Eigentlich haben Photovoltaik, Windkraft und Co. per EEG einen gesetzlich garantierten Einspeisevorrang. Doch da die EEG-Anlagen leichter abzuregeln sind, als die konventionellen Kraftwerke, werden sie bei einem Überangebot meist vor diesen abgeschaltet. Die Betreiber der Photovoltaik- und Windkraftanlagen werden dann allerdings entschädigt.
Wie oft dies der Fall ist, zeigt eine am Montag veröffentlichte Untersuchung von Energy Brainpool im Auftrag von Greenpeace Energie. So seien in 4.872 Stunden des vergangenen Jahres Windparks und Photovoltaik-Anlagen in der Nähe von AKW abgeregelt worden. Es habe hunderte EEG-Anlagen mit einer durchschnittlichen Leistung von 455 Megawatt betroffen. 2175 Gigawattstunden Ökostrom seien so verloren gegangen und die Betreiber der Anlagen mit knapp 200 Millionen Euro entschädigt worden, so das Ergebnis der Untersuchung. Die Kosten dieser Abregelungen von erneuerbaren Energien bei gleichzeitig ungebremster Atomstrom-Produktion seien auf Basis von Hochrechnungen aus den Monitoringberichten der Bundesnetzagentur für die ersten drei Quartale 2017 ermittelt worden.
Nach Ansicht von Greenpeace Energy hätten sich zumindest ein Teil der Entschädigungszahlungen vermeiden lassen, wenn die AKW bei den Netzengpässen heruntergefahren worden wären. Dies betreffe vor allem den Norden des Landes. „Der Gesetzgeber muss dringend dafür sorgen, dass künftig keine Strommengen auf AKWs im Netzausbaugebiet übertragen werden dürfen“, fordert Marcel Keiffenheim: „Andernfalls verschärfen sich die Stromengpässe im Norden und vor allem Ökostromanlagen müssten noch öfter abgeschaltet und entschädigt werden.“
Energy Brainpool konnte in seiner aktuellen Untersuchung nicht genau aufzeigen, ob das Herunterfahren der AKW Brokdorf in Schleswig-Holstein und Emsland in Niedersachsen ermöglicht hätte, dass die Wind- und Solarparks ohne Netzprobleme weiterlaufen. Dies stelle aber den prinzipiellen Zusammenhang nicht in Frage, so Fabian Huneke von Energy Brainpool. „Strukturell trägt die Lage der beiden Kraftwerke zu Transportproblemen im Netz bei, da beide nördlich des Netzengpasses liegen.“
Im Blick auf die anstehende Novelle des Atomgesetzes forderte Greenpeace Energy, an den konkreten Abschaltdaten für die AKW in Deutschland festzuhalten. Auch sollte die Festlegung der maximalen Menge an Elektrizität, die in den Kraftwerken bis zum Betriebsende erzeugt werden dürfen, festgehalten werden. „Es wäre ein Skandal, wenn ausgerechnet die umweltfreundlichen Erneuerbaren auf Jahre blockiert und die Verbraucher zur Kasse gebeten würden, nur um Atomkonzernen lukrative Stromtransfers zu ermöglichen“, sagt Marcel Keiffenheim. „Die Gesetzesnovelle muss dieser absurden Situation einen Riegel vorschieben“, fordert er. Die Novelle ist notwendig, um ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2016 umzusetzen.
Die Grünen monieren angesichts der Untersuchungsergebnisse ebenfalls die Aushebelung des Einspeisevorrangs. „Das ist ein völlig paradoxer Zustand, der allen Energiewendezielen zuwider läuft“, erklärt die energiepolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Julia Verlinden. Mit Blick auf die Novellierung des Atomgesetzes fordert sie weiter: „Die Bundesregierung muss jetzt dafür sorgen, dass keine weiteren Strommengen auf die Akw im Norden übertragen werden und diese Netzverstopfer so früh wie möglich abgeschaltet werden. Damit reduzieren sich Kosten, Unfallrisiken und Atommüllmengen – zum Wohle aller.“
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Atomkraft sehe ich hier weniger negativ wie Kohle, die mit jeder Minute betrieb, schädliche Auswirkungen auf die Umwelt hat.
@ralphi: Aber es geht hier nicht um den Vergleich Atomkraft-Kohlestrom!
Was hier passiert ist eine große Sau..ei und belegt wieder einmal die Macht der Atomstromkonzerne. Allerdings gehört dazu auch eine Regierung die mitspielt.
Solang die schwer regelbaren Kohle und Strom Kraftwerke nicht endlich durch Speicherkraftwerke ersetzt werden, bleiben sie nun mal (gewollt) angeschaltet.
Warum ich Kohle vor Atom abschalten würde:
Solange wir ‚tickende Atombomben‘ vor der Haustür (Belgien) haben, können wir durch Abschaltung unserer AKW’s, die primär Gefahr nicht abwenden.
Bei der Kohleabschaltung hätten wir sofort einen positiven Effekt.
Es gibt eben keine realen Einspeisevorrang.
Wann klagen wir unseren rechtlichen Vorrang endlich ein?!
Die dt. Umwelthilfe zeigt es ja:
Ein grober Klotz braucht (leider) einen groben Keil.
Und ja: Es ist seltsam, dass die Gerichte das politische Nichtstun korrigieren müssen, aber zumindest derzeit geht es nicht anders.
Nun, was grobe Keile so tun können, sieht man ja an Trump. Und solche groben Keile landen letztlich in der Geldbörse der Gesamtbevölkerung.
