Auf einem Infotag des FNN vergangene Woche zeigte sich, wie Netzbetreiber ihre Schäfchen noch ein bisschen mehr ins Trockene bringen wollen. Dort sei klar geworden, dass sich die Regierungskoalition auf weitere Änderungen verständigt hat, die es in sich haben, so die Aussage eines Branchenexperten, der nicht genannt werden will, gegenüber pv magazine.
Demnach will die Bundesregierung Besitzer von Photovoltaik-Anlagen die Steuerbox und alle weiteren Einbaukosten, die im Zuge des Smart-Meter-Rollouts eingebaut werden sollen, selber bezahlen lassen. Wie viele es am Ende trifft, ist allerdings nicht ganz klar.
Auch die Kosten des Einbaus sind nach allgemeiner Einschätzung kaum abschätzbar. Das Smart-Meter-Gateway stellt die Verbindung der so genannten „intelligenten Messsysteme“ per Internet nach außen dar. Dessen Kosten sind in den jährlichen Zahlungen, die im Zusammenhang mit dem Smart Meter Rollout genannt werden, enthalten. Zwischen dem Gateway und dem Wechselrichter sitzt dann die Steuerbox selber, um die Photovoltaikanlage steuerbar zu machen, Diese könne teurer werden als ein Rundsteuerempfänger, so der Branchenexperte. Aber auch die Installation und, wenn im alten Schaltschrank kein Platz mehr ist, ein Umbau des Schaltschrankes müssen bezahlt werden. „Da könnten bis zu 1.000 Euro pro Anlage zusammenkommen.“
Die Katze kam aus dem Sack, als auf dem Infotag, der am 16. Juni im Berliner Estrel-Hotel stattfand, Oliver Franz, bei RWE Senior Experte für das Regulierungsmanagement, den politischen Rahmen des Gesetzes, das am Donnerstag im Bundestag zur Abstimmung ansteht, zusammenfasste. Das Bundeswirtschaftsministerium hat danach in seine „Formulierungshilfe“ für die den Änderungsantrag der Regierungskoalition aufgenommen, dass der Zählerplatz-Umbau auf Kosten der Anschlussnehmer erfolgen solle. Damit werde eine Forderung von RWE und dem BDEW aufgegriffen, ist in der Präsentation zu lesen. Ministerien fassen üblicherweise als Formulierungshilfen zusammen, was die Abgeordneten zuvor verhandelt haben.
Oliver Franz selbst sieht die Kostendiskussion allerdings entspannter. Zum einen was die Höhe der Summe angeht. Der Einbau eines neuen Zählerschranks sei vermutlich nicht die Regel. Notwendig werde er etwa in einem Altbau aus den 20er Jahren, als Zähler auf Marmorplatten montiert wurden. Die Zuständigkeit des Netzbetreibers endet am Hausanschluss. Die einzige Ausnahme ist der Zähler selber. „Das ist sinnvoll“, so Franz. Es sei nicht einzusehen, dass Netzbetreiber in dem 20er Jahre Altbau grundsätzliche Modernisierungskosten übernehmen.
Aber auch die restlichen Kosten, die durch diese geplante Änderung auf die Betreiber zukommen, sind bisher nur eine Spekulation. Außer dem Zählerschrank muss die Steuerbox selber bezahlt werden. Selbst wenn die Elektronik billig sein sollte, stellt sich die Frage, wie teuer Zertifizierungskosten sind und zu welchem Preis sie am Ende angeboten wird. Einzelheiten dazu dringen kaum nach außen, da die FNN-Arbeitsgruppe, in der die Steuerbox diskutiert wird, nicht veröffentlicht, was sie plant.
Fragwürdige Kosten-Nutzen-Abschätzung
Hohe zusätzliche Kosten würden wiederum der Logik der Entstehungsgeschichte des Gesetzes widersprechen. Nachdem die EU den Mitgliedstaaten die Freiheit gelassen hat, entsprechend volkswirtschaftlicher Sinnhaftigkeit das Smart-Meter-Rollout in ein Gesetz zu gießen, hat die Bundesregierung bei Ernst & Young ein Gutachten in Auftrag gegeben. Unter fragwürdigen Annahmen kam ein volkswirtschaftlicher Nutzen heraus, wenn die Messkosten bei 80 Euro pro Jahr liegen und Photovoltaikanlagen bis unter einem Kilowatt Leistung einbezogen würden. Allerdings wurde als Alternativszenario zu einer Steuerbarkeit der Anlagen nicht einmal im Betracht gezogen, dass die Anlagen sowieso auf 70 Prozent ihrer Nennleistung abgeregelt werden müssen. (SieheArtikel November 2015 mit Wirtschaftlichkeitsbetrachtung). Es sieht so aus, dass auch die Umrüstkosten der Steuerbox und der Installation in den Analysen von Ernst & Young gar nicht vorkamen. Egal, wer die Kosten nun tragen muss: sie entstehen einfach zusätzlich.
