Noch immer ringt die Ukraine um ein neues Gesetz für Erneuerbare Energien. Die zaghaften Anfangserfolge der letzten Jahre mit einem EEG nach deutschem Vorbild sollten eigentlich Mut machen, auf diesem Wege weiter zu gehen.
Doch die EU nimmt massiven Einfluss auf die Energiegesetzgebung in der Ukraine und fordert den Wechsel zu Ausschreibungen. Unterstützt wird sie dabei von der europäischen Förderbank EBRD, die ebenfalls das hohe Lied der Ausschreibungen singt. Angeblich würden die Ausschreibungen zu starken Investitionen und Kostensenkungen bei erneuerbaren Energien führen.
Dabei wird von ihnen verschwiegen, dass gerade dieser Wechsel weg von den ursprünglichen Erneuerbare-Energien-Gesetzen hin zu Ausschreibungen in Deutschland und der EU genau diese Ziele verfehlt haben. So sind die jährlichen Erneuerbare-Energien-Investitionen in der EU von rund 140 Milliarden US-Dollar (Mrd. USD) in 2011 auf knapp 60 Mrd. USD in 2017 regelrecht eingebrochen. Europa hat damit längst seine Vorreiterrolle in der Welt verloren. Erst 2018 haben sich in Europa die Investitionen mit knapp 75 Mrd. USD erstmals wieder leicht erholt. (https://data.bloomberglp.com/professional/sites/24/BNEF-Clean-Energy-Investment-Trends-2018.pdf S.40)
In Deutschland setzte sich der dramatische Investitionsrückgang auch 2018 fort. Der Wechsel zu Ausschreibungen hat sich nun auch bei der Windenergie dramatisch ausgewirkt und die gesamten Investitionen massiv schrumpfen lassen. In 2018 sind sie gegenüber 2017 nochmal um 32% auf nun 10,5 Mrd. USD geschrumpft. 2011 waren es noch gut 40 Mrd. USD Investitionen. (https://about.bnef.com/blog/clean-energy-investment-exceeded-300-billion-2018/)
In meinem Beitrag auf der gestrigen Anhörung zur Novelle des ukrainischen Erneuerbare Energien Gesetzes im ukrainischen Parlament stellte ich die verheerende Wirkung des Wechsels zu Ausschreibungen am Beispiel der Windenergie in Deutschland dar. Die neuesten Daten hierzu hat die Energy Watch Group zusammengestellt und in einem aktualisierten Politikpapier aufbereitet. (http://energywatchgroup.org/wp-content/uploads/2019/02/2019-02-22-Policy_Paper_Einspeisevergu%CC%88tungen_Ausschreibungen.pdf)
Entsprechend empfahl ich der Ukraine nicht den Empfehlungen der EU und EBRD zu folgen, sondern das bestehende Gesetz mit grünen Tarifen an die modernen Entwicklungen anzupassen. (https://hans-josef-fell.de/wp-content/uploads/Kiew-febr-2019-Hearing-Rada-Fell.pdf)
So ist in Deutschland der Zubau von Windenergieanlagen an Land von ca. 5,3 Gigawatt (GW) in 2017 auf etwa 2,4 GW in 2018 eingebrochen. Wobei klar ist, dass 2017 noch die meisten Neuinvestitionen unter dem alten EEG mit festen Einspeisevergütungen getätigt wurden. Deutlicher wird der Einbruch bei der Analyse der neuen Genehmigungen der Windkraftanlagen, die von 2016 mit über 9,4 GW auf je unter 1,5 GW in 2017 und 2018 gefallen sind. Noch deutlicher zeigt sich das verheerende Bild an den Ergebnissen der Ausschreibungen. Von einer Ausschreibungsrunde zur nächsten sind die Angebote immer weiter zurückgegangen. Zuletzt wurden sogar weniger Angebote abgegeben, als das Ausschreibungsvolumen umfasste. Andererseits sind die Kosten für die Windkraft wieder gestiegen und werden von einer Ausschreibungsrunde zur anderen wieder höher.
