„Teyssens Deal mit Google“ – war die große Headline des Handelsblatts vom 3.5.2017 nebst langem Bericht zur Kooperation von Eon mit Google im Bereich der Ermittlung von geeigneten Solardächern und den vielen Chancen, die in dem Zusammengehen von Big Data und der Energiewirtschaft stecken, über Hoffnungsträger bei Eon und der Notwendigkeit Erfolg zu haben, um das Überleben von Eon zu sichern (zum Artikel). Ja, die Chancen sind alle da. Es sind sogar verdammt große Chancen und gute Perspektiven. Dennoch werden Eon und Google es nicht hinkriegen, damit in den kommenden Jahren genug Futter vor allem natürlich für Eon zu verdienen.
Auch Innogy, EnBW, Vattenfall oder die vielen Stadtwerke, die inzwischen die Energiewende gestalten sollen (das ist ja der bundespolitische Auftrag), werden es nicht hinkriegen. Sie bekommen viele Schwierigkeiten bis hin zur möglichen Insolvenz – auch ganz große „Spieler“.
Wenn Sie jetzt erwarten, dass hier zur Begründung das beliebte „Alte-Energiewelt-Bashing“ oder „Großkonzern-Bashing“ kommt, dann muss ich Sie enttäuschen. Denn auch die jungen und alten Unternehmen der erneuerbaren Energien inklusive der Bereiche Speichertechnik und Digitalisierung haben, sobald ihre finanzielle Ausstattung aufgebraucht ist, keine Chance.
Wie komme ich zu einem so harten Urteil, wo doch Solar- und Windenergie billig geworden sind, Speicher schnell billig werden und die Digitalisierung ein auf erneuerbarer, dezentraler Energie basierendes Energiesystem mehr denn je zuvor möglich macht? Wo doch mit Paris und der „plötzlichen“ Erkenntnis, dass uns die Kohlekraftwerke und Dieselmotoren umbringen, auch von Seiten des Umweltschutzes richtig Druck in Richtung Wandel da ist? Wo jeden Tag in der neuen Energiewelt gute neue Arbeit entsteht und ganz real schon seit vielen Jahren Hunderttausende dezentral von Handwerk bis neuerdings zu den großen Konzernen Arbeit finden, die langfristig gut, sauber und sicher ist? Das sind doch alles Gewinnerthemen und von der Mehrheit gewollt, oder? Will nicht sogar die FDP die Digitalisierung und damit auch die Basis für die Energiewende in allen Bereichen vorantreiben? Tolle Technik, Chancen ohne Ende und dennoch kein neuer kommerzieller Erfolg- wie ist das möglich?
Der benannte Misserfolg wird verursacht von einer nie dagewesenen Mutlosigkeit der Politik in Legislative und Exekutive, verbunden mit unerhörter Arroganz und Planlosigkeit von politischen Entscheidern. Auf der anderen Seite steht das Versagen der neuen Energiewelt-Unternehmen ihr Projekt auch in einer sachgerechten Interessensvertretung an diese Politik heranzutragen. Ein Beispiel: Wer beim Kindergeburtstag nicht sagt, dass er Schokokuchen will, bekommt auch keinen, sondern irgendwas. Das ist in der Energiewelt nicht anders. Nur geht es hier um mehr als nur nette Süßigkeiten. Hinzu kommt der Eindruck einer politischen Verweigerungshaltung, das komplexeste Projekt nach der Wiedervereinigung auch nur einigermaßen sachgerecht zu führen. So kommt es, dass alle Gesetze und Regeln im Energiebereich immer komplexer werden, ohne dass sie auch nur im Ansatz eine gründliche Umsetzung der dringend notwendigen Umstrukturierung der Energiewelt leisten. Wir kennen alle die vielen Diskussionen um Kosten, Ungerechtigkeiten usw. Sie entstammen allesamt diesem politischen Versagen in bisher nicht gekanntem Ausmaß. Das beginnt in der Legislative – also den Parlamenten – und wird dann 1:1. in die Entscheidungsebenen der Ministerien getragen. Egal wie sich die Beamten in den Ministerien dann auch bemühen (oft sind gute Ansätze vorhanden), am Ende kommt nur ein neues Pflaster auf alte Wunden oder werden gerade beschlossene Gesetze nach Monaten ohne Ankündigung wieder per „Reparaturgesetz“ verschlimmbessert. In den Ministerien ist die Struktur der bisherigen Entscheidungsfindung in Sachen Digitalisierung und Energiewende im Grunde am Ende: Werden munter weiter wie bisher irgendwelche „Lieblingsinstitute“ mit Vorlagen/Studien für Gesetze beauftragt und sind deren Chefs auch noch selbstverliebte Egomanen, die nicht einmal einen Workshop mit anderen Meinungen aushalten, dann kommt eben nur Mist raus. Dies ist leider eine Beschreibung der Realität in Berlin.