Der Gesetzgeber argumentiert in diesem Gesetz viel von Nutzen und Kosten für die einzelnen Beteiligten. So sind für einzelne Gruppen Preisobergrenzen vorgesehen, ab denen das Rollout stattfinden soll. Erst vergangene Woche wurde bekannt, dass nun auch Anlagen bis hinunter zu einem Kilowatt Leistung eingebunden werden sollten, allerdings nur dann, wenn jährlichen Messkosten für diese Gruppe unter 60 Euro liegen. Von möglichen 1.000 Euro Installationskosten war da allerdings nirgends die Rede.
Altanlagen bis 7 Kilowatt müssen anscheinend nicht nachgerüstet werden
Die Frage dürfte auch sein, wen die Ausrüstung mit der Steuerbox überhaupt betrifft. Nach den letzten „Formulierungshilfen“ sieht es so aus, dass bestehende Anlagen unter 7 Kilowattpeak nicht nachgerüstet werden müssen, sondern bis 2032 lediglich eine so genannte moderne Messeinrichtung erhalten müssen. Das ist ein elektronischer Zähler, für den die gesetzliche Preisobergrenze 20 Euro brutto beträgt. Für die Anlagen der Größe 7 bis 30 Kilowattpeak, für die die Betreiber statt des Einspeisemanagements die Option gewählt haben, auf 70 Prozent der Nennleistung abzuregeln, lassen sich anscheinend noch keine endgültigen Angaben machen. Der Kabinettsentwurf für das EEG 2016 regelt momentan nur die Messtechnik für Anlagen in Direktvermarktung und enthalte entsprechende Übergangsregelungen. Anzunehmen, so Franz, sei aber, dass der Gesetzgeber entsprechende Regelungen auch für das Einspeisemanagement nach Paragraph 9 des EEG beziehungsweise abgeregelte Anlagen erlassen werde. Dann werde ein Teil dieser Anlagen auch die neue Steuerelektronik einbauen müssen, wenn die bestehende nicht mit dem intelligenten Messsystem kompatibel ist.
Aus Sicht von Oliver Franz wäre es daher vorteilhaft, wenn das BSI die lange angekündigte „Roadmap Messsysteme“ publizieren würde, damit eine öffentliche Diskussion über das weitere Vorgehen geführt werden kann. Für eine wirtschaftliche Gestaltung der Roll-outs sei es sinnvoll so Franz weiter, eine Anlage nicht erst entsprechend der Anforderungen des Digitalisierungsgesetzes zum Fernauslesen auszustatten und diese dann einige Jahre später nochmals aufzusuchen, um Fernwirktechnik für eine BSI-konforme Steuerung nachzurüsten.
Technisch keine Lösung für die digitale Zukunft
Technisch scheint sich der FNN mit der Steuerbox weiter Richtung IT-Steinzeit zu bewegen, so die Einschätzung von Experten aus der Solarbranche. Nach wie vor soll die Anlage über eine vierstufige Relaissteuerung an das Smart-Meter Gateway angekoppelt werden. Das entspricht einer 4-Bit-Steuerung. pv magazine hat schon im November darüber berichtet, dass Experten aus der Solarbranche vollkommen unklar ist, wie damit kompliziertere Regelungen und – auch aus Sicherheitsgründen –manchmal notwendige Software-Updates vonstatten gehen sollen. An dieser Stelle scheint es noch viel Diskussionsbedarf zu geben. Das 50,2 Herz-Problem hat gezeigt, dass manchmal nachträgliche Updates nötig sind und damals hat es lange gedauert, weil das eben nicht aus der Ferne machbar war.
