Matthias Haag ist ein Getriebener und trotzdem ganz schön entspannt. „Wir sind gezwungen, immer neue Innovationen zu bringen“, sagt er. Was er und sein Team jetzt vorgelegt haben, verschafft ihm ein Dreivierteljahr, vielleicht sogar ein ganzes Jahr Vorsprung, schätzt der CTO von Kaco New Energy.
Wie etliche andere Hersteller beschloss Kaco, ein neues Gerät im Segment größere Stringwechselrichter zu entwickeln, das die Lücke zu Zentralwechselrichtern schließt. Das war vor drei Jahren. Jetzt kommt das Gerät unter dem Namen Blueplanet 125 TL3 auf den Markt. Die Vorgaben, die sich die Ingenieure gaben, erschienen damals ehrgeizig. Die Leistung sollte über 100 Kilowatt liegen. Trotzdem sollte er nicht mehr als 80 Kilogramm wiegen. „Denn wenn man ihn in abgelegenen Regionen installiert, soll man ihn zu zweit tragen und aufhängen können“, sagt Haag.
Es gibt mehrere Konzepte, dieses Ziel zu erreichen. Eines besteht darin, als Halbleiter für die elektronischen Schalter Siliziumkarbid statt Silizium zu verwenden. Das Konzept ist schon seit längerem bekannt und das Fraunhofer ISE hat bereits 2010 ein entsprechendes Labormuster vorgestellt. Auf der Intersolar 2012 hat Refusol auch bereits ein solches Gerät ausgestellt. Doch die Beschaffung der Siliziumkarbid-Bauteile galt lange als zu unsicher und viel zu teuer. Das ändert sich gerade, da auch für Anwendungen im Elektroauto Siliziumkarbid nachgefragt wird und die Stückzahlen steigen.
pv magazine top business model und top innovation
Kaco – Siliziumkarbid für kleinen und leichten Stringwechselrichter
Über Siliziumkarbid als alternatives Halbleitermaterial für String-Wechselrichter wird schon länger diskutiert. Es gab auch schon mal das ein oder andere Gerät mit dieser Technologie. Kaco New Energy hat nun ein Produkt vorgestellt, das es in größeren Stückzahlen herstellen will. Das ist kein Selbstzweck, sondern erlaubt, ein leistungsstarkes, leichtes und kleines Gerät mit 125 Kilowatt Leistung zu bauen, das vergleichsweise wenig Bauteile benötigt. Der neue Halbleiter liegt im Trend und wird vermutlich in Zukunft weitere Kostensenkungen erlauben. Ebenso die relativ neue Stringwechselrichterklasse über 100 Kilowatt. Das hat die Jury überzeugt, dem Produkt das Prädikat „pv magazine top innovation“ zu verleihen.
pv magazine vergibt die Prädikate „top business model“ und „top innovation“ seit vier Jahren vierteljärlich. Die Gewinner werden automatisch Kandidaten für den allumfassenden internationalen pv magazine award, den wir Ende des Jahres vergeben.
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Die Juroren für „top business model“ und „top innovation“: Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin. Hans Urban, Experte und Berater für Photovoltaik, Speichertechnik und E-Mobilität. Er berät Schletter, Maxsolar und Smart Power. Winfried Wahl, Solarexperte und Leiter des Produktmanagements bei Longi Solar in Deutschland.
Der Einsendeschluss für die nächste Runde ist am 25. Januar 2019 (bitte unformal per Email an awards@pv-magazine.com)
Kaco hat jetzt als einer der ersten Hersteller ein Serienprodukt auf Siliziumkarbid-Basis vorgestellt. In 2019 soll der neue Wechselrichter bereits mit fünfstelliger Stückzahl ausgeliefert werden. Da dieser Schritt nötig ist, um die Innovation in die Praxis zu bringen, die in Zukunft Solarenergie günstiger und leichter zu implementieren macht, erhält das Produkt die Auszeichnung pv magazine top innovation.
Wie die Innovation begann
Seit fünf Jahren arbeiten die Kaco-Ingenieure in einem Forschungsprojekt mit Siliziumkarbid-Mosfet-Schaltern. Als die Entwicklung für das neue Gerät begann, setzten sie schließlich auf die neue Technologie. „Früher waren Siliziumkarbid-Bauteile bis zu zehnmal so teuer wie die entsprechenden Silizium-Bauteile“, erklärt Haag. Jetzt sind die Preise um 30 bis 50 Prozent gefallen. Der noch bestehende Preisunterschied lässt sich dadurch ausgleichen, dass an anderen Stellen Kosten eingespart werden können.
