Als die Solarexperten Timo Leukefeld und Stephan Riedel vor gut sechs Jahren zwei Einfamilienhäuser im sächsischen Freiberg planten, verfolgten sie hohe Ziele: Der Strombedarf sollte zu hundert Prozent aus Photovoltaik und der Wärmebedarf zu 65 Prozent aus Solarthermie gedeckt werden. In eines der Häuser zog Leukefeld 2013 mit seiner Familie ein, das andere bezog er als Büro für seine Firma. Die Bauherren beauftragen die Technische Universität Freiberg, Energieerzeugung und -verbrauch zu messen. Nun liegen die Ergebnisse des Monitorings vor. Danach erzielten Leukefeld und Riedel mit ihrer Simulation eine Punktlandung: Die Photovoltaikanlagen deckten 2016 99,6 Prozent des Bedarfs, die Solarthermie-Kollektoren 69 Prozent. „Unser Wohnhaus ist das Haus in Deutschland, das mit Abstand die höchste solare Deckung in der Wärme- und Stromversorgung hat – und das wissenschaftlich belegt“, freut sich Leukefeld.
Nicht nur die hohen Autarkiegrade stimmen Leukefeld zufrieden, sondern auch die Tatsache, dass die von ihm simulierten Werte für die solare Energieversorgung fast exakt eingetroffen sind. „Das ist oft nicht der Fall, und wenn große Differenzen dann auch noch bei Prestigeprojekten auftreten, ist es umso kontraproduktiver. Damit wird viel Vertrauen in die Möglichkeiten der Solartechnik zerstört“, sagt Leukefeld. Er spielt damit auf das „Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität“ an, das Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) 2011 in Berlin eingeweiht hatte. Hier lagen die Prognosen und die Messwerte weit auseinander.
Die Freiberger Einfamilienhäuser haben eine Wohnfläche von jeweils 162 Quadratmetern. Die Photovoltaik-Anlage hat eine Leistung von 8,4 Kilowatt. Blei-Gel-Akkus mit 58 Kilowattstunden Speicherkapazität nehmen den Solarstrom auf, der gerade nicht direkt im Haus verbraucht werden kann. Zudem sind 46 Quadratmeter Solarkollektoren installiert. Der Langzeitwärmespeicher hat ein Fassungsvermögen von 9,1 Kubikmeter. Ein Kamin mit 25 Kilowatt Leistung steht für die Nachheizung bereit.
Die angestrebte hundertprozentige Stromautarkie wurde in den ersten zwei Jahren unter anderem aufgrund unterdurchschnittlicher Einstrahlungswerte und einiger technischer Defekte knapp verfehlt. Mit dem solaren Deckungsgrad von 99,6 Prozent wurde sie im Jahr 2016 dann aber fast erreicht. Im Wohnhaus wurden zwischen 2.065 bis 2.245 Kilowattstunden Strom pro Jahr verbraucht – nicht viel für einen fünfköpfigen Haushalt. Die Photovoltaik-Anlage liefert auch Energie für das Elektroauto der Familie, die damit rund 7.000 Kilometer im Jahr fährt. In zehn bis elf Monaten tankt sie ausschließlich Solarstrom.
„Wir wollten Klimaschutz im Bauen und Wohnen durch ein neues solarbasiertes Konzept attraktiv machen“, erklärt Leukefeld. „Die heute üblichen Ansätze sind Gängelei: Wir sollen die Fenster geschlossen halten, die Temperatur herunterregeln und das Licht ausschalten, um Energie zu sparen. So wird keine Lust am Energiesparen geweckt. Mit unserem Konzept der energieautarken Gebäude ermöglichen wir intelligentes Verschwenden anstatt blödem Sparen – dank Solarenergie.“
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Interessant, dass hier Blei-Gel eingesetzt wird, hat es ein besondere Grund?
im Jahr 2012 (Planungsjahr) – waren diese einfach in der Kosten-Leistungsanalyse die günstigsten.
Selten so einen blöden Spruch gelesen: “ Mit unserem Konzept der energieautarken Gebäude ermöglichen wir intelligentes Verschwenden anstatt blödem Sparen – dank Solarenergie.“
Am Satz: “ Mit unserem Konzept der energieautarken Gebäude ermöglichen wir intelligentes Verschwenden anstatt blödem Sparen – dank Solarenergie“ haben sich schon viele gestört.
Interessanterweise durfte ich das Konzept und Prof. Leukefeld auf dem Cradle to Cradle Kongress 2016 in Lüneburg erleben – bei 08:40 beginnt Leukefeld mit seinem Vortrag: https://www.youtube.com/watch?v=uP40yPo2p8Q&t=1245s
Der Cradle to Cradle – Ansatz (kurz: C2C; deutsch: Von der Wiege zur Wiege), bedeutet Produkte in hochwertigen stofflichen Kreisläufen zu planen. Damit wird ein Schwerpunkt bei konsistenten Kreisläufen gelegt und nicht nur auf Sparen und Verzichten gesetzt.
Um konsistent umweltgerecht zu sein, muss die Produktion und hochwertiges Recycling (Upcycling) mit erneuerbaren Energien erfolgen!