RWE-Experte Oliver Franz betont dagegen den Sicherheitsaspekt etwaiger Software-Updates. Es sei klar, dass die Welt nicht einfacher werde, wenn man zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen, wie sie das BSI-Schutzprofil mit sich bringe, zu berücksichtigen habe. Das sei eine Frage der Risiko- und Kostenabschätzung. Er sieht Software-Updates, die nicht über gesicherte und verschlüsselte Kommunikations-Kanäle, wie sie das BSI-Schutzprofil grundsätzlich etabliert, vorgenommen werden, kritisch. Er stellt die Frage, ob es sein kann, dass ein Messvorgang sicherer gestaltet wird, als ein Software-Update, das die Funktion der Anlage ändert.
Für die Frage, wie an dieser Stelle die beste Lösung gefunden werden kann, gibt es anscheinend noch keine Antwort.
Die Steuerbox muss nicht nur Photovoltaikanlagen ansteuern, sondern ähnlich viele Steuerungen von Wärmeanwendungen. Das Design scheint mehr aus diesem Bereich zu kommen. So kann es auch noch andere Typen von Steuerboxen geben wird, die den Anforderungen des Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik entsprechen und unterschiedliche Anwendungsfälle adressieren werden. Auch da stellt sich die Frage, wie Unternehmen verlässlich planen können und mehrfache Umbaukosten vermieden werden.
Anzumerken bleibt dabei, dass auch die Verteilnetzbetreiber nicht in einer beneidenswerten Rolle sind. Sie müssen ebenfalls Investitionskosten schultern, deren Nutzen zumindest für sie fragwürdig ist. Zusätzliche Kosten können sie am Ende aber sowieso wieder über die Netzumlage an die Endkunden abgeben.
Die vielen Kleinanlagenbetreiber werden allerdings noch weniger Nutzen davon haben als Netzbetreiber. Eine dieses Jahr errichtete Fünf-Kilowatt-Anlage erwirtschaftete mit durchschnittlichem Eigenverbrauch pro Jahr rund 500 bis 600 Euro. Die Investitionskosten lassen sich damit in 14 bis 18 Jahren refinanzieren. Da scheinen die 1.000 Euro, die alleine die Amortisation zwei Jahre verschieben würden, und die als Folge der Verabschiedung des Digitalisierungsgesetzes auf sie zu kommen können, nicht sehr verhältnismäßig zu sein. Und wenn es alles viel billiger geht – schön. Aber warum wird das dann nicht auch im Gesetz festgeschrieben?
Viele Experten bemängeln nach wie vor, dass es keinen Nutzen gibt, die Kleinanlagen steuerbar zu machen. Sie sehen darin vor allem einen Erfolg für die Zählerindustrie und andere, die damit einen Milliardenumsatz generieren dürften.
Planlos in die digitale Welt
Dass Digitalisierung wichtig ist, weist übrigens niemand zurück. Auch die neuen Geschäftsmodelle, wie sie Sonnen mit der Sonnen-Community, Senec mit dem Econamic Grid und der Cloud oder Caterva mit dem Freistrom-Konzept umsetzen oder umsetzen wollen, erfordern eine Steuerbarkeit der Anlagen (siehe pv magazine Printausgabe Juni 2016:Geschichten vom Strommarkt undWelcher Ökostrom tut der Energiewende eigentlich gut). Doch diese Unternehmen versprechen einen klaren Kundennutzen und entwickeln Möglichkeiten, wie eine Steuerbarkeit vieler dezentraler Erzeuger ökonomisch umsetzbar ist. Eine Frage ist, ob diese Aushängeschilder der Digitalisierung der Energiewelt mit der nun vorgesehenen Steuerung der FNN-Arbeitsgruppe überhaupt machbar sind. Für einige Konzepte dürfte sie viel zu langsam reagieren.
Es gibt auch schon die Formulierungshilfe, dass die Steuerung nur dann über „das intelligente Messsystem“ erfolgen muss, wenn sie über die zur Direktvermarktung notwendigen Funktionalitäten verfügt und gegen angemessenes Entgelt am Markt vorhanden ist.
Der Gesetzentwurf ist hartes Brot, auch wegen der vielen verschiedenen Bestimmungen für verschiedene Gruppen und Wenn dann Regelungen. Der BEE hat wiederholt darauf hingewiesen, dass am Anfang eines Digitalisierungsgesetzes ein Plan stehen müsse, wie ein Energiesystem mit 80 oder 100 Prozent fluktuierender Erzeugung aussehen kann. Dazu ist zum Beispiel die Frage zu klären, wie solch ein System aufgebaut werden kann, dass es möglichst wenig verwundbar ist. Ein solcher Plan fehlt nach Ansicht des BEE vollkommen. (Michael Fuhs)
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