“Europas Augen auf die Erde” – so lautet das Motto des Erdbeobachtungsprogramms „Copernicus“ der Europäischen Union. „Copernicus“ operiert bislang mit sechs eigenen und sechzig Satelliten aus kooperierenden Staaten und umfasst Daten aus bereits existierenden Missionen. Eines der erklärten Ziele des EU-Programms ist es, für Investoren in erneuerbare Energien verlässliche und konsistente Daten zu schaffen. „Mit dem Copernicus Atmosphere Monitoring Service – kurz CAMS – stellen wir genaue Informationen über die Sonneneinstrahlung in zugänglicher und qualitativ hochwertiger Form bereit. Dies hilft der Branche, sowohl große Photovoltaik-Kraftwerke als auch kleinere Aufdachanlagen zu planen, um zukünftige Erträge zu maximieren“, sagt Marion Schroedter-Homscheidt vom DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme.
Denn deren Effizienz wird zu hohem Maße durch Wolken, Aerosolpartikel, Ozonmoleküle und Wasserdampf in der Atmosphäre beeinflusst. Diese reflektieren oder absorbieren einen Teil der Sonneneinstrahlung, was einen erheblichen Einfluss auf die Effizienz der Kraftwerke und Dachanlagen hat.
Wolkenzug und Einstrahlung
CAMS bietet dazu zweierlei an: den CAMS Radiation Service sowie den McClear Clear-Sky Irradiation Service. Beide verwenden die von den Satelliten und Atmosphärenmodellen gesammelten Informationen, um historische Zeitreihen der globalen und direkten Einstrahlung bereitzustellen. Der Radiation Service bietet Zeitreihen von globalen, direkten und diffusen Einstrahlung auf horizontaler Fläche und direkten Einstrahlung auf normaler Ebene für bewölkten Himmel sowie für klare Himmelsbedingungen.
Der weltweit verfügbare Clear-Sky-Bestrahlungsservice liefert Zeitreihen von Einstrahlungen, die an einem bestimmten Ort unter klaren Himmelsbedingungen mit einem Zeitschritt von einer Minute bis zu einem Monat beobachtet werden können. Die globale, direkte und diffuse horizontale Einstrahlung sowie die Direkt-Normalstrahlung werden bereitgestellt. Während der Clearsky-Service bereits global verfügbar ist, sind die Informationen zum Wolkenzug bislang auf den Sichtbereich der meteorologischen Satelliten über Europa, Afrika und dem Nahen Osten beschränkt.
„Die Satelliten, die wir brauchen um die Wolken auch über Amerika und Asien in der nötigen Qualität abzubilden, gab es bislang einfach nicht. Europa war mit seinen Satelliten diesbezüglich lange führend“, erläutert Schroedter-Homscheidt. Seit 2015 operiert jedoch ein japanischer Satellit, der dazu auch in der Lage ist. Auch die USA sind dabei, einen Satelliten mit diesen Fähigkeiten in den operativen Modus zu überführen. CAMS will in den kommenden Jahren auch die Nutzung der US-amerikanischen und japanischen Satellitendaten vorbereiten, um diese dann bereitzustellen, sobald mehrjährige Zeitserien vorliegen. Dann werden Strahlungszeitserien auch für den bewölkten Himmel auch für Amerika und Asien möglich sein. Die Wissenschaftler arbeiten im Copernicus Climate Change Service (CS3) zudem daran, auch Wettervorhersagen für bis zu einem Monat oder gar die Saison im Voraus zu ermöglichen. „Für die Solarenergie-Community ist es ganz wichtig, dass über Copernicus der Zugang zu diesen meteorologisch Netzwerken und Datenflüssen etabliert wird. Und damit haben auch kleinere Ingenieurbüros oder Dienstleister einen einfachen Zugang“, sagt Schroedter-Homscheidt.
Kostenfrei für Jedermann
Denn das Copernicus-Programm ist ein Open-Data-Projekt. Jeder – auch nicht europäische Bürger – kann sich über den CAMS Radiation Service für die Strahlungszeitserien und den Climate Data Store für saisonale Vorhersagen und Reanalysen einen kostenfreien Account zulegen und die Informationen nach eigenem Bedarf auswerten. Mittelfristig sei geplant, beide Services zu einem Account zusammenzulegen, so Schroedter-Homscheidt. Die Datenabfrage kann händisch, aber auch komplett skriptgesteuert erfolgen. „Die unternehmerische Nutzung ist unbedingt erwünscht“, sagt Vincent-Henri Peuch, Leiter des CAMS-Programms.
Als Beispiel nennt er ein Dienstleistungsangebot, umgesetzt vom französischen Unternehmen Noveltis. Mit „Mon Toit Solaire“ hat das Unternehmen ein Entscheidungsunterstützungssystem für Photovoltaik-Aufdachanlagen entwickelt. Es simuliert und berechnet mit Hilfe der CAMS-Daten und einem 3D-Gebäudemodell kostenfrei das Potenzial einer Photovoltaik-Anlage und stellt den Nutzern, technische und finanzielle Informationen zur Verfügung sowie die Möglichkeit sich mit zertifizierten Installateuren in Verbindung zu setzen. Die Webseite wurde von der Kommune und örtlichen Solarteuren finanziert. „Eine günstige Möglichkeit, um lokale Wertschöpfung zu schaffen“, meint Peuch. Auch für deutsche Gemeinden, von denen viele bereits lange Solarkataster besitzen, wären die CAMS-Daten eine Möglichkeit, ihr Angebot zu verfeinern.
Zwischen 400 und 500 aktive Nutzer pro Quartal verzeichnet der CAMS Radiation Service.Es werden laufend mehr. „Eine ganz typische Nutzung unseres Services ist die Anlagenüberwachung. Das heißt, es werden die Solldaten des Standorts im Portal heruntergeladen und mit dem verglichen, was die Photovoltaik-Anlage tatsächlich erzeugt hat“, sagt Marion Schroedter-Homscheidt.
Wichtig für zuverlässige Prognosen
Auch für die Verbesserung von Stromprognosen wird das Tool intensiv genutzt. „Unternehmen, die in der Direktvermarktung aktiv sein wollen, müssen ihre Algorithmen zur Wettervorhersage mit den lokalen Bedingungen am jeweiligen Standort trainieren. Dazu helfen die Status-quo-Daten der historischen Zeitreihen von CAMS“, sagt Schroedter-Homscheidt. Auch wenn man solche Vorhersagedaten von einem externen Dienstleister einkaufe, seien die CAMS-Daten eine gute Möglichkeit, um dessen Qualität vorab einschätzen zu können. „Ich würde jedem Ingenieurbüro, das die Kapazität hat, empfehlen einzelne Anbieter mit Hilfe dieser freien Daten zu vergleichen. Um kompetent Daten einkaufen zu können, hilft es, wenn man das vorher einmal selber gemacht hat“, meint die Wissenschaftlerin weiter.
Nach den eigenen Angaben wird für den Zeitraum 2017 bis 2035 damit gerechnet, dass das Copernicus-Programm voraussichtlich 67 bis 131 Milliarden Euro an Einnahmen für die europäische Gesellschaft generiert. Dies entspreche dem 10- bis 20-fachen der Kosten für das EU-Programm. (Daniela Becker)
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