In Deutschland wurden 2017 insgesamt 904,7 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt – 4,7 Millionen Tonnen weniger als 2016. Das zeigt die erste Prognose des Umweltbundesamtes (UBA), die es gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium am Dienstag veröffentlichte. Demnach sind die Emissionen im Energiebereich „deutlich“ zurückgegangen, im Verkehrssektor und in der Industrie jedoch gestiegen.
Gegenüber 1990 hat Deutschland demnach seine Emissionen bis zum Jahr 2017 um 27,7 Prozent gesenkt. Das vereinbarte 40-Prozent-Ziel für 2020 Klimaziel will die Regierung jetzt nur noch „so schnell wie möglich“ erreichen. Bis 2030 müssen die Emissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Basisjahr gesenkt werden.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien zufrieden: Es sei bereits viel erreicht worden. „Hier werden wir mit neuen Sonderausschreibungen weitere große Schritte machen“, sagt Schulze. Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD mit Blick auf die Verkleinerung der Lücke bei den Klimazielen bis 2020 für zusätzliche Ausschreibungen bei Photovoltaik und Windkraft an Land verständigt. Vorgesehen ist ein Sondervolumen von zwei Gigawatt pro Technologie für die Jahre 2019 und 2020.
In der Energiewirtschaft gingen die Emissionen dem Bericht zufolge im Vergleich zum Vorjahr um 13,7 Millionen Tonnen beziehungsweise 4,1 Prozent auf 318,5 Millionen Tonnen zurück. Hauptgrund sei, dass infolge der hohen Windkrafteinspeisung weniger Steinkohle verstromt wurde. Dazu wurden im vergangenen Jahr Steinkohlekraftwerke mit einer Kapazität von insgesamt mehr als drei Gigawatt stillgelegt oder in die Netzreserve überführt. Im vierten Quartal gingen außerdem zwei Braunkohlekraftwerke in die Sicherheitsbereitschaft.
Bei der Stillegung weiterer Kohlekraftwerke drückte die Ministerin in der Regierungserklärung vor dem Bundestag zuletzt ein Stück weit auf die Bremse. „Wir werden Umweltfragen immer auch mit Blick auf ihre sozialen Auswirkungen beantworten“, sagte Schulze. In der geplanten Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung soll trotzdem erstmals für Deutschland ein Enddatum für den Kohleausstieg erarbeitet werden. „Aber mit einem Datum allein ist es natürlich nicht getan“, sagte die Ministerin.
„Die Frage einer sozial gerechten Strukturentwicklung und der Schaffung neuer Perspektiven für die Kohleregionen ist höchst komplex. Viele unterschiedliche Sichtweisen kommen hier an einen Tisch“, heißt es aus dem Ministerium auf Nachfrage von pv magazine. Und: „Man sollte nicht schon vor Beginn der Gespräche zu viele Vorbedingungen stellen.“ Dem Koalitionsvertrag zufolge soll die Kommission ihre Arbeit bis Ende 2018 beenden.
„Im Verkehrsbereich geht die Entwicklung leider immer noch in die falsche Richtung“, sagt die Ministerin. Nötig sei eine grundlegende Verkehrswende, „das muss ein Schwerpunkt in dieser Legislaturperiode werden“. In dem für 2019 geplanten Klimaschutzgesetz soll sichergestellt werden, dass das 2030-Ziel „zuverlässig und verbindlich“ erreicht wird. Im Verkehrssektor seien die Emissionen 2017 um 2,3 Prozent beziehungsweise 3,8 Millionen Tonnen auf 170,6 Millionen Tonnen gestiegen.
Ein Grund dafür sei, dass laut Kraftfahrtbundesamt der Pkw-Bestand im Jahr 2017 um rund 1,5 Prozent anstiegen sei. Noch deutlicher erhöhten sich demnach die Zahlen der Lkw (plus 4,1 Prozent) und Sattelzugmaschinen (plus 4,4 Prozent). Wegen der guten Konjunktur habe der Gütertransport auf der Straße ebenfalls zugenommen. Der schrumpfende Anteil von Diesel-Pkw und der wachsende Anteil von Benzin-Pkw bei den Neuzulassungen würde hingegen kaum zum Anstieg der Emissionen beitragen, heißt es. Zusammen mit dem Trend zu stärker motorisierten Pkw verursache dies nur ein Plus von maximal 0,2 Millionen Tonnen im Jahr 2017. „Es ist falsch, dass wir nur mit dem Diesel unsere Klimaziele erreichen können“, sagt UBA -Präsidentin Maria Krautzberger. Nötig seien weniger und sparsamere Fahrzeuge. „Die derzeit von der EU -Kommission vorgeschlagenen CO2 -Flottenzielwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge für 2025 und 2030 sind nicht ausreichend“, betont Krautzberger. „Hier müssen wir schnell nachsteuern, sonst werden wir die für 2030 gesteckten Klimaziele im Verkehr nicht erreichen.“
In der Industrie stiegen den Zahlen zufolge die Emissionen wegen der guten Konjunktur um 2,5 Prozent auf 192,9 Millionen Tonnen. Die Prozessemissionen seien dabei um 1,6 Prozent gestiegen, die energetischen Emissionen im verarbeitenden Gewerbe um drei Prozent.
