Die deutschen Wissenschaftsakademien mit ihrem Projekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Deutsche Energie-Agentur (Dena) haben konkrete Empfehlungen für Energiewende und Klimaschutz in Deutschland vorgelegt. Die Experten verlangen von der Politik ein rasches, entschlossenes Handeln. Bereits in den kommenden Monaten solle ein umfassendes Maßnahmenpaket den Grundstein für umfangreiche Investitionen legen. Verzögerungen würden dazu führen, dass die Kosten deutlich steigen und zentrale Technologien und Infrastrukturen nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen. Die Institutionen haben bereits unabhängig voneinander mehrere Grundsatzstudien zur Machbarkeit der Energiewende vorgelegt.
So fordern Akademien, BDI und Dena, den jährlichen Nettozubau der erneuerbaren Energien auf mindestens sechs Gigawatt zu steigern. Wie stark der Zubau konkret sein muss, um die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren – darin unterscheiden sich Grundsatzstudien allerdings. ESYS fordert bis 2050 (für eine Reduktion um 85 bis 90 Prozent) 348 bis 601 Gigawatt, Dena 303 bis 377 Gigawatt, BDI 249 bis 292 Gigawatt. Heute sind rund 120 Gigawatt installiert. Nimmt man zum Beispiel einen nötigen Zubau auf 350 Gigawatt an, müssen jährlich fast elf Gigawatt Leistung dazu kommen.
„Ein schneller Ausbau der Erneuerbaren ist eine grundlegende Voraussetzung, um das Energiesystem klimafreundlich und Strom zum dominierenden Energieträger zu machen“, erklärt Eberhard Umbach, Mitglied des ESYS-Direktoriums. Um die schwankende Stromerzeugung auszugleichen, brauche es vielfältige Technologien für kurzfristige Flexibilität – von Batterien in Elektroautos und Wärmepumpen über thermische Speicher und Power-to-X-Anlagen bis zum Demand Side Management. „Dennoch kommt auch das Energiesystem der Zukunft nicht ohne Reservekapazitäten aus. Flexibel regelbare Gaskraftwerke und Gasturbinen müssen die Versorgung in allen Wetterlagen und zu allen Jahreszeiten sichern“, ist Umbach überzeugt.
Akademien, BDI und Dena empfehlen der Bundesregierung zudem, noch in dieser Legislaturperiode das bestehende System an Energie-Steuern, -Abgaben und -Umlagen zu überarbeiten. Im Mittelpunkt einer solchen Reform sollten CO2-orientierte Preissignale für alle Sektoren stehen, auch für solche außerhalb des EU-Emissionshandels wie Wärme und Verkehr. „Wenn die Politik jetzt die Rahmenbedingungen entsprechend überarbeitet, das System an Steuern, Abgaben und Umlagen eindeutiger auf Klimaschutz ausrichtet und damit einen fairen Wettbewerb für CO2-sparende Technologien ermöglicht, wird das eine enorme Dynamik freisetzen“, erklärt Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Dena-Geschäftsführung.
Dazu gehöre auch der Aufbau eines Marktes für erneuerbare synthetische Energieträger – in Deutschland und global. „Sie können die Lücke schließen, die nicht durch Energieeffizienz oder die direkte Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien abgedeckt werden kann“, sagt Kuhlmann. Akademien, BDI und Dena weisen darauf hin, dass Deutschland zum Erreichen seiner Klimaziele im Jahr 2050 erneuerbare synthetische Energieträger im Umfang von 200 bis zu 900 Terawattstunden benötigt. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 lag der gesamte Primärenergieverbrauch der Bundesrepublik bei rund 3800 Terawattstunden.
Darüber hinaus fordern die Experten einen beschleunigten Netzausbau und eine Erhöhung der Rate energetischer Sanierungen von heute einem Prozent auf mindestens 1,4 bis 2,0 Prozent. „Im Gebäudesektor muss die energetische Sanierung schneller, umfangreicher und besser vorankommen. Dafür ist eine attraktive steuerliche Förderung der zentrale benötigte Impuls“, sagt Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer. Lösch betont zudem, dass das Abscheiden und Endlagern von Kohlendioxid (Carbon Capture Storage, kurz CCS) aus heutiger Sicht eine erforderliche Ergänzung sei, um ambitionierte Klimaziele zu erreichen.
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