Die EU-Kommission hat am Mittwoch einen neuen Plan verabschiedet, mit dem Europa bis 2050 klimaneutral werden soll. Es handele sich um „eine strategische, langfristige Vision für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft“, heißt es aus Brüssel. Die Strategie trägt den ambitionierten Titel „Ein sauberer Planet für alle“, ohne jedoch konkret zu werden.
Mit dem Plan will die EU-Kommission aufzeigen, wie die Erderwärmung auf einem Niveau von 1,5 Grad Celsius begrenzt und die Klimaziele von Paris erreicht werden könnten. „Die EU hat bereits damit begonnen, ihre Wirtschaft zu modernisieren und in eine klimaneutrale Wirtschaft umzuwandeln. Heute intensivieren wir unsere Anstrengungen und schlagen eine Strategie vor, mit der Europa als erster großer Wirtschaftsraum weltweit bis 2050 Klimaneutralität erreichen kann“, erklärte Miguel Arias Canete, EU-Kommissar für Klimapolitik und Energie. Aus seiner Sicht ist die Klimaneutralität unerlässlich, machbar und im Interesse Europas. Dabei müsse der Kontinent vor allem auf die Technologien setzen, die heute verfügbar oder beinah einsatzreif seien. „Es liegt im Interesse Europas, kein Geld mehr für die Einfuhr von fossilen Brennstoffen auszugeben und stattdessen in sinnvolle Verbesserungen des Alltags aller Europäer zu investieren“, sagte Canete weiter.
Das größte CO2-Reduktionspotenzial sieht die EU-Kommission im Stromsektor. Er könnte bis 2050 nahezu vollständig CO2-frei sein. Auch die fossilen Brennstoffe im Verkehrs- und Wärmesektor könnten zumindest teilweise durch Strom ersetzt werden, wobei dieser vornehmlich aus Photovoltaik, Windkraft und Co. erzeugt werden sollte. Daneben setzt Brüssel aber auch auf andere emissionsarme Quelle, wozu es AKW und fossile Kraftstoffe mit CCS-Technologie zählt. Zudem seien hohe Investitionen in intelligente Netze notwendig.
Mit ihrer Klimastrategie reagiert die EU-Kommission auf eine Aufforderung des Rates vom März 2018. Zugleich betont Brüssel, dass es nicht Zweck der langfristigen Strategie sei, Zielwerte vorzugeben. Es gehe vielmehr um „eine Vision und Orientierung“ für Akteure, Forscher, Unternehmen und Bürger. Es werden dabei verschiedene Optionen für die Mitgliedsstaaten betrachtet, wie diese zur Modernisierung der EU-Wirtschaft beitragen und deren Wettbewerbsfähigkeit an den Weltmärkten verbessern könnten. „Für den Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft sind gemeinsame Maßnahmen in sieben strategischen Bereichen erforderlich: Energieeffizienz, Nutzung erneuerbarer Energien, saubere, sichere und vernetzte Mobilität, wettbewerbsfähige Industrie und Kreislaufwirtschaft, Infrastruktur und Netzverbindungen, Biowirtschaft und natürliche CO2-Senken sowie CO2-Abscheidung und -Speicherung für die verbleibenden Emissionen“, heißt es von der EU-Kommission weiter. In einem nächsten Schritt werden das Europäische Parlament, der Europäische Rat sowie einige Ausschüsse der EU beauftragt, die Vision zu prüfen. Am 9. Mai 2019 sollen der Staats- und Regierungschef der Mitgliedsstaaten darüber beraten. Bis zum Jahresende sind die Länder auch aufgefordert, einen Entwurf ihrer Klima- und Energiepläne vorzulegen, die Wege zur Verwirklichung der klima- und energiepolitischen Ziele für 2030 aufzeigen sollen.
Nach Ansicht des Bundesverbands Erneuerbare Energie greift der Plan der EU-Kommission viel zu kurz. „Die Langfrist-Strategie soll wegweisend für die Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft bis zum Jahr 2050 sein und den Emissionsausstoß soweit reduzieren, dass die Pariser Klimaschutzbeschlüsse – den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter 2°C zu begrenzen – erreicht werden. Der heute vorgelegte Entwurf wird dieser Zielsetzung nicht gerecht“, kritisiert BEE-Präsidentin Simone Peter. Sie plädiert für konkrete Vorgaben. „Ohne ambitionierte Meilensteine für die Jahre 2030 und 2040 ist die Gefahr groß, dass das 2050-Ziel am Schluss nur ein Lippenbekenntnis bleibt“, so die BEE-Präsidentin weiter.
Der rasche Umstieg auf erneuerbare Energien sei zwingend. Sie alleine hätten im Jahr 2017 etwa 177 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente in Deutschland eingespart. Zudem seien die Erneuerbaren eine große Chance zur Modernisierung der europäischen Volkswirtschaften. Zusätzlich zu den bestehenden Jobs böten die zukunftsgerichteten Industrien in Europa das Potenzial für ein bis zwei Millionen Arbeitsplätze bis 2030. „Erneuerbare Energien sind heute schon fast überall die kostengünstigste Option für neu-installierte Kapazitäten, in einigen Ländern sind sie sogar heute schon günstiger als bestehende fossile Kraftwerkwerke. Erneuerbare Energien-Technologien werden weiter dazu beitragen, Europas Innovationspotenzial zu heben und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern“, so Peter weiter.
