Auf Initiative des Solarpioniers Hermann Scheer wurde 2010 IRENA, die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien, mit Sitz in Abu Dhabi gegründet. Scheer vertrat in Büchern, Vorträgen und Fernsehsendungen sowie in seiner von ihm ebenfalls gegründeten Nichtregierungsorganisation Eurosolar die Meinung, dass die globale Energiewende bis spätestens 2040 machbar sei.
Jetzt hat IRENA beim „Energiewendedialog“ in Berlin eine Studie vorgelegt, wonach die globale Energiewende bis 2050 erreicht werden könne, aber nur unter diesen Voraussetzungen: Wind- und Sonnenenergie müssen sechsmal so schnell ausgebaut werden wie bisher, Häuser müssen dreimal so schnell wie bisher energetisch saniert werden und in Ökostrom muss 30Prozent mehr Geld investiert werden als bisher. Ist dieses Ziel realisierbar?
Aber ja! In Deutschland allerdings nur, wenn sich die Bundesregierung endlich rasch auf ein zeitnahes Datum für den Kohleausstieg einigen kann. Die englische Regierung hat sich dafür das Ziel 2025 gesetzt.
Noch optimistischer als Hermann Scheer war, ist der Öko-Pionier und Silicon Valley-Unternehmer Tony Seba in seinem Buch: „Die Welt wird sich verändern. Radikal. Bis 2030“. Seba prophezeit die globale Energiewende in den nächsten 12 Jahren und erklärt seine These mit „Disruption“.
Das heißt: eine einmal begonnene Entwicklung durch neue Technologien löst ein altes System weit schneller ab als bisher angenommen. Siehe die IT-Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Kreative Zerstörung!
Vor allem die Preis-Entwicklung für Solar-und Windstrom spricht für Sebas These. In den USA sind die Kosten für PV-Anlagen seit 1970 um den Faktor 154 gefallen. In derselben Zeit ist das Öl um den Faktor 20 teurer geworden. Noch Fragen bitte?
Der Unternehmer Seba ist überzeugt, dass sich die preiswerteste Energie am schnellsten durchsetzen wird. Alle Erfahrung spricht dafür. Der Rohstoff für Solar- und Windenergie ist ein kostenloses Geschenk des Himmels und deshalb unschlagbar preiswert. Sonne und Wind schicken keine Rechnung.
Zudem kann IRENA nachweisen, dass durch die ökologische Energiewende etwa dreimal mehr Arbeitsplätze entstehen als bei den alten Energien wegfallen. Die globale Energiewende führe zu über elf Millionen neuen Jobs. Wir müssen endlich den Zusammenhang zwischen der Energiekrise und der Arbeitsplatzkrise sehen und verstehen. Und diese Riesenchance ergreifen.
Hinzu kommen die steigenden Gesundheitskosten und Millionen Tote durch die alte Energiewirtschaft. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat soeben festgestellt, dass 95% der Weltbevölkerung schlechte Luft atmen. Die Feinstaubbelastung überschreitet fast überall die WHO-Grenzwerte. 2016 seien deshalb 6,7 Millionen Menschen durch Luftverschmutzung gestorben.
Feinstaub, so erklärt auch das US-amerikanische Institut für Gesundheitseffekte (HEI), erzeuge Lungen- und Herzerkrankungen. Daran mussten allein in Deutschland 2016 37.000 Menschen sterben.
In Indien und China starben im selben Jahr, nach HEI-Berechnungen, daran je eine Million Menschen. Hauptquelle der Emissionen war die Kohlenutzung.
Ob der neue IRENA-Bericht, die Berechnungen von Hermann Scheer oder von Tony Seba: Die Bundesregierung hinkt weit hinter all diesen Prognosen her, obwohl Deutschland am ehesten die technischen Voraussetzungen für eine rasche 100-prozentige Energiewende hat.
- IRENA-Studie: „Global Energy Transformition – a Roadmap to 2050“
- Economy and Human Welfare to Grow Under IRENA’s 2050 Energy Transformation Roadmap
— Der Autor Franz Alt ist Journalist, Buchautor und Fernsehmoderator. Er wurde bekannt durch das ARD-Magazin „Report“, das er bis 1992 leitete und moderierte. Bis 2003 leitete er die Zukunftsredaktion „Zeitsprung“ im SWR, seit 1997 das Magazin „Querdenker“ und ab 2000 das Magazin „Grenzenlos“ in 3sat. Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte auf www.sonnenseite.com. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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Auf diese „Disruption“ warten die Optimisten schon ziemlich lange. Erst glaubten sie, mit dem EEG die Wende eingeleitet zu haben. Damals sprachen sie davon, sie würden „das Netz als Speicher benutzen“, und das war erst das erste „sich selbst in die Tasche lügen“.