In der Landwirtschaft hätten die Treibhausgas-Emissionen nahezu stagniert, im Abfallsektor seien sie um 4,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. Grund dafür sei vor allem die Entwicklung im Bereich der Abfalldeponierung. Seit 2005 dürfen in Deutschland keine biologisch abbaubaren Abfälle mehr deponiert werden – dies mache sich neben Abfalltrennung und Recycling bei den Emissionen positiv bemerkbar, heißt es dazu.
Bei den jetzt veröffentlichten Zahlen handelt es sich noch nicht um die finalen Berechnungen. Es bestünden Unsicherheiten, weil die im Jahr 2016 erfolgten Kraftwerks-Ummeldungen zwischen dem Energie- und Industriebereich aufgrund der vorläufigen Daten noch nicht adäquat berücksichtigt werden konnte. Deshalb sei die Emission für die Industriefeuerungen im Jahr 2017 etwas höher angesetzt worden. Die vollständigen offiziellen Inventardaten zu den Treibhausgasemissionen in Deutschland für das Jahr 2017 veröffentlicht das Umweltbundesamt nach eigenen Angaben zum 15. Januar 2019 mit der Übermittlung an die Europäische Kommission.
„Die UBA-Zahlen sind eine bittere Bilanz der Klimapolitik von Bundeskanzlerin Merkel“, sagt Karsten Smid, Klimaexperte von Greenpeace. „Sie hat viel versprochen, gehalten hat sie kaum etwas. Bis heute fehlt noch immer ein Fahrplan für den Kohleausstieg und eine klimaverträgliche Verkehrswende.“
Das für 2020 vereinbarte Klimaziel sei nur zu erreichen, wenn Braunkohlekraftwerke umfangreich gedrosselt und stillgelegt werden. „Die geplante Kommission für den Kohleausstieg muss dann verlässliche Maßnahmen zum Klimaschutz verabschieden“, so der Experte. Für den Verkehrsbereich fordert er mit einem Ende für neuzugelassene Verbrennungsmotoren ab 2025 ein klares Signal für die Mobilitätswende.
Zufrieden mit den Zahlen im Hinblick auf die Leistung des eigenen Sektors zeigt sich hingegen der Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft. „Die Zahlen von Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt zeigen eindrucksvoll: Die Energiewirtschaft liefert ihren Beitrag zum Klimaschutz“, sagt Stefan Kapferer. Wichtig wäre es nun, endlich auch dem CO2-Ausstoß in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft und Wärmemarkt einen Preis geben.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
Herr Smid von Greenpeace fordert einerseits Utopisches (keine Neuzulassung von Verbrennungsmotoren ab 2015 – wer glaubt denn das im Autoland Deutschland) und lässt andererseits das offensichtlichste weg: Die Wärmewende. Der Wärmemarkt ist größer als Strom- und Verkehrssektor UND es gibt schon heute wirtschaftliche Maßnahmen, wie der Wärmeenergiebedarf nachhaltig gesenkt bzw. erneuerbar gedeckt werden kann. Die EnEV wirkt kaum, weil gleichzeitig die Wohnfläche pro Einwohner kontinuierlich steigt – worauf der Staat nur geringen Einfluss hat, wenn er nicht die Wohnraumbewirtschaftung wieder einführen will.
Was wir brauchen, sind Passivhäuser bei ALLEN Neubauten und saisonale Wärmespeicherung von solar gewonnener Wärme in ALLEN Wohnsiedlungen. Aber immer, wenn vom knappen Wohnraum gesprochen wird, kommen auch gleich die Forderungen, selbst die laschen Ansprüche der EnEV auszusetzen. Es sind immer noch nur wenige Leuchtturmprojekte wie die Bahnstadt in Heidelberg, in denen für die Zukunft gebaut wird.
Die Blindheit FAST ALLER Akteure auf diesem entscheidenden Gebiet, ist erbitternd!
Und noch etwas zu diesem Verbots-Smid: Wenn einem nichts als Verbote einfallen, ist das ein ziemliches Armutszeugnis. Kohleverstromung verbieten, Verbrennungsmotoren verbieten. Verbote sind völlig überflüssig, wenn die Alternativen existieren und angenommen werden. Hat irgend jemand das Photographieren mit Silberemulsion auf Zelluloid verboten? Nein, die Digitalphotograohie hat sich durchgesetzt, weil sie besser ist. Ganz von alleine, ohne Verbot.
Genauso geht das auf dem Energiemarkt, wenn die Alternativen verfügbar sind, Kostenwahrheit herrscht und die Erneuerbaren nicht durch Stolpersteine wie Stromsteuer oder doppelte EEG-Zulage für Speicher behindert werden. Die EEG-Zulage als Vergangenheitskosten der Marktgängigmachung von PV, Wind und Biogas sollte mindestens zum Teil von der Allgemeinheit übernommen werden, um die Benachteiligung des Stroms in der sektorenübergreifenden Energiewende zu beenden. Finanzieren kann man das ja mit einer CO2-Zulage.