Die Ukraine ist gut beraten, den Wechsel zu 100 Prozent erneuerbaren Energien offensiv mit einem wirkungsvollen EEG umzusetzen. Die ersten Ergebnisse der EWG/LUT Simulationen zeigen, dass auch in der Ukraine eine Vollversorgung mit 100 Prozent Erneuerbaren nicht nur möglich ist, sondern auch für alle Konsumenten eine kostengünstigere Energieversorgung bringen würde.
Die Ukraine würde davon in hohem Maße politisch profitieren: Politische Abhängigkeiten würden verringert. Noch immer ist die politischen Abhängigkeit von Russland sehr groß, weil die Ukraine von russischen Lieferungen von Erdöl, Kohle und Uran existenziell abhängig ist und der Erdgasbezug aus der EU indirekt ja doch zum größten Teil von Russland geliefert wird.
Die Ukraine würde mit dem dezentralen Ausbau der Erneuerbaren auch die Armut bekämpfen, viele neue Jobs gerade auf dem Lande schaffen und einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz und Atomausstieg liefern. Doch dies alles wird die Ukraine verfehlen, wenn sie den Wechsel auf Ausschreibungen tatsächlich vollzieht. Denn dann wird es nur wenige große Investitionen im weiterhin korrupten Oligarchensystem geben, aber eben keine flächendeckende demokratische Teilhabe weiter Bevölkerungsschichten. Ich werde mich weiterhin in der Ukraine engagieren, um dort einen Weg zu einer Modernisierung und nachhaltigen demokratischen Entwicklung mit 100 Prozent Erneuerbaren zu schaffen.
— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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Klarer Widerspruch zu diesen Thesen:
Die Windmengen in Deutschland sinken nicht wegen der Ausschreibungen- wer derzeit in der Windausschreibung mit Höchstpreisen sicher einen Zuschlag bekommt wird überfördert wie noch nie zuvor im Windbereich. Schuld am sind die Klageorgien gegen die Windkraftanlagen in Deutschland!
Diese werden von den gleichen Leuten die den sofortigen Kohleausstieg fordern nun bei nahezu jedem Windprojekt angestrengt und blockieren bis zur Entscheidung mal schnell 6 Jahre alles. Diese Anlagen wären auch alle nich in das parlamentarisch festgelegte EEG gegangen, keiner davon denn ohne Genehmigung kann man nicht bauen! Höchste Zeit die Klagewellen per Gesetz einzudämmen.
Die PV- Ausschreibungen in Deutschland funktionieren gut und könnten klug auf die Dächer ausgeweitet werden um endlich die Diskussion auf die Flächenkulissen/ Rahmenbedingungen für Eigenerzeugung/ Quartiersstrom zu lenken. Und dann auch zu lernen was Anlagen im Freiland kosten und was an Gebäuden im Alt- und Neubau. Aber vor allem um endlich diese idologischen Gräben zuzuschütten. Und mit Fug und Recht dann mind. 10 GWp/a an Volumen zu fordern und die notwendigen Flankierungen. All das wird mit der rückwärtgewandten Forderung nach der einst sehr erfolgreichen parlamentarischen Festlegung von einzelnen Vergütungssätzen blockiert für die es nicht einmal bei den GRÜNEN noch Mehrheiten gibt.
Und es ist Zeit den neuen Graben zwischen Umweltschutz und Wind&Solar klar zu benennen. Um dann neue Lösungen zu finden oder auch mal endlich zu entscheiden was man nun will. Was auch bedeutet das es zwischen 18% extremer Landwirtschaftnutzung mit Gift und Dünge für teure Bionergie auf der einen und wesentlich effizienterer, umweltfreundlicher, billiger Wind&Solarenergie auf der anderen Seite keine Solidarität mehr geben wird. Auch wenn das heute noch keiner aussprechen will: Auch das ändert sich sehr schnell.
Ebenso wie die Schreierei nach einer Nachvergütung für 20 Jahre alte Wind- und Solaranlage. Diese ist klar abzulehnen und es sind bereits Gigawattweise alte Anlagen in neue PPA gebunden – diese zahlen ab 2021 auf einen massiv fallenden Strompreis ein- ein brutaler Erfolg der auch einige herausfallende Anlagen verschmerzen lässt. Diese sind schließlich ausfinanziert und wurden massiv gefördert. Wer nach mehr schreit macht uns alle unglaubwürdig. Ich brauche das nicht und lehne es auch ab.