Jüngstes Beispiel ist der krasse Entwurf den das BMWi zur den gemeinsamen Wind- und Solarausschreibungen präsentiert hat- irgendwie erwurschelt auf der Basis einer echten Murksarbeit aus der „Berater-Corona“ des Ministeriums. Null Systemgedanke, Null Kostenoptimierung, aber ein Bürokratiemonster (mehr). Allerdings hat hier die EE-Branche auch weitestgehend nur reagiert, statt wie von uns auf dem Forum Neue Energiewelt im November 2016 begonnen (mehr), aktiv und spartenübergreifend zu gestalten. Kaum zu glauben, mit dem Mieterstromgesetz wurde gleich noch so ein Monster nachgelegt (mehr). Und das obwohl eine kluge Regelung für Mieter die absolut richtige Richtung ist. Dazu würden aber auch technische Regeln gehören, die vor Ort die muntere Kakophonie der Netzbetreiber beenden und somit Klarheit schaffen, verbunden mit massiv geringeren Kosten.
Dies hat nichts mit dem guten Willen von durchaus Vielen in der Politik zu tun. Es ist die Struktur und diese kann nur über einen politischen Prozess der gewählten Vertreter angepasst werden.
An dieser Stelle sind wir dann bei uns selbst- als Wähler oder politisch meist nicht aktiven Branchenteilnehmer. Wie sollen bei all den vielen und komplexen Themen unsere Vertreter im Parlament etwas besser hinkriegen, wenn wir nicht einmal eine einzige konsistente Vorlage liefern. Stattdessen kämpfen munter alle einzeln für Wind oder für Solar oder für Speicher oder für den Erhalt der Kohlekraftwerke usw. Während es Eon, Innogy, EnWB, Vattenfall und andere nicht schaffen, in den für mich bizarr alten Verbänden BDEW oder VKU endlich das Neue zu gestalten und während auch die Neuen in den über 30 Verbänden das auch nicht hinkriegen, wird sich munter nur beklagt über das, was einem wieder „vorgesetzt wird“.
Genau deshalb wird es nix mit Eon und Google. Keine politische und technische Rahmenbedingung passt bisher über den ersten Tag hinaus, wenn man mehr als Prototypen oder Marketing mit „Schwarmspeichern“ oder ähnliches machen will. Dazu muss die Politik gescheite Ideen aus einer komplexen Welt präsentiert bekommen und weiter dazu gedrängt werden, sich zu bewegen und endlich zu gestalten. Von allein wird das nicht passieren. Die Energiewirtschaft mäandert weiter munter hin und her- mit immer höheren Gesamtkosten, negativer Stimmung und weit weg vom Potenzial was eigentlich darin steckt.
Die Energiewirtschaft muss also endlich ihre gemeinsame Stimme der Neuen Energiewelt finden und die Politik ihren Mut, um gemeinsam gestalten zu können. In den Ministerien müssen sich die Verantwortlichen überlegen, wie sie ihre Trampelpfade bei der Gestaltung von Gesetzen verlassen und Corona von Beratern vielleicht verändern sollten, damit alle gemeinsam am Ende sagen: Es ist doch ein Erfolg geworden! Dann läge ich mit meiner Einschätzung falsch. Und das wäre OK.
Der Autor Karl-Heinz Remmers ist seit 1992 im Bereich Solartechnik aktiv. 1998 gründete er die Solarpraxis AG in Berlin mit und ist nun Vorstandschef der Solarpraxis „Neue Energiewelt“. Bis Ende August 2015 war er Herausgeber des pv magazine mit Editionen für den Weltmarkt, Deutschland, China und Lateinamerika. Karl-Heinz Remmers ist zudem Autor und Mitautor zahlreicher Fachbücher zu den Themen Photovoltaik und Solarthermie. Diskutieren und gestalten Sie mit uns die neuen Wege auf dem 18. Forum Neue Energiewelt am 16./17. November in Berlin. Oder treffen Sie uns auf der Intersolar in München vom 31. Mai bis 02. Juni Halle B2 Stand 416. Kommen Sie zu einem unserer Themenfrühstücke und Mittagessen während der Messe. Es gibt dabei einiges zum Markt oder auch aus Asien zu lernen.
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.
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Genau so ist es! Endlich bringt es einer mal auf den Punkt. Danke, Herr Remmers !
Die Analyse trifft es. Vielen Dank! Was aber fehlt ist ein konkreter Vorschlag, wie den Defiziten abzuhelfen wäre. Wo sieht ein Karl-Heinz Remmers aktuell den besten Ansatzpunkt, um mit konkreten Vorschlägen der Malaise abzuhelfen. Und wo könnten sich gewillte Akteure treffen, um konkrete Vorschläge zu diskutieren und in den politischen Prozess einzuspeisen.
Wenn schon ein Karl-Heinz Remmers nicht mehr weiter weiß, wer soll dann den Weg wissen? Und noch eins: Schokokuchen für alle ist ja gerade nicht die Lösung und „Eat as much as You can“ schafft ja gerade erst die Probleme, vor denen wir gerade stehen! Es geht um einen gerechten Interessenausgleich und um Foren, auf denen dieser sachgerecht diskutiert wird.
Daran sollten wir alle (weiter?) mittun.