Das zweite kam dann, als die Erzeugungskosten unter den Preis sanken, zu dem Privatleute jederzeit in gewünschter Menge Strom aus dem Netz beziehen können. Von „Netzparität“ war damals die Rede. Disruptiv wirkte aber auch das nicht.
Die dritte Stufe der Selbstlüge war dann erreicht, als die Erzeugungskosten der EE an die Erzeugungskosten der fossilen Kraftwerken herankamen. Einen griffigen Begriff sparte man sich, glaubte aber trotzdem, dies müsse doch der Durchbruch sein.
Dabei stieg der EE-Anteil bei der Stromproduktion jedenfalls in D durchschnittlich und ziemlich stetig von Jahr zu Jahr um knapp zwei Prozent, von Disruption keine Spur.
Die Selbstbelügerei wird erst ein Ende haben, wenn man einsieht, dass es nicht auf die Erzeugungskosten, sondern auf die Rendite ankommt. Und die ergibt sich als Differenz aus dem Wert abzüglich der Erzeugungskosten.
Steigt der EE-Anteil im Markt, sinkt aber der Wert des erzeugten Stroms und damit die Rendite. Ausserdem steigen die Kosten, wenn nicht mehr aller erzeugte Strom verkauft werden kann, was die Rendite weiter schmälert. Ohne die garantierte Einspeisevergütung wäre sie bei uns sogar immer noch negativ, der Wert also geringer als die Kosten.
Wenn es preiswerte Speicher gibt, dann kann es so weit kommen, dass auch bei uns die Rendite positiv wird. Jeder dadurch ausgelöste Zubau wird aber wieder den Wert des Stroms so weit reduzieren, dass die positive Rendite in Gefahr ist, der Zubau also durch die Aufnahmefähigkeit des Marktes begrenzt wird. Diese hängt u. a. davon ab, wie schnell die alten Erzeuger aus dem Markt ausscheiden, aber disruptiv werden sie das wohl nicht tun, sondern nur allmählich, einer nach dem anderen, weil die Politik, d.h. die Marktsteuerung, einen wesentlichen Einfluss hat. Und die Politik fürchtet nichts schlimmeres als disruptive Vorgänge.
JCW sagt:
Die Selbstbelügerei wird erst ein Ende haben, wenn man einsieht, dass es nicht auf die Erzeugungskosten, sondern auf die Rendite ankommt. Und die ergibt sich als Differenz aus dem Wert abzüglich der Erzeugungskosten.
@ JCW
Ihre Betrachtung ist leider nicht die Realität, und entspricht schon eher einem gezielten Energiewende Bashing auf der Basis des paradoxen Systems das seit 2010 gilt. Einem System, das von Lobbyisten mit der EEG Neuordnung konstruiert wurde.
Tatsächlich ist es nämlich so, dass diejenigen die die Rendite einstreichen, nicht die Gleichen sind, die die Erzeugungskosten bezahlen.
Oder ist Ihnen nicht bekannt, dass der nicht privilegierte Verbraucher mit der EEG Umlage die Erzeugungskosten bezahlt, und andere damit lukrative Geschäfte machen.
Schauen Sie mal hier.
https://idblog.hdm-stuttgart.de/strompreis/category/rechercheergebnisse/
Diese zwei Artikel beantworteten sehr gut unsere Frage, wer eigentlich an der Strombörse einkauft. Denn es wurde immer nur von Versorgungsunternehmen, Stromhändlern, industriellen Großkunden und Banken gesprochen. Nun wissen wir dazu gehören auch die Stadtwerke und Unternehmen, wie E.ON, RWE usw. Es gibt also keinen Zwischenhändler mehr. Der Grund dafür, dass Unternehmen wie RWE auch an der Börse einkaufen, obwohl sie selbst rund 30 Kraftwerke besitzen und somit eigentlich genug Strom produzieren, ist einfach. Es gibt Tage, da ist der Strompreis an der Börse so günstig, dass eine Eigenproduktion viel teurer wäre. Daher werden dann die Kraftwerke gedrosselt und lieber günstig eingekauft. Zitat Ende.
Könnten Sie mal allen die hier mitlesen erklären, wo z.B. EON beim Wert des zugekauften Stromes eine Differenz an Erzeugungskosten abgeht. . Das ist Rendite pur auf dem Rücken der Verbraucher. Dank des Systems seit 2010
Auf dieser Basis betreibt EON neuerdings ein Geschäftsmodell, mit dem vielsagenden Namen, Netze Handel und Vertrieb.
Über 30% EEG Strom werden unterdessen am Spotmarkt gehandelt, oder genauer gesagt verramscht, für den die Erzeugungskosten die nicht privilegierten Verbraucher mit der EEG Umlage bezahlen, und andere damit Geschäfte machen.
Lassen Sie mich dieses Paradoxon in Ihre Sichtweite packen.