In der Ukraine ist die Absicherung des Länderrisikos wesentlich wichtiger als die Diskussion um eine parlamentarische oder per Ausschreibung fixierte Vergütung. Hier brauchen wir die EU zur Absicherung, dann kann auch investiert und gebaut werden. Oder anders gesagt: EIne Vergütung von der Ukraine ist wenig wert wenn die EU nicht dafür einsteht oder die Kredite gibt
Sehr geehrter Herr Remmers,
ihre Aussagen und reißerischen Behauptungen in den letzten Wochen und Monaten nehmen wir mit Verwunderung zur Kenntnis.
Herr Fell hat zu 100 % Recht wenn er feststellt, dass Ausschreibungen denn Ausbau der erneuerbaren Energien verlangsamen. Als lokaler mittelständischer Elektrofachbetrieb mit der Spezialisierung auf Photovoltaik seit 30 Jahren, haben wir und unsere Kunden im Einfamilienhaus und mittelständischen Gewerbe keine Chance an Ausschreibungen teilzunehmen. Wir können keine PV-Anlagen bauen, die mit 5 ct/kWh Zuschlag aus den Ausschreibungen auskommen. Mit europäischen Modulen und Wechselrichtern sowie vernünftigen Löhnen für Mitarbeiter wird man diese Preise nicht erreichen. Wir können aber nicht für jede 10 kW Anlage prüfen ob der asiatische Hersteller die Qualitätsvorgaben einhält, geschweige das wir überhaupt mit günstigen Modulen bei kleineren Mengen beliefert werden. Herr Fell hat jahrelang erzählt wenn die Grid-Parity erreicht ist wird der Zubau von alleine funktionieren und das gleiche ist es auch mit den PPAs. Der weitere Ausbau von Wind und Sonne wird nicht funktionieren solange der Gesetzgeber sowie die Normung mit allen Mitteln die Errichtung neuer Anlagen behindern.
Wir haben 2016 drei Bürgerwindräder mit insgesamt 8,34 MW in Bayern nach 4 jähriger Planungsphase errichtet. Heute mit den Ausschreibungen würden wir das Risiko nicht mehr eingehen, ohne zu wissen ob wir nach Erhalt der Genehmigung überhaupt eine Vergütung und in welcher Höhe erhalten. Die 90 Bürger haben sich erst nach Genehmigung finanziell beteiligt. Ich gebe Ihnen Recht dass die Genehmigungsverfahren zu aufwendig und die Klagemöglichkeiten zu groß sind. Das hat uns damals nicht gehindert zu bauen, obwohl unser Projekt mit 10 Klagen beklagt war. Die Klagen wurden erst verhandelt, nachdem die Windräder bereits 4 Monate Strom erzeugt haben und alle abgewiesen.
Außerdem frage ich mich wie der Landwirt mit seiner 30 kW PV-Anlage auf der Scheune ein PPA abschließen soll. Bei den PV-Anlagen die in den nächsten Jahren aus der Vergütung fallen, handelt es sich eher um welche mit einer Leistung von 1, 2 oder 5 kW. Diese Anlagen werden bei der Stromerzeugung fehlen sobald Sie z.B. einen defekten Wechselrichter haben und dieser nicht mehr erneuert wird.
Wir haben Ende der 80er und in den 90er Jahren PV-Anlagen ohne EEG errichtet und wissen von damals wie schwierig das ganze ohne vernünftige Rahmenbedingungen ist.
Das heutige EEG wurde von der Komplexität so aufgebläht, dass es wenig mit dem ersten EEG von 2000 gemein hat. Es hat uns noch keiner ein besser funktionierendes Konzept darlegen können, wie der Umbau auf eine dezentrale Energieversorgung ohne EEG bei Erhalt der Akteursvielfalt möglich ist. Nur wenn der Ausbau dezentral und von lokalen Akteuren vorangetrieben wird, wird ein schneller Umstieg auf 100 % Erneuerbare Realität werden.
Es ist ja geradezu peinlich, wie Herr Fell da in der Ukraine unser Land repräsentiert hat.
