Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sind 2024 um 3,4 Prozent auf 649 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gegenüber 2023 gesunken, wie ein am Freitag veröffentlichter Bericht des Umweltbundesamts (UBA) zu vorläufigen Schätzungen zeigt. Die gesetzlich erlaubte, angepasste Jahresemissionsgesamtmenge von 693,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten für das Jahr 2024 wurde damit recht deutlich unterschritten. Nach Projektionen des UBA sei zudem das Ziel, die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 zu mindern, „mit den schon implementierten klimapolitischen Instrumenten weiter in greifbarer Nähe“. Aktuell liege Deutschland auf einem Minderungskurs von 63 Prozent.

Grafik: UBA
Für den Zeitraum 2021 bis 2030 werde die sektorübergreifende Jahresemissionsgesamtmenge demnach sogar mit 81 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente übererfüllt. Haupttreiber ist dabei die Energiewende, die die Emissionen in der Energieerzeugung überproportional sinken lässt. Damit würden die Zielverfehlungen der Sektoren Verkehr und Gebäude nach Klimaschutzgesetz (KSG) ausgeglichen.
„Deutschland schließt seine Klimaschutzlücke und ist auf Klimakurs“, erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu dem UBA-Bericht. „Als drittgrößte Wirtschaftsnation weltweit können wir sagen: weniger Treibhausgase sind möglich, auch mit wachsender Konjunktur in den kommenden Jahren. Der starke Ausbau erneuerbarer Energien und der Netze sowie der Emissionshandel sind Garanten für den kontinuierlichen Rückgang klimaschädlicher Treibhausgase.“ Der in den vergangenen drei Jahren eingeschlagene Weg, müsse nun „entschieden und ehrgeizig“ weiterverfolgt werden, so Habeck weiter. Alle Sektoren müssten dabei ihren Beitrag leisten.
Ziele zur EU-Klimaschutzverordnung weit entfernt
Allerdings zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Deutschland seine Ziele zur EU-Klimaschutzverordnung (Effort Sharing Regulation, ESR) zwischen 2021 und 2030 klar zu verfehlen droht. Die voraussichtliche Gesamtlücke im Zeitraum 2021 bis 2030 beträgt dem Ministerium zufolge aktuell 226 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Grund sei dabei der unzureichende Fortschritt in den Sektoren Verkehr und Gebäude. „Ohne schnelle Nachsteuerung in diesen Sektoren drohen sprunghaft ansteigende CO2-Preise sowie hohe Strafzahlungen an andere EU-Staaten“, warnte das Bundeswirtschaftsministerium. Diese Gelder sollten lieber in die Transformation in Deutschland investiert werden.
Der UBA-Bericht schlüsselt die Minderungen auch nach den Sektoren auf. So habe die Energiewirtschaft, speziell die Stromerzeugung, „einen überproportionalen Beitrag zur Emissionsminderung“ geleistet. Die Minderung sei 2024 vor allem auf einen starken Rückgang der Emissionen aus der fossilen Energiewirtschaft um rund 17,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente zurückzuführen bei einem gleichzeitigen starken Anstieg der Erneuerbaren-Erzeugung. Ihr Anteil am Bruttostromverbrauch in Deutschland lag 2024 bei rund 54 Prozent. Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien und ein schnelles Ende der Kohleverstromung seien „die zentralen Pfeiler für die Klimaschutzziele bis 2030“. Das Bundeswirtschaftsministerium mahnt an, sie „unbeirrt“ weiterzuverfolgen. Nach den UBA-Projektionen wird die Energiewirtschaft bis 2030 weiterhin einen überproportionalen Beitrag zur Treibhausgasminderung leisten und ihre kumulierten Ziele im Zeitraum 2021 bis 2030 mit 250 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente voraussichtlich sogar übererfüllen.
Im Verkehrssektor wird eine Verfehlung der kumulierten Jahresemissionsmengen zwischen 2021 und 2030 um 169 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente prognostiziert. „Die zurückhaltende Nachfrage nach batterieelektrischen Autos sorgt mich. Der Markhochlauf von Elektroautos muss wieder deutlich mehr Fahrt aufnehmen“, sagte UBA-Präsident Dirk Messner. Er forderte, unbedingt am Ausstieg für fossile Verbrenner-Pkw bis 2035 festzuhalten. Im Gebäudesektor wird die Verfehlung voraussichtlich bei 110 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten liegen. Im Industriesektor blieben die Emissionen 2024 mit einem leichten Plus von 0,1 Prozent auf 153 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente nahezu konstant. Allerdings liege die Industrie weiter auf Kurs und habe das Ziel schon übererfüllt.
„Sektorübergreifend und langfristig besteht noch nicht ausreichend Planungssicherheit für die Transformation zur Treibhausgasneutralität. Mit den jetzigen Maßnahmen erreicht Deutschland bis zum Jahr 2040 eine Minderung um rund 80 Prozent gegenüber 1990, das KSG-Ziel sieht aber mindestens 88 Prozent Minderung vor“, erklärte das UBA. „Für eine dauerhafte Treibhausgasneutralität ab 2045 ist es daher wichtig, sämtliche Minderungspotentiale zu heben, um den Bedarf an ausgleichenden Negativemissionen so klein wie möglich zu halten.“
Zusätzliche strukturelle Maßnahmen notwendig
Auch wenn Bundeswirtschaftsministerium und UBA Deutschland auf einem guten Weg sehen, gibt es von außen durchaus kritische Stimmen, etwa von Agora Energiewende und der Deutschen Umwelthilfe (DUH). „Selbst wenn das Zwischenziel 2030 aus Sicht des Umweltbundesamtes erreichbar scheint, ist es dringend erforderlich, dass die kommende Bundesregierung insbesondere im Gebäude- und Verkehrssektor strukturelle Maßnahmen umsetzt. Denn nur so kann Deutschland Kurs auf die Klimaziele 2040 und 2045 halten“, sagte Markus Steigenberger, Geschäftsführer von Agora Energiewende. „Entscheidend hierfür ist eine gesicherte Finanzierung, bei der öffentliche Fördermittel private Investitionen mobilisieren. Unsere Berechnungen zeigen, dass die notwendigen Investitionen bis 2030 insgesamt zwar ansteigen, in den Folgejahren jedoch schrittweise absinken – und sich durch vermiedene Importe fossiler Brennstoffe und dauerhaft niedrigere Strompreise volkswirtschaftlich auszahlen.“
Bei der DUH sieht man durch den Projektionsbericht einen erhöhten „klimapolitischen Druck auch für die Koalitionsverhandlungen. Das „Klimaziel 2030 wird massiv verfehlt“, so die Einschätzung der Vereinigung. Sie fordert daher auch ein „Klimanotfallprogramm für Verkehr und Gebäude im Koalitionsvertrag“. „Union und SPD müssen jetzt die Weichen für echten Klimaschutz stellen – sonst werden wir sie vor dem Bundesverwaltungsgericht dazu zwingen“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
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