„Intelligente Verschwenden“ ist auch der deutsche Buchtitel der Cradle to Cradle Erfinder Michael Braungart und William McDonough und stellt sich etwas provokant gegen die beiden Nachhaltigkeitssäulen von und Effizienz („Presse technisch raus, was geht“) und Suffizienz („Verzichte wo es geht“). (PS: Wie weit hat uns die 40jährige Ökodebatte gebracht?)
„Intelligente Verschwendung“ ist natürlich „nicht die Aufforderung blöde zu sein“ [Zitat, Braungart]
Leukefeld bringt das beste Beispiel: Wenn er in den Häusern genug Sommerwärme im Speicher hat, kann er verschwenderisch damit umgehen und sich im Winter im T-Shirt durchs Haus bewegen.
Da eine Säule von ‚Cradle to Cradle‘ die erneuerbaren Energien sind, bin ich dem PV-Magazin mit seinem PODCAST! dankbar, wertvolle Informationen zu bekommen.
Vermute da gibt es einen Tippfehler.
Es geht um intelligentes Verwenden, nicht verschwenden bzw. dieser unklare Ausdruck soll andeuten, dass man auch Energie verlieren darf, wenn sie intelligent stimmig erzeugt und genutzt wird und dafür kein übertriebenes Einsparen nötig ist.
Okay, das war nun etwas lang formuliert.
Energieeffizienz ist jedenfalls der Wert, bei einsparen Freiheit lassen.
Im Prinzip geht das schon in die richtige Richtung mit viel Kollektoren auf dem Dach und einem kleinen Wärmespeicher. Ärgerlich ist natürlich die Kombinationen von großen Sprüchen, sich in die Tasche lügen, Verächtlichmachung von vernünftigen Maßnahmen, Fehlern im Detail und nicht für die Allgemeinheit tauglichen teuren Lösungen.
Die großen Sprüche sind fehl am Platze, weil es schon viele Null-Energiehäuser gibt. Und darunter sind tatsächlich autarke Häuser, die also keine Netzverbindung haben.
In die Tasche lügt er sich, weil er behauptet, er würde seinen Strom zu (nahezu 100%) selbst erzeugen. Den Strom erzeugt er im Sommer, verbrauchen tut er ihn im Winter. Speichern tut ihn keiner, sondern im Sommer erspart er durch Einspeisung fossilen Kraftwerken die Arbeit, im Winter braucht er sie aber. Das dann auch noch als „autark“ zu bezeichnen, ist schon eine ziemliche Frechheit.
Energieeffizienzmaßnahmen sind natürlich immer sinnvoll, wenn man darunter das richtige versteht. Ein Kaminofen ist es natürlich nicht – der verschmutzt die Luft, ist ein Luxus und verbraucht Holz, das nur zur Verfügung steht, wenn nicht jeder, der ein schlecht gedämmtes Haus hat, darauf angewiesen ist. Die Effizienzmaßnahme Hausdämmung, mit der man den Energiebedarf auf ein Viertel des gegenwärtig staatlich geforderten Niveaus senkt (Passivhaus), ist also unverzichtbar.
Als Fehler im Detail erscheint es mir, wenn man die PV-Module um den Kamin herum legt, wo sie zeitweise verschattet sind, für die Solarthermie aber den Dachbereich reserviert, wo man keine Verschattung hat. Obwohl die viel weniger unter partieller Verschattung leidet. Vielleicht habe ich da das Photo aber falsch interpretiert, und die PV-Module sind unten und die kleinen quadratischen Platten oben sind solarthermische Module? Eher unwahrscheinlich.
Insgesamt ist diese Lösung keine für die Allgemeinheit taugliche. Echte Strom-Autarkie ist sehr teuer und wird das wohl auch bleiben. Wenn man auf Biomasse zurückgreifen will für die Hausheizung, dann darf der Wärmebedarf nur ganz klein sein, wenn es für alle reichen soll. Besser ist eine Quartierslösung, bei der ein größerer Wärmespeicher solare Wärme saisonal speichert. Das ist nach gegenwärtigen Preisen nur geringfügig teuerer, aber völlig abgasfrei und im Quartier auch autark.
@TBK:
Eigentlich könnte sich ja der Verfasser des Artikels, Ralph Diermann, bemüßigt fühlen zu erklären, was er sich bei seiner Wortwahl gedacht hat.
Unnötigen Verbrauch zu vermeiden ist jedenfalls ebenso wichtig wie Energieeffizienz. Sonst werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen können.
Danke JCW! Guter Kommentar!
@ JCW und A.K.:
– Die Autarkie ist nicht Bilanziell über das Jahr gerechnet sondern gilt für das Haus zu jedem Zeitpunkt. Die 99,6% errechnen sich aus den im Jahr 2016 „zugekauften“ Strom aus dem öffentlichen Netz von ca. 10 kWh.
– Solarthermiemodule sind oben und tauen idealerweise dardurch im Winter die unten liegenden PV-Module mit frei
Strom wird in einem Akku gespeichert
– die 100% Autarkie ist in Deutschland sicherlich sehr grenzwertig – da teuer
– aber ein großer Anteil ist problemlos auch mit kleineren Akku-Speichern machbar.
weitere Details finden sie unter: https://www.tib.eu/de/suchen/id/TIBKAT%3A1041149514/EAHplus-Monitoring-Wissenschaftliche-Begleitforschung/