Der Nageltest und die Sicherheit von Batteriespeichern

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Thomas Timke ist Senior Battery Expert bei Solarwatt Innovation und arbeitet in relevanten Normungsgremien mit. Zuvor hat er als Wissenschaftler am KIT zu Batteriesicherheit gearbeitet.

Foto: Solarwatt

pv magazine: Sie haben viel Erfahrung mit dem Nageltest. Warum haben Sie ihn schon benutzt?

Thomas Timke: Batteriesicherheit basiert auf der Konstruktion selbst und den Lithium-Ionenzellen, weil man zellinterne Fehler kaum von außen stoppen kann. Daher muss man auch die Neigung und das Verhalten von Zellen bezüglich interner Fehler – zum Beispiel Kurzschlüsse – prüfen. Wir haben in unserem F&E-Team vor etwa zehn Jahren angefangen, uns intensiv mit Batterietechnologie zu beschäftigen. Den Nageltest haben wir am Anfang benutzt, um Erfahrungen zu sammeln bezüglich Testparametern, Zellverhalten und Abhängigkeiten wie zum Beispiel vom Separator. Heute lassen wir ihn nur noch als einfach zu erledigende Pflichtübung bei der Zellauswahl und Qualitätskontrolle mitlaufen. Der Test ist nicht aussagekräftig genug, um innerhalb von streng vorausgewählten Zellen Unterschiede zu zeigen.

Was passiert, wenn der Nagel die Zelle durchdringt?

Der Nagel erzeugt einen internen Kurzschluss mit einem anfangs sehr hohen Strom. Um die Einstichstelle entsteht ein Hotspot, der entflammbaren Elektrolyt durch die Einstichstelle ausgasen lässt. Manchen Zellen kühlen dann langsam wieder ab, bei anderen können im weiteren Verlauf Brände bis hin zum Thermal Runaway (Materialzersetzung, exotherme Reaktion) auftreten.

pv magazine Webinar

Wir diskutieren die Sicherheit von Batteriespeichern im pv magazine Webinar am Dienstag, den 20. Februar, mit Matthias Baumann, Leiter des Batterielabors bei TÜV Rheinland, und mit Thomas Timke. U.a. über: Welche Rolle spielt der Nageltest? Welche Rolle spielt die Wahl der chemischen Zusammensetzung?

Weitere Themen:

  • Was bedeutet die Aussage, ein Batteriespeicher ist sicher?
  • Wie unterscheiden sich bezüglich der Sicherheit unterschiedliche Lithium-Ionen-Batterietechnologien (zum Beispiel Lithium-Eisenphosphat oder Nickel-Mangan-Kobalt)?
  • Was hat es mit „gebundenem Sauerstoff“ auf sich?
  • Nach welchen Szenarien können sich Havarien entwickeln und wie lassen sie sich vermeiden?
  • Was können welche Tests bezüglich der Sicherheit aussagen und wie lässt sich eine hohe Sicherheit gewährleisten? Welche Normen gibt es?
  • Worauf können und sollten Installateure und Verbraucher achten?

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Wovon hängt es ab, ob die Zelle zu brennen beginnt oder gar explodiert?

Die Reaktionen hängen leider von zu vielen Punkten ab. Das macht den Test so umstritten. Es kommt auf fast jeden Zellbestandteil, und speziell dessen Verarbeitung und Qualität sowie die Zellbauweise, Zellalterung und die Einstichstelle an. Beim Nagel kommt es beispielweise auf Material, Form, Spitze, Oberfläche, Durchmesser und Eindringgeschwindigkeit an. Beim Test kommt dann noch die Unterlage der Zellen beziehungsweise deren Deformation dazu. Dann gibt es noch eine Zufallskomponente, die eine größere Stichprobenmenge erfordert, zum Beispiel fünf bis zehn. Manchmal ist es beispielweise auf der Kippe, ob sich der ausgasende Elektrolyt an der Einstichstelle entzündet. Brände treten häufiger auf bei Zellen mit einfachen Separatoren, die schrumpfen und den internen Kurzschluss großflächiger werden lassen – zum Teil bei einfachen Zellen mit hoher Energiedichte, doch ohne keramischen Separator.

Auch wenn der Nageltest in keiner europäischen Norm gefordert ist, ist er standardisiert. Ist er dadurch nicht reproduzierbar?

