Vor rund zwei Jahren wurde die erste Version des Kommunikationsstandard EEBUS fertiggestellt (pv magazine berichtete ausführlich). Im niederländischen Utrecht wird in Kürze das Projekt „REnnovates“ abgeschlossen, in dem der Standard zum Einsatz kommt. Dabei hat ein Konsortium aus neun Unternehmen mehr als 240 Einfamilien-Reihenhäuser energetisch saniert und mit einem intelligenten Energiemanagement ausgestattet. An jedem Haus wurden Energiemodule installiert, die unter anderem Photovoltaik-Wechselrichter, Batteriespeichersysteme und Wärmepumpenheizungen umfassen.
Marc Eulen, Executive Manager und Partner der KEO GmbH, erklärt im Interview, welche Rolle EEBUS in dem Projekt spielt und wie sich der EEBUS-Standard seit der ersten Version weiterentwickelt hat. Sein Unternehmen war maßgeblich an der Implementierung des Standards im Rahmes des Projekts beteiligt.
pv magazine: Welche Bedeutung hat der Kommunikationsstandard EEBUS für den Erfolg des REnnovates-Projekts?
Marc Eulen (Foto): Der EEBUS-Standard spielt eine tragende Rolle im Projekt. In den Zero-Net-Energy-Häusern sind alle energierelevanten Systeme und Geräte in einem Energiemodul miteinander vernetzt, sodass sich möglichst viel Strom vom eigenen Dach im Haus nutzen lässt. Da die verschiedenen Systeme wie Wechselrichter, Wärmepumpen oder Batteriespeichersysteme von Haus aus keine gemeinsamen Steuerungsschnittstellen haben, kommt der EEBUS Software Stack der KEO GmbH zum Einsatz. Dieser setzt eine gemeinsame Schnittstelle auf Basis der EEBUS-Spezifikationen um und kommt in allen REnnovates-Häusern zum Einsatz. Dank dieser Software-Schnittstelle klappt die Kommunikation zwischen Photovoltaik, Heizung, Batteriespeichersystem und Energiemanager unabhängig von bestimmten Herstellern oder Technologien. Außerdem sorgt die EEBUS-Kommunikation dafür, dass auch die Algorithmen im übergreifenden Energiemanagement alle nötigen Informationen aus den Häuern erhalten, um diese netzdienlich einsetzen zu können. Dadurch kann der Energiemanager bei REnnovates alle Häuser eines Wohnviertels in einem „Smart Micro Grid“ zusammenfassen und beispielsweise deren Speicherkapazitäten als Flexibilität im Stromnetz anbieten. So kann jedes Haus bei einem Überangebot an Strom etwas Energie einspeichern und diese bei Energiemangel wieder an das Netz abgeben. Auch hier stellt EEBUS als interoperabler Standard das gemeinsame Vokabular zur Verfügung, so dass sich die einzelnen Systeme mit der Steuerung im Stromnetz abstimmen können. Als nächsten Schritt planen die am REnnovates-Projekt beteiligten Unternehmen einen kommerziellen europaweiten Rollout des Konzeptes in verschiedenen Zielmärkten.
Seit 2016 ist die Zahl der Mitglieder der EEBUS-Initiative von 60 auf 70 gestiegen. Welche Neuzugänge sind aus Ihrer Sicht besonders erwähnenswert?
Die meisten Neumitglieder kommen aus der Heizungs- und der Automobilbranche, die in den letzten beiden Jahren massiv an der Weiterentwicklung von EEBUS gearbeitet haben. Hier sind neben wichtigen Stakeholdern der Branchen auch die führenden Branchenverbände VDA und BDH direkt EEBUS-Mitglieder geworden, um diesen Standard in der gesamten Branche beschleunigt zu verbreiten. Neben den schon genannten Branchen sind weitere auf europäischer Ebene bedeutende Unternehmen EEBUS-Mitglieder geworden. Gute Beispiele hierfür sind beispielsweise Innogy aus der Energiebranche und Royal BAM Group aus der Bau- und Infrastruktur Branche. Auf globaler Ebene ist die NARI Group, Tochterfirma für Technologie und Research des größten chinesischen Energieversorgers „State Grid Corporation of China“, ein bedeutsames neues EEBUS Neumitglied.
Hat sich der EEBUS-Standard seit der ersten Version weiterentwickelt und wenn ja, welche neuen Möglichkeiten ergeben sich dadurch?
Seit der ersten Version des Standards im Jahr 2016 hat sich sehr viel getan. So wurden die EEBUS-Spezifikationen um weitere Anwendungsbereiche ergänzt, etwa im Bereich der Heizung. Sie stellt mit rund zwei Dritteln des Energiebedarfs in Gebäuden aktuell den größten Verbraucher im Haus dar. Damit bietet sie auch das größte Sparpotenzial durch Vernetzung, wenn etwa der Warmwasserspeicher beheizt wird, sobald die Sonne scheint, und die PV-Anlage auf dem Dach viel Strom liefert. Seit 2016 haben der BDH als Branchenverband und eine Reihe großer Heizungshersteller diesen Teil der EEBUS-Kommunikation entwickelt und in die Standardisierung eingebracht. Eine ganze Reihe Energiemanager unterstützen die EEBUS-Spezifikationen für HVAC (Heating, Ventilation, Air-Conditioning) bereits jetzt schon, und erst kürzlich hat Vaillant die EEBUS-Kommunikation in seine vernetzte Steuerung von Wärmepumpen integriert. Andere Heizungshersteller bringen demnächst entsprechende Steuergeräte, teils auch als Updates für ihre vorhandenen Lösungen.