Je mehr EE Strom an die Börse kommt, die Preise nach unten drückt, und somit die Rendite der Abnehmer nach oben, desto höher wird für die Verbraucher die EEG Umlage, sprich die Erzeugungskosten.
H. Diehl, was Sie da zusammen schreiben ist so hanebüchen, das diskreditiert Energiewendebefürworter viel mehr.
Allein der letzte Satz: Die EEG-Zulage stellen nicht die Erzeugungskosten dar, sondern sie dient dazu, diese zu bezahlen, soweit sie sich nicht durch Verkaufserlöse des Stroms decken lassen. Und was bitte ist der Unterschied zwischen Versorgungsunternehmen (die sie einerseits nennen) und RWE und EON, die sie ihnen andererseits entgegenstellen?
Die Strombörse hat sich, was ihre Bedeutung für die Energiewende angeht, als überholt erwiesen. Schon in der Vor-EE Zeit war sie heftig umstritten, weil sie von den Großen Dinos manipuliert wurde. Die handelten im wesentlichen mit sich selbst, es ging halt von der rechten in die linke Tasche. Damit war die Funktion der Börse als Preisindikator durch den Handel mit Überschussstrom schon schwer beschädigt.
Für die EE war die Börse von Anfang an ungeeignet, weshalb ja auch weiterhin das Instrument der Einspeisevergütung benötigt wird. So lange die EE keinen großen Anteil am Markt hatten, war es akzeptabel, aber mit dem größeren Anteil heute, verliert Börse ihre Funktion als Preisindikator, die sie auch vorher nur eingeschränkt erfüllt hatte.
Im Augenblick stellen auch die alten Kraftwerksbetreiber auf das System der Einspeisevergütung um (z.B. Hinkley Point C), was das unternehmerische Risiko senkt, und deshalb für Kraftwerke, bei denen die Grenzkosten niedrig aber die Investitionskosten hoch sind, sicher ein geeignetes Modell ist.
Die EEG-Zulage funktioniert auch nicht mehr als Preisindikator. Aber auch dafür gibt es mehr als einen Grund:
1. Es gibt zu viele Verbraucher, die davon befreit sind
2. Sie enthält die Kosten für EE-Kraftwerke, die in der Vergangenheit zu Kosten errichtet wurden, die viel höher waren, als sie für Neuerichtungen heute sind.
3. Die Preisbildung an der Börse hat noch nie richtig funktioniert und funktioniert heute noch schlechter.
Leider sind auch die Einspeisevergütungen derzeit kein verwertbarer Preisindikator dafür, was EE-Strom wert ist. Den Einspeisevergütungen kann man nur entnehmen, was es kostet, den Strom zu erzeugen. Ein vernünftiger Preisindikator für den Wert würden sie erst dann, wenn EE-Erzeuger verpflichtet würden, das Verbrauchsprofil darzustellen, und nicht auf ihre Einspeisegarantie ohne gleichzeitige Einspeisepflicht zu pochen. Genau das verlangen aber auch die alten Dinos nicht, denn dann würden sie sich ja ihr eigenes Grab schaufeln.
So wie die Verhältnisse im Augenblick gehalten werden, haben sie immer noch eine Überlebensgarantie genau diese Funktion zu erfüllen: Das volatile Erzeugungsprofil der EE an das unelastische Verbrauchsprofil anzupassen.
JCW sagt:
H. Diehl, was Sie da zusammen schreiben ist so hanebüchen, das diskreditiert Energiewendebefürworter viel mehr.
Allein der letzte Satz: Die EEG-Zulage stellen nicht die Erzeugungskosten dar, sondern sie dient dazu, diese zu bezahlen, soweit sie sich nicht durch Verkaufserlöse des Stroms decken lassen.
@ JCW
Nennen Sie es wie Sie wollen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Verbraucher die EEG Umlage bezahlen, mit der der EEG Strom vergütet wird, mit dem andere Rendite „pur“ generieren.
Schauen Sie mal was Sie da geschrieben haben.
Zitat JCW:
Die Selbstbelügerei wird erst ein Ende haben, wenn man einsieht, dass es nicht auf die Erzeugungskosten, sondern auf die Rendite ankommt. Und die ergibt sich als Differenz aus dem Wert abzüglich der Erzeugungskosten. Zitat Ende.
So…nun erklären Sie mal, wo z.B. für EON, oder andere,wenn die am Spotmarkt bei Niedrigstpreisen Strom einkaufen und verkaufen, an dem Wert dieses Stromes noch Erzeugungskosten abgehen.
Wenn Sie das was ich hier schreibe als hanebüchen bezeichnen, verfolgen Sie entweder eine bestimmte Absicht, oder Sie sind nicht mit dem System vertraut.
Solche Taktiken habe ich eigentlich nur bei Diskussionen mit Vertretern der konventionellen Stromwirtschaft erlebt, die von dieser Ungerechtigkeit ablenken wollen.