In China haben die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC), die Nationale Energiebehörde (NEA) und das Finanzministerium (MOF) haben am 1. Juni eine gemeinsame Mitteilung zur Photovoltaik-Stromerzeugung 2018 herausgegeben. Die Auswirkungen dieser Bekanntmachung werden seitdem heftig diskutiert, und bislang gibt es zwei zentrale Schlussfolgerungen. Erstens: Das größte Marktsegment, der Bereich der Photovoltaik-Kraftwerke, wird hart getroffen werden und nicht in die Nähe des Rekordzubaus des Vorjahres kommen (knapp 34 Gigawatt). Und zweitens: Das Marktsegment für dezentrale Photovoltaik-Anlagen, das von 2016 zu 2017 um 360 Prozent anstieg, wird wegen des Einziehens einer Obergrenze von zehn Gigawatt ebenfalls stark beeinträchtigt.
Nach einem von Asia Europe Clean Energy (Solar) Advisory Co. Ltd. (AECEA) am Wochenende veröffentlichten Briefings wird mit der Bekanntmachung vom 1. Juni das von der NEA im Jahr 2018 für Großprojekte ausgerufene 13,9-Gigawatt-Ziel aufgehoben. Die Bekanntmachung ruft zudem die chinesischen Provinzen dazu auf, Projekte einzustellen, die in irgendeiner Form für 2018 Einspeisevergütungen beantragen würden. „Angesichts der Tatsache, dass im vergangenen Jahr Großprojekte mit insgesamt etwa 33,62 Gigawatt realisiert wurden, wird diese ziemlich drastische Maßnahme zweifellos nicht nur die Nachfrage für den Rest des Jahres verlangsamen, sondern auch für den verbleibenden Zeitraum des 13. Fünfjahresplans“, so AECEA.
Erst vergangene Woche auf der SNEC, dem weltgrößten Photovoltaik-Event in Shanghai, hatte IHS Markit bei einem Workshop zum Photovoltaik-Markt 2018 für dieses und die nächsten vier Jahre eine deutlich positivere Einschätzung abgegeben. Den IHS-Markit-Analysten zufolge sollte das Jahr 2018 mit dem Rekordzubau des vergangenen Jahres von 53 Gigawatt mithalten, und die nächsten vier Jahre sollten auch jährliche Zubauzahlen zwischen 50 und 60 Gigawatt aufweisen. Insgesamt war die Stimmung bei der SNEC optimistisch: Es gab eine Rekordzahl von Besuchern und Aussteller, die ihre neuesten Produkte und Lösungen zeigten.
Bei dem Workshop warnte IHS Markit, dass es mehr als einen Blick auf den chinesischen Photovoltaik-Markt gibt. Tatsächlich gab es zwei Lager, von denen eines ein weiteres starkes Jahr mit 55 bis 60 Gigawatt vorhersagte, und ein pessimistisches Lager, das für 2018 nur 35 bis 45 Gigawatt für realistisch hielt. Aber angesichts der Mitteilung vom 1. Juni sieht selbst diese pessimistische Sicht optimistisch aus. AECEA hat die Prognose von 40 bis 45 Gigawatt auf 30 bis 35 Gigawatt gesenkt und nennt diese Zahlen sogar „noch optimistisch“. In der Folge könnte der diesjährige Markt um mehr als ein Drittel gegenüber den 53 Gigawatt des Vorjahres zurückgehen.
Leider betrifft die neueste Bekanntmachung aus Peking nicht nur Großprojekte. Das Aushängeschild des Marktes 2017, die dezentralen Photovoltaik-Anlagen (distributed generation), wird von der Obergrenze von zehn Gigawatt schwer getroffen werden. AECEA zufolge ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Obergrenze bereits Ende des vergangenen Monats erreicht wurde. In der Bekanntmachung heißt es, dass sich von der Zentralregierung nicht realisierte dezentrale Projekte für finanzielle Unterstützung an die jeweiligen lokalen Regierungen wenden sollen. Grundsätzlich fordert Peking die lokalen Regierungen auf, die schwere Arbeit zu leisten und die notwendigen Gelder bereitzustellen, um dieses Marktsegment für den Rest des Jahres am Leben zu erhalten. Ob die lokalen Regierungen übernehmen, bleibt ungewiss und macht es zudem schwieriger, geeignete Orte für dezentrale Photovoltaik-Anlagen ausfindig zu machen.
Ein Lichtblick in der Bekanntmachung vom 1. Juni ist, dass sie private Dachanlagen nicht zu beschneiden scheint. Laut AECEA könnte dieses Marktsegment, in dem es 2017 nur rund zwei Gigawatt Zubau gab, in diesem Jahr bis zu fünf Gigawatt erreichen. Im Vergleich zu den 2017 rund errichteten 19,44 Gigawatt dezentraler Photovoltaik-Anlagen ist dies jedoch immer noch ein relativ kleiner Beitrag zum gesamten Photovoltaik-Markt in China.
Warum diese unerwartete Wendung der Ereignisse nach solch einer euphorischen SNEC vergangene Woche? Die AECEA-Analyse weist auf die stark wachsenden nationalen Einspeisevergütungen nach den 53 Gigawatt im vergangenen Jahr hin. Wie der größte Teil des Marktes wurde Peking von dieser hohen Zahl überrascht. Paradoxerweise hat Chinas Schritt, Kürzungen um 50 Prozent gegenüber 2016 durchzusetzen, die Lage der Zentralregierung verschlimmert. Geringere Kürzungen bedeuten, dass mehr Solarstrom ins Netz eingespeist wird, was wiederum die Einspeisevergütungen erhöht, die die Eigentümer von Photovoltaik-Anlagen von der Zentralregierung erlangen können. Ende 2017 betrugen die ausstehenden Zahlungen nach Schätzungen der AECEA rund 15 Milliarden Euro.
Offensichtlich wird dieser starke Nachfragerückgang in China andere Photovoltaik-Märkte auf der ganzen Welt beeinflussen. Es wird ein Überangebot an Photovoltaik-Produkten entstehen, sei es Polysilizium, Ingots, Wafer, Zellen oder Module. Die Konsolidierung unter den Photovoltaik-Herstellern wird sicher beschleunigt – etwas, auf das Peking tatsächlich drängt. Ein politisches Instrument zur Beschleunigung der Konsolidierung der Industrie war Chinas Top-Runner-Programm, und die jüngste Ankündigung bremst dieses Programm nicht. Die Mitteilung vom 1. Juni könnte man also auch folgendermaßen lesen: als eine weitere wichtige Maßnahme, um die Konsolidierung der Industrie zu fördern und nationale Champions zu bilden, die sowohl in der Heimat als auch in Übersee überzeugen können
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