Diesbezüglich hält Peter den Ansatz der EU-Kommission für richtig. Die EU-Kommission gehe zudem zu Recht davon aus, dass ein starker Ausbau erneuerbarer Energien zur EU-weiten Einsparung von Energieimporten in Höhe von einigen Billionen Euro führen würde. Eine zielstrebig verfolgte Energiewende begrenze die Folgen des Klimawandels und verbessere die Luftqualität – und somit die Lebensqualität der Menschen, so Peter weiter.
Greenpeace weist zudem darauf hin, dass die Bundesregierung nicht nur die eigenen Klimaziele 2020 zu verfehlen droht. „Bis heute hat sich Angela Merkels Regierung noch immer keine Klimaziele gesetzt, die dem Abkommen von Paris entsprechen. Wegen dieser politischen Mutlosigkeit muss die Kohlekommission vertagt werden, und die Umweltministerin muss kommende Woche mit leeren Händen zur Weltklimakonferenz nach Polen reisen“, erklärt Stefan Krug, Leiter der Politischen Vertretung von Greenpeace. In Katowice soll es ab Montag darum gehen, wie die in Paris ausgehandelten Ziele konkret erreicht werden können.
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Das ist schon interessant und eine gute Nachricht aus Brüssel.
Natürlich noch viel zu ungenau und auch das Setzen auf eine massive Beschleunigung nach 2040 ist schwierig.
Dennoch ist es eine weitere Ohrfeige für die aktuelle Bundesregierung und den amüsant/ redseligen aber leider vollkommen desinteressierten Wirtschaftsminister. Schwacher Trost das Altmaier ja in allen Segmenten nur „Spaß am Regieren“ haben will und es halt im Detail mal Mut oder Kraft braucht kommt nix. Im Gegenteil: Aus welchen Ängsten auch immer wird munter gebremst und auch in den Regierungsfraktionen findet sich bisher niemand mit Gewicht der (oder die) Energiewende eben ohne wenn und Aber durchzieht und vordenkt. Ist seit dem Tod von Herrmann Scheer und dem nicht nachvollziehbaren Abschuss von Hans- Josef Fell durch die GRÜNE Partei aber Leider so. Kann aber ja wieder anders werden, die EU ist nun mit dem 32% Ziel 2030 und dem neuen Papier weiter als die noch regierende „Klimakanzlerin“ die seit 2015 halt nur noch eine „Flüchtlingskanzlerin“ ist.
Auch bei der EU weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut: Der eine verlangt mehr Erneuerbare, der andere will, dass Einspeisevergütungen gesenkt werden, weil er die aktuellen für eine „Überförderung“ hält. Und um das Konstrukt der garantierten Einspeisevergütung musste Deutschland schon hart genug kämpfen. Subventionen für energieintensive Industrien in Form von weitgehendem Erlass der EEG-Zulage wird hingegen wieder fast widerspruchslos toleriert, statt zu verlangen, dass die wenigstens in einer Höhe zu bezahlen ist, die dem Sinken der Börsenpreise entspricht. Was letztlich als Ergebnis dieser wiedersprüchlichen Politik rauskommt sind auf der Seite der Erneuerbaren schöne Worte und auf der Seite der Großindustrie satte Gewinne und weiterwurschteln im alten Dreck. Dieser Dreck hat bei den Altparteien einfach die bessere Lobby, so dass alles, was die Erneuerbaren behindern kann, auf offene Ohren stößt, was sie fördern würde (z.B. die EEG-Zulagebefreiung für Eigenverbrauchsanlagen bis 30kWp) aber völlig ignoriert oder auf den St-Nimmerleinstag verschoben wird.
Der Vollständigkeit möchte ich noch darauf hinweisen, dass hier „fördern“ im richtigen Sinne gebraucht wird, und nicht wie von vielen leider falsch verstanden im Sinne von „subventionieren“. Gefördert werden müssen die Erneuerbaren immer, wie Krankenhäuser, Schulen, Straßen, die Wasserversorgung und die Kultur. Subventionen sind nur notwendig, wenn die Privatwirtschaft etwas nicht betreiben will, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen, beispielsweise schnelles Internet auf dem Land. Für die Erneuerbaren haben die Rahmenbedingungen aber gestimmt. Subventionen brauchen sie deshalb keine, aber gefördert müssen sie natürlich werden, so wie die Braunkohletagebaue ehedem ganz selbstverständlich durch Enteignungen oder Verlegung von Autobahnen gefördert wurden, oder die Steinkohle durch den Kohlepfennig.
JCW
Subventionen für energieintensive Industrien in Form von weitgehendem Erlass der EEG-Zulage wird hingegen wieder fast widerspruchslos toleriert, statt zu verlangen, dass die wenigstens in einer Höhe zu bezahlen ist, die dem Sinken der Börsenpreise entspricht..
@JCW
Das System ist natürlich seit 2010 auch so geschickt konstruiert, dass den verantwortlichen Politikern gar nicht so leicht auffällt, dass mit sinkenden Börsenpreisen der energieintensiven Industrie ein doppeltes Geschenk gemacht wird. Nicht nur, dass die weitgehend von der Umlage befreit sind, können die bei sinkenden Börsenpreisen, auch noch direkt an der Strombörse billig einkaufen.
Für die Verbraucher ist das paradoxe System seit 2010 gerade umgekehrt, die müssen bei sinkenden Börsenpreise höhere Umlage bezahlen.