Und kamen wichtige Impulse aus der Automobilindustrie?
Ja, die Automobilindustrie hat sich als weiterer großer Treiber des vernetzten Energiemanagements hervorgetan. Die Gründe liegen auf der Hand: Studien rechnen damit, dass 80 Prozent aller Elektroautos an privaten Ladestationen aufgetankt werden – und dort mit Wärmepumpen, Elektroboilern, Klimaanlagen und anderen Großverbrauchern konkurrieren. Hier droht im Haus die Gefahr, dass die Sicherung am Hausanschlusspunkt „rausfliegt“, wenn zum Beispiel das Elektroauto und die Wärmepumpe zeitgleich ungeregelt Energie abrufen. Und beim derzeitigen Wachstum an Elektroautos rechnen Experten schon in etwa fünf Jahren mit Engpässen in den Verteilnetzen, sofern Autos weiter unkontrolliert zum Laden an das Netz angeschlossen werden. Damit die Einführung der Elektromobilität also reibungslos klappt, muss die Ladetechnik sich mit anderen Großverbrauchern im Haus und mit dem gesamten Stromnetz abstimmen. Das Stichwort dazu heißt flexibles Laden, und auch hier stellt EEBUS die Verbindung zwischen den wichtigen Geräten wie Wallboxen, Wärmepumpen, Energiemanagern etc. und in Richtung Smart Grid her. Auch für diese Anwendungen wurde die EEBUS-Kommunikation seit 2016 durch den Branchenverband VDA und mehrere große Hersteller der Branche weiterentwickelt und in die Standardisierung eingebracht.
Sie bezeichnen EEBUS als „Weltsprache für Energie im Internet of Things“. Wie steht es denn um die Harmonisierung des EEBUS mit anderen internationalen Kommunikationsstandards? Kann man tatsächlich schon von einer Weltsprache sprechen?
Ja, das kann man durchaus. Die EEBUS-Spezifikationen und ihr technisches Grundgerüst „SPINE“ sind zwar auf europäischer Ebene normiert, doch es gibt weltweit eine ganze Reihe Kooperationen. In Europa haben EEBUS und die in Italien beheimatete Vernetzungsplattform „Energy@Home“ mit ihrem Fokus auf große Hausgeräte ihre Spezifikationen zusammengefasst. Außerdem sind die EEBUS-Datenmodelle „SPINE“ ein Bestandteil des führenden Heimvernetzungsstandards der Open Connectivity Foundation (OCF) in den USA. Die OCF hat selbst keine Spezifikationen für vernetzte Energieanwendungen entwickelt, sondern setzt in diesem Bereich auf EEBUS. Die im Frühjahr 2018 ist beigetretene NARI Group und Ihr Mutterkonzern SGCC als weltweit größter Energieanbieter arbeitet an der künftigen Ausstattung der Smart Grids in China. Die Mitgliedschaft des SGCC-Tochterunternehmens soll langfristige Kooperationsprozesse zwischen der EEBUS-Initiative, ihren Mitgliedsfirmen und der chinesischen Energiewirtschaft aufbauen. Somit soll der EEBUS-Standard auch im Reich der Mitte eine Kommunikation zwischen vernetzten energierelevanten Systemen ermöglichen. Und schließlich sorgt die EEBUS Initiative kontinuierlich dafür, dass die EEBUS-Kommunikation im Haus international mit der immer weiter verbreiteten Vernetzung von Verbrauchern im Smart Grid harmoniert. Unter dem Schlagwort „Demand Side Flexibility“ haben EEBUS, „Energy@Home“ und der Europäische Smart Grid Verband ESMIG im letzten Jahr gemeinsam gezeigt, dass mithilfe standardisierter Schnittstellen zwischen einzelnen Haushalten und dem intelligenten Stromnetz massive Einsparpotenziale aufgedeckt und genutzt werden können. Durch all diese Faktoren ist die Bezeichnung der Weltsprache sicher keine Übertreibung.
Ist der EEBus-Standard mittlerweile vollständig veröffentlicht, so dass er auch für Nicht-Mitgliedsunternehmen einsetzbar ist?
Das EEBUS-Datenmodel „SPINE“ ist in der aktuell releasten Version für die Öffentlichkeit auf der Homepage der EEBUS-Initiative zugängig. Hier kann jeder den Standard einsehen und sich die entsprechenden Spezifikationen herunterladen. Gleichermaßen wird natürlich auch mit Weiterentwicklungen verfahren: Sobald diese offiziell im Standard releast sind, werden Sie veröffentlicht. Neben der reinen Veröffentlichung dieser Weltsprache für Energie wird EEBUS auch durch die Standardisierung verbreitet: hier wird EEBUS aktuell in einer Vielzahl von europäischen Standardisierungsgremien behandelt, ist bereits mehrmals offiziell normiert worden und wurde auch in den Referenzrahmen SAREF (Smart Appliances Reference Framework) der Europäischen Kommission aufgenommen.
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Am 28. August 2018 wird das „REnnovates“-Projekt im Rahmen eines Abschlussevents im niederländischen Utrecht abgeschlossen. Hier zeigen die beteiligten Projektpartner in Vorträgen, Workshops und einer Ausstellung ihre Lösungen rund um das Modernisierungskonzept für Einfamilien-Reihenhäuser. In der Session „Smart Neighborhoods speak EEBUS“ können Interessierte auch mehr zum Thema EEBUS erfahren. Weitere Informationen über das REnnovates-Projekt finden Sie unter: rennovates.eu
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