Bei der neuen Entwicklung war Infineon für das Modul mit den Halbleiterbauelementen verantwortlich. Kaco kümmerte sich um die optimale Anordnung auf der Leiterplatte, für die Verschaltung mit den Drosselspulen und die Vermessung der Baumuster. Die wahre Kunst sei, wie man die hohe Leistung über die Leiterplatte führe, sagt Haag. In zwei Schaltermodulen, jedes ungefähr so groß wie ein halbes iPhone, laufen immerhin zusammen über 130 Ampere zusammen. Die Komplexität beim Schaltungsaufbau ist auch darin begründet, dass Siliziumkarbid seine Stärken nur ausspielen kann, wenn die Schaltfrequenz des Wechselrichters besonders hoch liegt.
Das neue Gerät zerhackt den Gleichstrom nun mit 48 Kilohertz, bevor es daraus mit Hilfe der Drosselspulen eine glatte 50-Hertz-Sinus-Wechselspannung erzeugt. Durch die hohe Taktfrequenz komme es zu neuen Phänomenen, sagt Haag. Wenn Leiterbahnen nicht optimal angeordnet sind, treten Störungen auf, da sich die Leiterbahnen bei der Frequenz wie kleine Antennen verhalten. Die Frequenz ist absichtlich mit 48 Kilohertz gewählt, da so auch die dritte harmonische Oberwelle unter 150 Kilohertz liegt. Das macht es einfacher, die Richtlinien zur elektromagnetischen Verträglichkeit einzuhalten. Die hohe Schaltfrequenz erlaubt es, die Drosselspulen kleiner zu dimensionieren als bei Geräten mit niedrigerer Frequenz, so dass sie weniger als die Hälfte wiegen und nur etwas mehr als die Hälfte kosten als in einem entsprechenden Wechselrichter mit der für Siliziumbauteile üblichen Taktfrequenz. Da außerdem die Verluste im Siliziumkarbid kleiner sind als im Silizium, muss weniger Verlustwärme abgeführt werden, so dass auch der Kühlkörper schrumpft. Das zusammen erlaubt es, das Gehäuse kleiner zu wählen. Wie relevant das ist, zeigt sich daran, dass Drosseln, Kühlkörper und Gehäuse immer noch mehr als die Hälfte des Gesamtgewichts ausmachen.
Trend in der ganzen Industrie
Die Konkurrenz schläft nicht. Da Infineon das Schaltermodul nun auch an andere Hersteller verkaufen darf, muss Kaco sich sputen und seinen Entwicklungsvorteil nutzen. Da es für Wechselrichterhersteller aber nicht damit getan ist, nur das Schaltermodul von Infineon zu kaufen, sondern sie eben auch das Leiterplattenlayout entwickeln müssen, verbleiben Kaco nach eigener Einschätzung grob neun bis zwölf Monate.
SMA hat bereits angekündigt, Anfang 2019 ein Siliziumkarbid-Gerät auf den Markt zu bringen. In den letzten zehn Jahren hat der Wechselrichterhersteller aus Niestetal nach eigener Aussage schon Hunderte Prototypen mit dem neuen Halbleiter aufgebaut und viele Langzeittests durchgeführt. Diese seien notwendig gewesen, da die Zuverlässigkeit der Siliziumkarbid-Mosfets früher skeptisch beurteilt worden sei. 2012 habe es sogar eine Kleinserie mit der Technologie gegeben. Das sei damals aber nicht wirtschaftlich gewesen.
In Zukunft wird der Vorteil der Siliziumkarbid-Technologie vermutlich noch größer werden. „Sie hat mehr Entwicklungspotenzial“, sagt Haag. „Während Siliziumhalbleiter seit 30 Jahren viele Optimierungsschritte durchlaufen haben, ist die Lernkurve bei Siliziumkarbid noch am Anfang und das Kostensenkungspotenzial ist größer.“ Außerdem spielt die höhere Spannungsfestigkeit, die Siliziumkarbid im Vergleich zu Siliziumhalbleitern haben, bei 1.500-Volt-Systemen eine größere Rolle. Deren Marktanteil wird vermutlich zunehmen.
