Der siebte Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) ordnet in einer brandneuen Entscheidung (2. Juni 2016, Az. VII ZR 348/13) eine Photovoltaik-Anlage dem Gebäude zu, auf der sie errichtet wurde, und kommt für die Geltendmachung von Mängelansprüchen damit zu einer Verjährungsfrist von fünf Jahren, statt einer Frist von zwei Jahren, die der achte Senat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2013 für richtig erachtet hatte.
Beim obersten deutschen Gericht gibt es aber nur scheinbar unterschiedliche Auffassungen zu dieser umstrittenen Frage, die die Oberlandesgerichte (OLG) landauf, landab immer wieder beschäftigt. Ausschlaggebend für die unterschiedliche Beurteilung ist der von den Gerichten jeweils zugrunde gelegte Sachverhalt, konkret, ob es sich bei der Anlage um einen Teil des Bauwerks handelt, auf dessen Dach sie errichtet wurde.
Die Frage, nach welcher Zeit Ansprüche wegen Mängeln an auf Dächern installierten Photovoltaik-Anlagen verjähren, ist seit Jahren Gegenstand verschiedener Entscheidungen von Oberlandesgerichten und letztlich auch des Bundesgerichtshofs. Die Vielzahl der ergangenen Entscheidungen lässt erkennen, dass eine einheitliche Beantwortung dieser Frage nicht möglich ist. Auch das neueste Urteil des BGH ändert daran nichts, und zwar schon allein deshalb, weil es scheinbar im Widerspruch zur Entscheidung aus dem Jahr 2013 steht. Nur scheinbar ist der Widerspruch deshalb, weil die zu entscheidenden Sachverhalte sich stark unterscheiden und rechtlich unterschiedlich zu bewerten sind. Die neue Entscheidung des BGH aus Juni 2016 lässt allerdings viel Raum für Diskussionen; so ohne Weiteres nachvollziehbar ist sie nicht. Dreh- und Angelpunkt für die Antwort ist, ob eine Aufdachanlage ein Bauwerk oder einen Teil eines Bauwerks darstellt. Danach richtet sich die Länge der Verjährungszeit.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH gilt die fünfjährige Verjährungsfrist bei Bauwerken, wenn das Werk, konkret die Photovoltaik-Anlage, in das Gebäude eingefügt wird und dem Zweck des Gebäudes dient. Das Merkmal eines festen Einbaus in das Gebäude kann dabei noch relativ leicht festgestellt werden; dagegen ist die Zweckdienlichkeit viel schwieriger zu beurteilen. Und genau an diesem Punkt scheint das Urteil des siebten Senats aus dem Juni 2016 doch einigen Erklärungsbedarf aufzuwerfen.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit der Errichtung einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ihrer Tennishalle. Die Photovoltaik-Anlage besteht aus 335 gerahmten Modulen mit einem Gewicht von je 18 Kilogramm, die auf einer Unterkonstruktion montiert wurden, die mit dem Dach fest verbunden wurde. Unterkonstruktion und Module waren so anzubringen, dass die Statik des Dachs durch das Eigengewicht der Anlage nicht beeinträchtigt wird und die Anlage sturmsicher ist. Zudem mussten die Montageelemente und die Durchdringungen der Kabelschächte ins Innere der Tennishalle dauerhaft regendicht in die bestehende Dachdeckung eingefügt sein. Die Beklagte verlegte ca. 500 Meter Kabel, unter anderem um die Module mit im Innern der Halle angebrachten Wechselrichtern zu verbinden. Hierfür legte die Beklagte Kabelkanäle in das Innere der Halle. Von den Wechselrichtern legte die Beklagte Stromleitungen zu einem außerhalb der Halle befindlichen Zählerverteilungskasten. Hierfür waren Grabungsarbeiten in erheblichem Um- fang notwendig.
Ebenfalls im Innern der Halle errichtete die Beklagte eine Kontroll- und Steuerungsanlage, die sie mit den Wechselrichtern und den Modulen verkabelte und programmierte. Die Klägerin rügt die zu geringe Leistung der Anlage und verlangt eine Minderung um 25 Prozent der Nettovergütung. Das OLG München hatte in zweiter Instanz die Klage wegen Verjährung abgewiesen.
Die Größe und die aufwendige Konstruktion der Anlage sowie der Umstand, dass wesentliche Teile der Anlage im Inneren der Tennishalle installiert wurden, haben den siebten Senat veranlasst, hier eine feste Verbindung der Anlage mit der Tennishalle anzunehmen, die nicht ohne größeren Aufwand wieder voneinander getrennt werden könnten. Dies ist noch nachvollzieh- bar und eine Frage der Beurteilung im Einzelfall. Der siebte Senat hält vorliegend allerdings auch das weitere Merkmal für gegeben und nimmt an, dass die Anlage dem Zweck des Gebäudes dient.
