Der neueste Bericht von REN 21 (http://www.ren21.net/gsr-2017/) stellt das rasante und für viele vor Jahren nie für möglich gehaltene weltweite Wachstum der erneuerbaren Energien heraus. So stieg die neu installierte Leistung um 9 Prozent gegenüber 2015 auf 161 Gigawatt – einen Rekordzubau an erneuerbare Energien Kapazitäten. Die erneuerbaren Energien sind in vielen Weltregionen endgültig zur billigsten Energieoption geworden. Der REN 21-Bericht zeigt auch viele realisierte Projekte auf, die ohne Grundlast von Kohle oder Atomkraftwerken die Energieversorgung nur mit erneuerbaren Energien sicherstellen und räumt so mit dem in manchen Köpfen immer noch vorhandenen Mythos auf, dass erneuerbare Energien alleine die Energieversorgungssicherheit nicht leisten könnten.
Diese Entwicklung ist vor allem auch deswegen erstaunlich, weil die erneuerbaren Energien sich immer noch gegen einen zugunsten der fossilen/atomaren Energien verzerrten Markt durchsetzen müssen. So sind im globalen Durchschnitt die Subventionen für fossile und atomare Energien immer noch vier Mal höher als die für erneuerbare Energien. In Deutschland dagegen werden die erneuerbaren Energien weiter an die Wand gefahren und die vielen und massiven Fehler der Energiepolitik aus der Vergangenheit aller Regierungen Merkels seit 2005 holen diese unweigerlich ein.
Was hatten wir im Bundestag gewarnt vor der Abschaffung des mühevoll mit den Energiekonzernen ausgehandelten rot-grünen Atomausstiegsgesetzes. Insbesondere warnten wir Grünen vor Schadensersatzklagen durch die Atomkonzerne, als nach der Laufzeitverlängerung von Frau Merkel ein eigenes schlecht gemachtes schwarz-gelbes Atomausstiegsgesetz gezimmert wurde. Und nun hat das Bundesverfassungsgericht auch noch die Brennelementesteuer für verfassungswidrig erklärt. Ein erneuter Beleg für die handwerkliche Unfähigkeit der Regierungen Merkel, die sich auch hier über anderslautende Warnungen hinwegsetzten. Nun zuckt der auch damals dafür verantwortliche Finanzminister Schäuble fast belanglos mit den Schultern, als wenn die Rückzahlung von über 6 Milliarden Euro an die Atomkonzerne eine Kleinigkeit wäre. Dass das Geld dringend für den ökologischen Umbau oder Verbesserungen im Bildungssystem erforderlich wäre – kein Wort von ihm dazu. Die jahrzehntelange Nähe von Merkel und Schäuble zu den Atomkonzernen lässt erneut den unheimlichen Verdacht aufkommen, dass sie gegen alle Warnungen die Klagemöglichkeiten der Atomkonzerne billigend in Kauf genommen haben, um ihnen den verordneten Atomausstieg wenigstens finanziell zu erleichtern. Ganz zum Schaden des Steuerzahlers.
Dabei ist der von den Regierungen Merkel/Rösler/Gabriel verordnete drastische Rückgang des jährlichen Zubaus der Erneuerbaren Energien so stark, dass in großer Frage steht, ob die über 80 Terawattstunden Atomstrom, die 2016 noch in das deutsche Stromnetz eingespeisten wurden, tatsächlich bis 2022 mit erneuerbaren Energien ersetzt werden können. Der aktuelle Zubau des Ökostroms insbesondere unter Beachtung des ab 2018 zu der Regierungen verordneten Investitionsrückganges bei der Windkraft (https://www.hans-josef-fell.de/content/index.php/presse-mainmenu-49/schlagzeilen-mainmenu-73/1095-windkraftausschreibungen-markieren-den-naechsten-schlag-gegen-die-energiewende) wird den Atomstrom nur in etwa zur Hälfte ersetzen können. Dann wird Frau Merkel, die sich aktuell auf der Weltbühne als Klimaschützerin gibt, kleinlaut zugeben müssen, dass sie leider Kohle und Erdgas anwerfen müsse, weil anders der Atomausstieg nicht zu schultern sei. Oder setzen sich dann die vielen in Union und FDP – gestärkt durch die kommenden Wahlen – durch, die nur mit geballter Faust in der Tasche dem Merkelschen Atomausstieg zustimmten und darauf warten, ihn erneut in Frage zu stellen und dann mit der AfD im Bundestag paktieren, die ja die nächste Laufzeitverlängerung fordert. Wie man eine Laufzeitverlängerung macht, haben Union und FDP ja längst durchexerziert.
