Wochenlang haben Union, FDP und Grüne sondiert, ob sie wirklich in Koalitionsverhandlungen eintreten. Sonntagnacht haben die Liberalen die Sondierungsgespräche abrupt beendet und für gescheitert erklärt. Damit ist klar, es wird kein Jamaika-Bündnis auf Bundesebene geben. Was nun kommt, ist relativ unklar. Nachdem die SPD weiterhin keine Neuauflage der Großen Koalition will, sind eine Minderheitsregierung oder gar Neuwahlen denkbar. Beides hat es in der bundesdeutschen Geschichte so noch nicht gegeben. pv magazine hat einige Stimmen aus der Photovoltaik-Welt zur aktuellen politischen Lage eingesammelt.
Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW-Solar), meint, dass es sich Deutschland nicht leisten könne, in energiepolitischer Handlungsunfähigkeit zu verharren. „Weder das Klimaproblem noch der rasante weltweite Strukturwandel in den Bereichen Energie und Mobilität warten auf Deutschland. Solar- und Speichertechnologie sind inzwischen preiswert verfügbar und längst bereit, deutlich mehr Verantwortung zu übernehmen“, erklärt Körnig.
Eicke Weber, ehemaliger Direktor des Fraunhofer ISE, spricht von einer Katastrophe und einem „Armutszeugnis der beteiligten Politiker“. Die von FDP-Chef Christian Lindner „offensichtlich wohl vorbereitete und wohlformulierte Erklärung“ sei für ihn schockierend. Er macht neben der CSU-Führung den FDP-Vorsitzenden maßgeblich für das Scheitern verantwortlich. Dabei war Weber zuletzt selbst für die Liberalen angetreten und wollte Ökonomie mit Ökologie versöhnen. Respekt zollt Weber dagegen den Grünen. „Sie haben wirklich getan, was sie verantworten konnten – und noch ein bisschen mehr -, aber gegen die Betonköpfe aus Bayern – genau besehen ja lediglich der bayrische Landesverband der CDU – hatten sie keine Chance“, so Weber weiter.
„Dass sich die Verhandler in den Sondierungsgesprächen über den Klimaschutz überhaupt zerstreiten konnten, liegt wohl daran, dass es immer einfacher ist, Stereotype zu bedienen als echte Politik zu machen“, vermutet Milan Nitzschke, Präsident von EU Prosun, hinter dem Scheitern. Auch er sagt, dass sich einige Beteiligte in den Verhandlungen vermutlich sehr bemüht haben, nun aber „Opfer des neuesten Berliner Bühnenstücks“ seien. Detlef Neuhaus, Geschäftsführer von Solarwatt, äußert sich ähnlich: „Dass die Sondierungsgespräche nach vier Wochen abgebrochen wurden, weil die Parteien nicht in der Lage waren, sich unter anderem beim Thema Klimaschutz zu einigen, ist für mich absolut unverständlich.“ Aus seiner Sicht ist die Energiewende alternativlos. „Eine mögliche Jamaika-Koalition hätte die Gelegenheit nutzen müssen, ein klares Statement für die erneuerbaren Energien abzugeben.“ Stattdessen hätten manche Politiker und Parteien die Kohleverstromung – deren Tage längst gezählt seien – künstlich am Leben erhalten wollen, so Neuhaus weiter. Aktuelle Studien zeigten, dass sofort mehrere Kohlekraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden könnten, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden.
Als unverantwortlich bezeichnet Philipp Schröder, Geschäftsführer Vertrieb und Marketing beim Speicheranbieter Sonnen, den Abbruch der Sondierungen. „Wir bedauern ihn sehr, da er Unsicherheit für die Branche aber auch darüber hinaus mit sich bringt und das Vertrauen in die Konsensfähigkeit der demokratischen Parteien beschädigt“, erklärt er. Und diese Einschätzung, dass vor allem das Ansehen der Politik leidet, teilen auch die anderen Akteure der Solarbranche. „Über unsere Gesellschaft und die Zukunft verheißt das nichts Gutes. Wer verhindern will, dass am Ende gar die Volksschauspieler vom rechten Rand übernehmen, sollte sich jetzt selbst einmischen und dahin gehen, wovon man sich am liebsten abwenden möchte: in die Parteien“, sagt Milan Nitzschke. Eicke Weber empfiehlt Bundeskanzlerin Angela Merkel, die „Bildung einer Minderheitsregierung mit Energie und Elan anzugehen“. Er verweist auf die USA, wo es gängige Praxis sei, sich immer wieder neue Mehrheiten zu beschaffen und warnt davor, dass nach Neuwahlen die AfD noch stärker werden und bei 20 Prozent landen könnte.
Carsten Körnig von BSW-Solar fordert, dass Deutschland rasch wieder handlungsfähig werden müsse. „Marktbarrieren müssen dringend aus dem Weg geräumt werden, um mit Hilfe der Solarenergie, der Digitalisierung und der hohen Innovationskraft der Erneuerbaren-Branche die Bereiche Strom, Wärme und Mobilität zu dekarbonisieren sowie nahtlos und intelligent miteinander zu verknüpfen.“ Milan Nitzschke verweist auf die Kostenreduktionen bei der Photovoltaik in den vergangenen Jahren. „Wir sind zum Glück durch. Solarstrom ist inzwischen wettbewerbsfähig und wird sich durchsetzen, so oder so. Es geht noch um Qualität und Technologie, aber nicht mehr um den Preis“, so der EU Prosun-Präsident.
