. Eine KWK in relevanter Größenordnung könnte gerade Produktionsausfälle der PV ideal kompensieren.
Die Möglichkeiten der Lastverschiebung insbesondere bei den neu hinzukommenden Verbrauchern – Wärmepumpen und Ladestationen für E-Autos – werden auch lieber ignoriert. Für diese wird man ja PV und Wind stärker ausbauen müssen, als es dem heutigen Stromverbrauch entspricht. Dadurch steigt auch die Mindestleistung, die diese Modalitäten selbst unter schlechtesten Bedingungen (mehrwöchige „Dunkelflaute“) immer ins Netz abgeben. Schon wieder weniger Bedarf an „gesicherter Leistung“ wie sie der BDEW versteht!
Letztlich kann man sich auch fragen, was man es sich kosten lassen will, in fünf Jahren keinen Tag zu haben, an dem man den Stromverbrauch mal außerplanmäßig auf Feiertagsniveau runterfahren muss. Der BDEW sieht da natürlich nach oben keine Grenzen – der einfache Stromverbraucher wird da sicher schon eher nachdenklich. Bisher hatten wir (fast) Maximalversorgung zu einem hohen Preis: Umweltverschmutzung und ein sattes Polster an Überkapazität, das natürlich bezahlt sein wollte. Überkapazitäten werden wir aber auch in Zukunft haben: Vor allem Erneuerbare Kraftwerke, die über ihre übliche Abschreibungsdauer von 20 Jahren hinaus verwendungsfähig sein werden. Und das ganz ohne Umweltverschmutzung und fast zum Nulltarif!