Es gibt nun viele zuverlässige Bezugsquellen für Siliziumkarbid-Mosfets aus Europa, USA und Asien, schreibt Andreas Hensel, am Fraunhofer ISE Leiter des Teams, das sich mit Leistungselektronik für die Mittelspannung beschäftigt. Die Größe der Siliziumkarbid-Wafer sei in der Produktion von vier Zoll auf sechs Zoll gewachsen. Aktuell gebe es sogar schon erste Ansätze zur Entwicklung von 8-Zoll-Wafern. Dies alles seien klare Schritte zur Massenproduktion und damit zur fortlaufenden Kostenreduktion der Siliziumkarbid-Bauelemente. Nach seiner Einschätzung wird sich die Siliziumkarbid-Technologie überall dort durchsetzen und ein fester Marktbestandteil werden, wo ein hoher Wirkungsgrad und kompakte Bauweise aus System- und Kostensicht maßgebend sind.
Andere Ansätze
Es gibt allerdings auch andere Ansätze, die Zielvorgaben einzuhalten, die sich Kaco gesetzt und mit dem neuen Gerät erreicht hat. Auch mit Siliziumhalbleitern lassen sich die Frequenz erhöhen und das Gewicht reduzieren. Das zeigt zum Beispiel der Wechselrichter von Sungrow, der auch was Gewicht und Volumen angeht, vergleichbar ist (siehe Tabelle). „Wir nutzen eine 5-Level-Topologie“, teilt Sungrow mit. Das Unternehmen teilt mit, es optimiere bereits die Leistung, den Wirkungsgrad und die Abführung der Verlustwärme.
Kaco-CTO Haag sieht den Vorteil von Siliziumkarbid darin, dass dadurch eine Topologie möglich werde, die weniger Schalter und Komponenten benötigt als eine 5-Level-Topologie. Das reduziere das Ausfallrisiko und führe zu einer höheren thermischen Belastbarkeit. Das sehe man zum Beispiel daran, dass das Derating von Siliziumkarbid-Geräten geringer sei, also der Wirkungsgradrückgang bei steigenden Betriebstemperaturen. Je nach Einsatzort kann das zu einem höheren Ertrag führen. Außerdem sei der Wirkungsgrad grundsätzlich höher. In dem Datenblattvergleich in der Tabelle schneidet das Kaco-Gerät in Bezug auf den Wirkungsgrad auch am besten ab.
ABB hat nach eigenen Angaben auch schon Stringwechselrichter mit Siliziumkarbid-Technologie im Angebot, unter anderem die auch dieses Jahr vorgestellten Stringwechselrichter PVS-175 und PVS-100/120 mit über 100 Kilowatt Leistung. „Schon seit einigen Jahren wird Siliziumkarbid genutzt“, sagt der Leiter des Produktmanagements Leonardo Botti. In dem Vergleich fallen einige grundsätzliche Differenzen zwischen den Geräten auf. Das 175-Kilowatt-ABB-Gerät erlaubt eine Nenn-Ausgangsspannung von 800 Volt und hat zwölf MPP-Tracker. Die anderen Geräte haben maximal 600 Volt AC-Ausgangsspannung und nur einen MPP-Tracker.
Wie viele MPP-Tracker man einsetzt, ist teilweise auch eine Philosophiefrage. Kaco verweist auf eine Untersuchung, die es zusammen mit dem Fraunhofer ISE durchführen würde, um seinen Ansatz zu begründen, mit nur einem MPP-Tracker zu arbeiten. Nach der Studie führen mehr MPP-Tracker in den großen Anlagen auf der Freifläche oder großen Hallendächern nicht zu einem höheren Ertrag, es sei denn, es kommt zu sehr unterschiedlichen Verschattungssituationen. Was man durch die Optimierung des Arbeitspunktes erreiche, geht laut Haag durch die höheren Verluste in der Leistungselektronik teilweise wieder verloren. Wenn die zusätzlichen MPP-Tracker und die höhere Ausgangsspannung nur mit weiteren Hochsetzstellern erreicht werden kann, benötigt man außerdem mehr Komponenten.
Kaco ist der Auffassung, dass mehr Komponenten auf Kosten des Wirkungsgrades und der Zuverlässigkeit gehen, und hat die Philosophie, die Geräte möglichst einfach zu halten. Das ist für das Unternehmen ja auch einer der Gründe, jetzt Siliziumkarbid-Mosfets einzusetzen.
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