Das meiste hat Herr Remmers ja schon gesagt. Was beide weggelassen haben: Die Zubauzahlen sind nicht gesunken, weil das Ausschreibungssystem nicht funktionieren würde, sondern aus anderen Gründen. Beim Wind hat Herr Remmers den Grund genannt: Das Problem der Genehmigungen und der geringen Akzeptanz in der Bevölkerung, die zwar einerseits durchaus sauberen Strom haben will, aber nicht bereit ist, die Konsequenz, nämlich Windräder vor jeder Haustür, zu tragen. Ein wohlfeiler Ausweg scheint da die Windkraft im Meer zu sein – mit dem Problem, dass der dort produzierte Strom dann über weite Strecken bis in den Süden der Republik transportiert werden muss, und die dafür nötigen Leitungen sind auch umstritten. Windräder auf dem Meer sind deutlich teurer und die Leitungen kommen noch dazu – man muss es sich leisten wollen.
Bei der PV weiß es doch eigentlich jeder, auch Herr Fell müsste es wissen, offensichtlich verschweigt er es bewußt, oder belügt sich selbst: Die Zubauzahlen sind zurückgegangen, weil die Ausschreibungsmengen so gering angesetzt wurden. Wenn mehr ausgeschrieben würde, würde auch mehr gebaut, ohne dabei wesentlich teurer zu werden. Glaubt der Herr Fell, die Ukrainer wären so blöd, dass sie das nicht auch wüssten? So macht er sich und leider uns alle lächerlich.
Herr Fell ist ein unverbesserlicher Ewiggestriger. Er hängt an Lösungen, die zu seiner Zeit, Anfang der 2000er durchaus geeignet waren, um die Entwicklung anzustoßen. Aber die damals gesetzten Rahmenbedingungen haben nicht mehr funktioniert, als 1. die Zinsen so schnell gesunken sind, dass die Finanzierungskosten, die bis dahin ein wesentlicher Kostenblock waren, plötzlich vernachlässigbar wurden, und 2. die Produktpreise schneller fielen, als vom Gesetzgeber vorhergesehen. Damit stießen die Zubauzahlen in Regionen, die den Verantwortlichen Angst machten, und es war richtig, das System vom starren Degressionsmechanismus auf ein flexibles Ausschreibungssystem umzustellen. Die Fellsche Lösung des freien Zubaus hat sich überlebt, seit der Anteil des regenerativ erzeugten Stroms Jahr für Jahr um im Mittel 2% zunimmt.
Es könnte sogar sein, dass als Marktentwicklungsprogramm ein EEG wie wir es in den 2000ern hatten, vielleicht in abgeschwächter Form, für die Ukraine sinnvoll wäre. Dann sollte man das aber genau so sagen. Der wesentliche Unterschied zu der Situation vor 20 Jahren ist dabei, dass der Markt heute in vielen Ländern voll entwickelt ist, und auch die Ukraine ist über das Anfangsstadium längst hinaus. Für sie geht es darum, zwar einerseits ausländisches Kapital ins Land zu holen, aber sich andererseits nicht abhängig vom Ausland zu machen, weder von Ost noch von West, denn beides ist von Übel. Von der EU oder den USA möchte man auch nicht abhängig sein, wenn man sieht, wie die mit den von ihnen abhängigen umspringen.
Was beide über Ausschreibungen sagen, ist kein Widerspruch. Das System der Ausschreibungen ist deshalb problematisch, weil von staatlicher Seite die Mengen in den einzelnen Ausschreibungsrunden vorgegeben werden – was aber bei allen Arten von Ausschreibungen üblich ist. Das bremst den Zubau aus, nicht die Tatsache, dass die Zuschlagswerte niedrig sind.
Eine Lobby kann so viel stärker Einfluss nehmen auf den Zubau, und das ist in der Ukraine bestimmt ein wichtiger Faktor.
Aber auch in Deutschland müssen wir davon ausgehen, dass die geringen Ausschreibungsvolumina durch Lobbyarbeit festgelegt wurden, denn es deckt sich nicht mit der Notwendigkeit aus politischen Zielen bzgl. EE und CO2-Reduktion.