Bei einem Vergleich der europäischen Großhandelspreise für Energie zwischen 2023 und 2024 war ein spürbarer Rückgang erkennbar, angetrieben von mehreren abwärtsorientierten fundamentalen Faktoren. Insbesondere die französische Kernkraftproduktion nahm gegenüber 2023 deutlich zu. In Kombination mit der außergewöhnlichen Wasserkraftproduktion führte dies dazu, dass Frankreichs Netto-Stromexporte ein 22-Jahres-Hoch trotz anhaltender Herausforderungen durch die zeitweise verringerte verfügbare Übertragungskapazität in Nachbarmärkte erreichten. Unterdessen setzte sich die umfassende Integration erneuerbarer Energiequellen auf dem gesamten Kontinent fort. Die Erzeugung der Photovoltaik-Anlagen stieg im Jahresvergleich um 20 Prozent, was zu einer Rekordzahl negativer Strompreise in ganz Europa beitrug. Zudem belastete die schleppende Nachfrageerholung die europäischen Energie- und CO2-Preise zusätzlich.
Die milden Witterungsbedingungen im Winter 2023/24 beeinflussten die Energiepreise in Europa erheblich, indem sie die Entnahme aus Gasvorräten reduzierten. Dies erleichterte den Auffüllprozess und übte zunächst Druck auf den Gaspreis und später auf die CO2-, Kohle- und Strompreise aus. In der zweiten Jahreshälfte spannte sich jedoch die Lage auf dem LNG-Markt aufgrund des intensiven Wettbewerbs zwischen Europa und Asien an. Dies wurde durch verzögerte Neuprojekte verschärft und führte zu höheren Preisen. Zudem sorgten ein kälteres Jahresende 2024 im Vergleich zu den beiden Vorjahren sowie langsamere LNG-Importe dafür, dass die europäischen Gasvorräte unter den Fünf-Jahres-Durchschnitt fielen. Schließlich reduzierte der Ablauf des ukrainischen Gastransitabkommens Ende Dezember die russische Pipeline-Versorgung. Diese Einbußen, gepaart mit ungeplanten Ausfällen bei wichtigen Lieferanten, zwingen Europa, den Wettbewerb mit Asien im globalen LNG-Markt zu intensivieren, um sich große Mengen an LNG-Importen zu sichern und das offizielle Speicherziel von 90 Prozent bis November 2025 zu erreichen.
Auch geopolitisch verstärkten die eskalierenden Konflikte im Nahen Osten in den letzten Monaten des Jahres 2024 die Versorgungsbedenken. Die Märkte bemühten sich aktiv um die Klärung potenzieller Bedrohungen. Unterdessen bereiten sich die Märkte auf die Auswirkungen der zweiten Trump-Regierung in den USA vor, die am 20. Januar ihre Arbeit aufnehmen wird. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Richtlinien wie Handelszöllen gegen China, potenziellen Sanktionen gegen iranisches Öl, neuen Offshore-Bohrinitiativen und politischen Interventionen im Russland-Ukraine-Konflikt. Zugleich nimmt die politische Unsicherheit in Europa zu, da im kommenden Monat in Deutschland nach dem Scheitern der Regierung im November die Bundestagswahl ansteht. Diese potenziellen Turbulenzen erschweren Energiestrategien, verzögern den Bau neuer mit Wasserstoff betriebener Gaskraftwerke mit einer Leistung von 10,5 Gigawatt und stellen das Ziel des Kohleausstiegs bis 2030 in Frage. Diese Entwicklungen sind, aufgrund von Deutschlands Schlüsselrolle in der EU-Wirtschaft und seinem Einfluss auf den Finanzstrommarkt, insbesondere für den breiteren europäischen Energiemarkt von Bedeutung.
Angesichts all dieser Entwicklungen gehen wir davon aus, dass auf ein ereignisreiches 2024 ein weiteres ereignisreiches Jahr folgen wird, das von unvorhersehbaren geopolitischen Ereignissen, politischen Veränderungen und Vorgaben, makroökonomischen Unsicherheiten und schwankenden Wetterbedingungen geprägt ist. All dies wird dazu beitragen, dass die Volatilität der Energiepreise auch im Jahr 2025 hoch bleibt.
— Der Autor Andy Sommer ist seit 1992 als Analyst in der Energiebranche aktiv und bewertet seit 2008 für Axpo die globalen Märkte. Seit einigen Jahren führt er das Team „Fundamental Analysis & Modeling“, mit dem er für interne und externe Kunden Einschätzungen zu den Energiemärkten in Europa und weltweit erstellt. Das Team konnte mit seinen Services im Jahr 2021 den Energy Risk Award für „Research in European Power“ gewinnen. www.axpo.com —
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