In der Rechtsprechung wurde das Merkmal der Zweckdienlichkeit bejaht, wenn die Anlage eine Funktion für das Gebäude selbst hatte, wenn man zumindest annehmen könnte, dass die Stromversorgung der Tennishalle wenigstens auch über die Dachanlage erfolgt. Genau damit begründete der achte Senat des BGH seine Entscheidung, die nicht bauwerksbezogene kurze Verjährung anzuwenden. In dem dort zu entscheidenden Fall war die Anlage auf einem Scheunendach errichtet worden; der erzeugte Strom wurde gegen Vergütung ins öffentliche Netz eingespeist. Nach Ansicht der Richter „dient die Solaranlage eigenen Zwecken, denn sie soll Strom erzeugen und dem Landwirt S dadurch eine zusätzliche Einnahmequelle verschaffen; um diesen Zweck zu erfüllen, hätte die Anlage auch auf jedem anderen Gebäude angebracht werden können. Die Photovoltaik-Anlage hat mithin keine Funktion für das Gebäude (Scheune) selbst, sondern sie ist, weil es dem Bauherrn zweckdienlich erschien, lediglich ebendort angebracht worden.“ Das Gericht erläutert dazu sogar: „Selbst wenn ein Teil des von der Solaranlage erzeugten Stroms der Energieversorgung der Scheune dienen sollte, würde dies im Streitfall nicht zur Anwendbarkeit der fünfjährigen Verjährung führen. Denn auch dann läge der Hauptzweck der Errichtung der Anlage darin, dem Kläger eine zusätzliche Einnahmequelle zu verschaffen, so dass es auch in dieser Fallgestaltung an einer Verwendung ‚für ein Bauwerk‘ fehlen würde.“
Der siebte Senat teilt diese Ansicht in der aktuellen Entscheidung ausdrücklich nicht. Nach seiner Ansicht kommt es nicht darauf an, ob die PV-Anlage eine Funktion für das Gebäude erfüllt, sondern nur darauf, ob sie der grundlegenden Erneuerung des Gebäudes dient. Hier wird also das Merkmal der Zweckdienlichkeit völlig anders ausgelegt. Nach Ansicht des siebten Senats kommt es darauf an, ob die Installation der Anlage auf dem Dach, wäre sie bei der Neuerrichtung der Halle erfolgt wäre, als Arbeiten an einem Bauwerk zu qualifizieren gewesen wären. Dies bejaht der siebte Senat mit folgendem Argument: „… da das Gebäude, unabhängig von seinen sonstigen Zwecken, jedenfalls auch dazu gedient hätte, Trägerobjekt für eine Photovoltaik-Anlage zu sein.“ Dies soll auch dann gelten, wenn die Arbeiten am Dach einem Neubau gleichen. Für den Einbau mussten gravierende Eingriffe in die Dachhaut und die Konstruktion vorgenommen werden, sodass der BGH darin eine grundlegende Erneuerung der Tennishalle erkennt.
Dies überzeugt allerdings nicht. Der Zweck einer Tennishalle ist zunächst, Tennisplätze anzulegen, auf denen Tennis gespielt werden kann; sie muss daneben auch Umkleiden, Duschen und vielleicht noch Gastronomie beherbergen. Wenn auf dem Dach eine PV-Anlage errichtet wird, ändert das am Zweck der Tennishalle nichts. Der BGH leitet ohne nachvollziehbare Begründung allein aus dem Um- stand, dass eine PV-Anlage aufwendig auf dem Dach installiert wird, ab, dass die Halle auch zu dem Zweck errichtet wurde, auf ihrem Dach eine PV-Anlage zu betreiben, und dass insoweit eine Funktionserweiterung stattgefunden habe. Wird die Rechtsprechung so fortgesetzt, muss man für die Zukunft wohl davon ausgehen, dass bei umfangreichen Einbauarbeiten die Dächer im Wege einer Funktionserweiterung Trägerobjekt für PV-Anlagen sein sollen.
Für die Eigentümer und Betreiber von Photovoltaik-Anlagen auf Dächern ist damit die Rechtslage nicht klarer als vor dem Urteil. Wir empfehlen daher allen, die ihre Anlagen vor nicht mehr als zwei Jahren abgenommen haben, diese rechtzeitig auf Mängel zu untersuchen und bestehende Mängel noch vor Ablauf der zwei Jahre außergerichtlich bzw. gerichtlich geltend zu machen.
Für alle anderen, deren Abnahme noch innerhalb der Fünfjahresfrist liegt, besteht nach dem Urteil des BGH vom 2. Juni 2016 noch Hoffnung; es gilt jetzt, dem Gericht umfangreiche Eingriffe in das Gebäude darzulegen und es zu überzeugen, dass der Fall mit dem des siebten Senats vergleichbar ist.
Rechtsanwalt Klaus Forster, LL.M. (Real Estate Law), ist bei Rödl & Partner schwerpunktmäßig im Bereich des Immobilienrechts tätig. Er hat sich hierbei spezialisiert auf die Ausschreibung, rechtliche Prüfung, Gestaltung und Vertragsverhandlung von Verträgen für den Betrieb und die Nutzung im Zusammenhang mit Energieprojekten. Daneben bilden die baubegleitende Beratung sowie die Themen Outsourcing, Betreiberverantwortung, Prüfung und Gestaltung von Bau- und Architektenverträgen weitere Schwerpunkte seiner Tätigkeit. Herr Forster ist ständiger Autor bei der Fachzeitschrift Immobilien und Mietrecht (IMR), Verbandsjurist im Bundesverband für die Immobilienwirtschaft (BVFI) sowie Lehrbeauftragter an der Wilhelms-Universität Münster zum Immobilienwirtschaftsrecht.www.roedl.de/ee
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