Körnig und Weber betonen noch die Bedeutung der kommenden Jahre. „In den nächsten vier Jahren werden sich die Standards für die entscheidende Phase der weltweiten Energiewende herausbilden. Deutschland und Europa haben jetzt die Chance, diese Standards zu setzen und industrielle Cluster mit hunderttausenden neuen Jobs und ausgezeichneten Exportchancen herauszubilden“, sagt Carsten Körnig weiter. Dafür müsse in Deutschland die Energiewende aber nun wiederbelebt und intelligent ausgestaltet werden. Körnig sieht eine breite Mehrheit für die Energiewende in der Bevölkerung. „Wir bleiben zuversichtlich, dass sich bei einem politischen Neuanlauf dafür Mehrheiten finden lassen“, sagt er, ohne jedoch zu spezifizieren, wie dieser genau aussehen könnte.
Auch der frühere Chef des Fraunhofer ISE betont die großen Chancen für Deutschland im Zuge der weltweiten Energiewende. „Politik wird spannend, ja, weniger berechenbar, aber mit der richtigen Vision, Deutschland und – mit Macron! – Europa unter Nutzung der sich uns so offensichtlich bietenden, großen wirtschaftlichen Chancen beim globalen Übergang in eine klimaschonende, nachhaltige Welt eine führende Rolle einnehmen zu lassen wird sich die offensichtliche Mühe dieses Ansatzes lohnen“, sagt Eicke Weber.
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Vielleicht nutzen die Kolleginnen und Kollegen aus der Branche die gewonnen Zeit um einen schlagkräftigen Gesamtverband der Neuen Energiewelt zu formieren. Allgemeine Meinungen und Sprüche zu Jamaika sind überflüssig – solange wir kein Gesamtangebot an Politik und Gesellschaft formulieren bekommen wir Zufallsprodukte.
Das hat die Politik (Legislative und Exekutive) auf dem Forum Neue Energiewelt am Do und Fr ganz knallhart gesagt: „Es ist leicht Euch gegeneinander auszuspielen“.
Also meine Damen und Herren: Statt über die pot. Koalitionäre rumzumaulen fasst Euch mal an die eigenen Nasen- Ihr seid auch nicht Koalitionsfähig und lebt in großen Teilen in einer bereits vor 5 Jahren untergegangenen Welt. Zeit was Neues zu gestalten- mit echten Inhalten und nicht Fragmenten sowie Marketingelaber.
Für mich ist es Zeit für eine Regierung unter dem Vorsitz der Grünen! Die Branche und alle verantwortungsbewussten Bürger sollten bei Neuwahlen dafür eintreten, dass wir ein entsprechendes Wahlergebnis bekommen, welches dieses Szenario möglich macht. Notfalls lassen wir uns dabei vom CCC oder von unseren russischen Kollegen unterstützen – die haben schon einmal das scheinbar unmögliche bei eine Präsidentenwahl möglich gemacht … ; – ))
… ich kann mich den deutlichen Worten von Herrn Remmers nur anschließen. Schaut Euch doch an was aus der funktionierenden und zukunftsweisenden Solartechnik, Thermie und PV, geworden ist.
Das Tauerspiel der Grünen ist, dass sie in der Bevölkerung nicht für saubere Umwelt und Energie wahrgenommen werden sondern für hohe Zuwanderungszahlen, Stichwort Familiennachzug.
Nur wenn sie zum Kernthema zurückkehren, gibt es mit ihnen eine Chance.
@ Eduard Heindl
Einsatz für die Umwelt schließt Einsatz für die Menschen nicht aus. Die GRÜNEN haben sich erfreulicherweise von früheren illusionären Forderungen wie „offene Grenzen für alle“ schon lange verabschiedet.
Wir brauchen jetzt ein Einwanderungsgesetz um die Migration in geordnete Bahnen zu lenken und wir können weiter Verfolgte schützen. Wenn Männer aus Syrien oder dem Irak oder dem Iran oder aus Afghanistan zu uns geflohen sind, ist es gut, ihre Frauen und Kinder nachkommen zu lassen.
In einem „Jamaika-Bündnis“ hätte man da vernünftige Kompromisse ausmachen können.
Raimund Kamm, Augsburg
@ Karl- Heinz Remmers
Volle Zustimmung! Unser Bundesverband WindEnergie (BWE) bemüht sich seit ein paar Jahren den Bundesverband Erneuerbare Energien zu stärken. Dann können die anderen EE-Verbände unter dem Dach des BEE Spartenverbände werden.
Hier in Bayern, wo ich Landesvorsitzender bin, kooperieren wir als BWE mit dem Fachverband Biogas. Wir suchen Ansprechpartner bei Solar. Da die PV-Verbände nicht funktionieren, suchen wir andere Ansprechpartner in der Solarbranche Bayerns.
Wir brauchen eine gemeinsame Stimme Pro Energiewende mit Bioenergie, evt. Geothermie, PV, Wasser- und Windkraft!
Raimund Kamm http://www.wind-energie.de