Es wird Zeit, dass es in der deutschen Gesellschaft endlich ein Aufwachen gibt. Ein Anschluss an die im REN 21 dargestellte positive Weltentwicklung der Erneuerbaren Energien muss endlich auch von Frau Merkel organisiert werden. Ein Kanzlerkandidat Martin Schulz sollte sich endlich zu einem starken Wort dafür durchringen.
Dann müssen nach der Wahl alle Bremsen gelöst werden: Abschaffung der Ausschreibungen und ein modernisiertes EEG mit Kombikraftwerksvergütung (https://www.hans-josef-fell.de/content/index.php/dokumente/beschluss-und-positionspapiere/918-eckpunktepapier-kombikraftwerksverguetung); Entrümpelung des EEG von unnötigen bürokratischen Auflagen; Abschaffung der EEG-Umlageerhebung auf den Ökostrom und Abschaffung der Stromsteuer für den Ökostrom und vieles anderes mehr.
— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.
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Bravo, Hans-Josef Fell mal wieder!
Aus seinem „Eckpunktepapier Kombikraftwerksvergütung“:
„Der Umstieg auf eine solche 100 % umgesetzte Energiewende über alle
Bereiche hinweg ist in solchen regionalen Energiewaben erheblich günstiger umzusetzen als in nationalem Rahmen, sowohl im Hinblick des Einsatzes günstiger Flexibilitäten (z.B. Wärmespeicher) als auch im Hinblick auf den notwendigen Netzausbau.“
Will denn nicht das Projekt „Norddeutsche Energiewende – NEW 4.0“ genau so eine „Energiewabe“ werden?!
Prof. Werner Beba (Projektkoordinator NEW 4.0) am 20.01.2017 im Interview mit der „Welt“:
„Bis 2035 soll die Region Hamburg und Schleswig-Holstein mit ihren 4,5 Millionen Einwohnern vollständig mit Strom aus regenerativen Quellen versorgt werden. Der Wärme- und der Mobilitätsmarkt sollen in diesem Großtest bereits nennenswert integriert sein. Wir wollen dies bis zum Jahr 2020 erproben und den Entwicklungspfad für eine vollständig erneuerbare Energieversorgung aufzeigen – der Norden als „Blaupause“ für Deutschland.“
Wieso ist dieses Projekt so unbekannt, wird regelrecht geheim gehalten? – Vielleicht weil sich dabei herausstellen könnte, dass die Nordlichter ihren Windstrom lieber für die eigenen 100% EE verwenden, statt ihn nach Bayern zu schicken? – Womit die unsinnige Behauptung des BMWi, dass der Netzausbau das „Rückgrat der Energiewende“ sei, aus den Angeln gehoben wäre.
Es gibt leider ein technisches Problem beim „Lösen aller Bremsen“: Die erneuerbaren Leistungen müssen immer öfter abgeregelt werden und der nicht produzierte Strom muss dennoch von den EEG-Stromkunden bezahlt werden, sonst würden sich die Anlagen nicht rentieren. Die Lösung dieses Problems wird vor allem in wirtschaftlicher Speicherung liegen. Wenn Speicherung nicht wirtschaftlich ist, erhöht sie weiter die Energiekosten, und setzt sich damit der Anfechtung durch die Neoliberalen aus, die sofort die internationale Konkurrenzfähigkeit bedroht sehen. Voraussetzung für das „Lösen aller Bremsen“ ist also, dass die Kosten für Speicherung unter Kontrolle bleiben, was noch erheblicher Anstrengungen bedarf. Das gegenwärtige Ausbautempo ist schön, und wie wir 2008 gesehen haben, lässt es sich auch in kurzer Zeit enorm steigern. Da im Augenblick aber auch bei moderatem Ausbau die Abregelungskosten weit überproportional steigen, wird eine Ausbaubeschleunigung politisch nur schwer durchsetzbar sein. Wir haben einfach nicht mehr die Verhältnisse von 2002, als Herr Fell am Einspeisegesetz arbeitete. Damals waren die Erneuerbaren eine marginale Größe im Stromnetz, und blieben dies noch für 10 Jahre. Heute machen sie über 30% aus, an einigen Tagen im Jahr könnten sie den Bedarf schon zu 100% decken. Eine verhältnismäßig einfache Weiterentwicklung des EEG könnte sein, dass nur noch im Netz verwertbarer Strom aus Erneuerbaren vergütet wird, aber der müsste dann entsprechend höher vergütet werden, damit sich die Anlagen trotzdem rentieren.