Ja, es gibt ein Testsetup, bei dem die Testparameter inklusive dem Nagel genau beschrieben sind. Und Reproduzierbarkeit ist eine wichtige Eigenschaft von Sicherheitstests, auf die auch in den Normengremien geachtet wird. Doch allein sagt sie nichts über seine Eignung zum Nachweis der Zell- oder Batteriesicherheit aus. Für die Nachbildung von zellinternen Fehlern, die für die Batteriesicherheit wichtig sind, ist der Nageltest nur eine von mehreren Möglichkeiten. Und die standardisierte Form ist nur eines von sehr vielen möglichen Setups, bei denen jede Änderung das Testergebnis beeinflusst. Dazu kommt bei manchen Zellen eine Zufallskomponente, die Tests an mehreren Zellen erfordert. Im Webinar schauen wir uns die für die Batteriesicherheit relevanten Sicherheitsnachweise an.

Nehmen wir an, eine Zelle übersteht den Nageltest, ohne dass schlimmeres passiert. Können Sie ein Beispiel nennen, was mit einer schlecht gebauten Zelle passieren kann, dass sie trotzdem zu brennen beginnt?

Nageltests, speziell wenn sie vertriebsunterstützend statt realitätsgetreu gestaltet werden, finden in der Regel an einer einzelnen neuen Zelle statt – selbst wenn sich in der Batterie natürlich mehrere Zellen befinden, die gegebenenfalls direkt parallel geschaltet sind. In der defekten Zelle muss sich in der Realität ein Vielfaches der Energie abbauen, weil sich die anderen Zellen ebenfalls über den Nagel entladen. Die Temperatur der defekten Zelle steigt weiter, und der Fehlerverlauf ist deutlich kritischer als bei einzelnen Zellen. Man kann als Kunde mit wenigen Fragen klären, ob der Testaufbau zum Beispiel die Einbausituation in der Batterie und zellinterne Sicherheitsmechanismen berücksichtigt. Dann wird deutlich, ob der Test zumindest ansatzweise etwas aussagt oder inszeniert ist.

Liese sich dieses Risiko durch eine bessere Bauart beseitigen?

Ja, eindeutig. Für Zellen kommt es stark auf deren Verarbeitung, Ausführung und Verschaltung an. Die Batterien müssen sogenannte Ausbreitungstests bestehen um zu sehen, wie die Konstruktion reagiert, ob sich der Fehler von Zelle zu Zelle fortsetzt und ob Feuer außerhalb der Batterie entsteht. Dabei wird im fertigen Batteriemodul eine Zelle in einen Fehlerzustand gebracht. Gemäß Norm ist dieser Fehlerzustand zur Zeit ein Thermal Runaway als Worst Case eines Zellfehlers. Das ist für die meisten hochwertigen Zellen zwar sehr übertrieben, aber besser als Tests, bei denen die Bauart der Batterie überhaupt keine Rolle spielt.

Heißt das, der Nageltest sagt gar nichts bezüglich der Batteriesicherheit aus?

Doch, zu einem geringen Teil und auch dann nur beim Test von zum Beispiel zehn Zellen mit Angabe der gegebenenfalls unterschiedlichen Fehlerverläufe. Für unerfahrene Batteriebauer ist es eine zusätzliche Chance, spätestens mit diesem Test ungeeignete Zellen auszusortieren, deren Schwächen sie zum Beispiel mangels Erfahrung vorher nicht entdeckt haben. Ein aussagekräftiger Quick & Dirty-Test an Einzelzellen wäre für alle Beteiligten günstig und klasse als Orientierung. Doch solange Zellen brennbare Bestandteile enthalten, ist das nicht machbar. Das muss es aber auch speziell in Deutschland beziehungsweise Europa nicht sein. Durch die aktive Arbeit von Herstellern, Prüflaboren und Forschungsinstituten in Verbänden und Normengremien haben wir hier das Glück, auf europaweit kompatible Standards zurückgreifen zu können, nach denen die Sicherheit von stationären Lithium-Ionenbatterien umfassender geprüft wird, als bei internationalen Normen.

Die Fragen stellte Michael Fuhs und wurden schriftlich beantwortet. Mehr dazu folgt in der Diskussion im Webinar am Dienstag.

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