Vielleicht wäre es endlich möglich, erst die Sachverhalte zu prüfen und verstehen, bevor man sich äußert. Denn nur die großen Generatoren mit bis zu 400 t Gewicht in den KKWen können das Netzzittern um +/- 50 Hz „wegbügeln“, was weder Wind tut noch PV kann.
Heißt das die bei Greenpeace Energy kennen sich nicht aus?
So einfach wird es dann doch nicht sein derartige Ungereimtheiten „weg zu bügeln“.
Sehr geehrter Herr Sauer, leider haben sie den Sachverhalt nicht geprüft, denn sonst wüssten Sie, dass Wind- und PV in der Lage sind ihren Beitrag an der Netzstabilität auch in der Minutenreserve, die sie ansprechen, zu leisten. Siehe z.B. http://www.et-energie-online.de/AktuellesHeft/Topthema/tabid/70/NewsId/988/Sicherheit-und-Zuverlassigkeit-der-Stromversorgung-von-morgen.aspx
„… So ist bspw. ein Beitrag zur Momentanreserve für Windenergieanlagen seit 2009 in der kanadischen Provinz Quebec vorgeschrieben. …“
Danke Frau/Herr Behrschmidt für den Hinweis auf diesen wertvollen Artikel aus 2014!
Ärgerlich, mit welchen Behauptungen die Anhänger von Atom und Kohle die Erneuerbaren Energien madig zu machen versuchen. Gut, dass Sie sich an den Artikel der et erinnern konnten.
G. W. Sauer sagt:
Vielleicht wäre es endlich möglich, erst die Sachverhalte zu prüfen und verstehen, bevor man sich äußert. Denn nur die großen Generatoren mit bis zu 400 t Gewicht in den KKWen können das Netzzittern um +/- 50 Hz „wegbügeln“, was weder Wind tut noch PV kann.
@ G.W. Sauer
Wer die Sachverhalte nicht nur eigennützig, sondern mehr nachhaltig betrachtet, weiß dass wir den realen Einspeisevorrang, den K.H. Remmers fordert, schon mal hatten.
Vor der EEG Neuordnung 2010 wurden die EE den Versorgern zwingend zugeteilt.
Es war nicht, wie gegenwärtig – nur noch – die Vergütung gesichert, sondern auch der vorrangige Verbrauch.
Technisch gesehen ist es sinnvoll, dass es ein schlecht regelbares 1,2 GW AKW weiterläuft und die „kleinen“ Wind- und PV Anlagen fernabgeschaltet werden. Und solange es für AKW Betreiber auch noch kostengünstiger ist die Anlage durchlaufen zu lassen, wird sich an der Situation nichts verändern. Und wartet mal ab sie alle aufwachen und merken, dass sie den zusätzlichen Stromverbrauch der eAutos gar nicht (ausreichend) berechnet haben. eOn & Co. reiben sich doch jetzt schon die Hände und bieten sich gerne an um diesen unerwarteten Engpass zu „überbrücken“… Ausstieg vom Ausstieg hatten wir schon mal.
Nein, das Nicht-Abschalten von Atom- und Kohlekraftwerken muss wehtun und für die Betreiber richtig teuer sein. Jedes Kilo Atommüll muss teuer sein und jede Tonne Co2.
Bis der Gegenwind auf der Aktionärsversammlung deutlich genug wird und einen „Strategiewechsel“ fordert/bringt. Demos und Politik sind wichtig, bringen aber meist nur Kompromisse, deren Kosten der Bürger zu tragen hat. Wie lange sind über 70% der Bevölkerung schon gegen Atomstrom?
Und „Entschädigung“ muss so gestaltet werden, dass die Kohle- und AKW Betreiber den Einnahmeausfall der Wind- und PV Anlagen direkt übernehmen müssen. Wer denn sonst?!?
Aber: Auch das Szenario könnte sich für die AKW Betreiber trotzdem rechnen wenn die Kosten für das Nicht-Abschalten einfach in die Strompreise eingepreist werden können. Daher muss zusätzlich eine Art Strafzahlung dazukommen, wenn die Bevorzugung von Grünstrom missachtet wird.
Das Grünstromprivileg muss unbedingt erhalten bleiben. Und genau deshalb wollen die AKW Betreiber das auch weg haben.
Eine Energiewende wäre machbar wenn nur der Wille etwas ausgeprägter wäre…
Ist es nicht so, das Großkraftwerke in das Höchst- und Hochspannungsnetz (380/110 kV) einspeisen und Wind und Solar in das Nieder- und Mittelspannungsnetz (0,4/10-30 kV). Insofern dürften die sich nur minimal Beeinflussen und die Ursache liegt eher an der unzureichenden Netzinfrastruktur in Norddeutschland. Man kann sich das in etwa so Vorstellen: Die Innenstadt ist verstopft und deshalb kommen nicht so viele Autos auf die Autobahn.
Die Bundesnetzagentur veröffentlicht regelmäßig, warum Einspeisemanagement ausgeführt wird. Typischerweise, je nach Berichtsjahr, werden rund 90% der Einspeisemanagement-Maßnahmen wegen „Engpässen im Übertragungsnetz“ angeordnet, selbst wenn in der Region AKW weiterlaufen: https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Allgemeines/Bundesnetzagentur/Publikationen/Berichte/2018/Quartalsbericht_Q4_Gesamt_2017.pdf?__blob=publicationFile&v=2 Leider führt die Bundesnetzagentur nicht auf, wo und was genau im Übertragungsnetz die Ursache ist, sie nennt lediglich die Bundesländer und die Übertragungsnetzbetreiber.