Netzbetreiber im Steuerdschungel

Pixabay, Geld, Abrechnung

Teilen

Wenn der Gesetzgeber die Förderbedingungen des EEG beschließt, macht er sich über die steuerlichen Auswirkungen erst einmal wenig Gedanken. So auch, als er ins EEG 2009 eine Vergütung für nicht eingespeisten, sondern selbst verbrauchten Solarstrom aufgenommen hat. Damals war es lukrativ, dass sich Anlagenbetreiber für umsatzsteuerpflichtig erklären, um per Vorsteuerabzug die beim Kauf bezahlte Mehrwertsteuer erstattet zu bekommen. Umsatzsteuerlich waren Photovoltaik-Anlagen auch im privaten Bereich also Gewerbebetriebe.

Gesucht: Umsatzsteuerlösung für Eigenverbrauchsvergütung

Die Idee, einen Teil des Stroms im Privathaushalt selbst zu verbrauchen, war im Jahr 2009 noch neu. Weil dies dann noch vergütet wurde, musste das Bundesfinanzministerium (BMF) eine Regelung finden, wie diese Vergütung umsatzsteuerlich zu behandeln ist. Denn üblicherweise handelt es sich bei der Umsatzsteuer um eine Steuer, die beim Austausch von Leistung mit Gegenleistung anfällt, also beispielsweise Strom einspeisen und eine Vergütung (Geld) dafür erhalten.

Bei der Eigenverbrauchsvergütung erhält der Anlagenbetreiber aber gerade dafür Geld, dass er den Strom eben nicht liefert. Das Ministerium dachte sich deshalb die vermeintlich einfache Lösung aus, der Strom solle einfach fiktiv vollständig eingespeist und der Eigenverbrauch gleichzeitig fiktiv vom Netzbetreiber zurückgeliefert werden (BMF-Schreiben vom 1. April 2009). Dabei wird die Einspeisung rechnerisch zum Volleinspeisesatz vergütet und die Rücklieferung mit der Differenz zwischen Volleinspeise- und Eigenverbrauchsvergütung vom Netzbetreiber in Rechnung gestellt.

Solange der Solaranlagenbetreiber umsatzsteuerpflichtig ist und bleibt, ist diese Regelung auch finanziell unproblematisch. Denn netto verbleiben bei ihm genau die Vergütungssummen, die ihm nach dem EEG zustehen. Bei der Umsatzsteuer führt der Anlagenbetreiber die gesamten vom Netzbetreiber erhaltenen Umsatzsteuerbeträge ans Finanzamt ab. Für die fiktive Rücklieferung des Eigenverbrauchs durch den Netzbetreibers zahlt der Anlagenbetreiber an den Netzbetreiber eine Umsatzsteuer, die er vom Finanzamt nicht erstattet bekommt.

Fiktive Hin-und-Rück-Lieferung statt „unentgeltlicher Wertabgabe“

Das entspricht sozusagen sinngemäß dem, was Betreiber aus späteren Jahren als „unentgeltliche Wertabgabe“ kennen. Ein Unternehmer, der etwas das sein Unternehmen produziert, für private Verwendung aus seinem Unternehmen entnimmt, muss dafür Umsatzsteuer bezahlen. Zum gleichen Ergebnis führt die oben beschriebene Regelung bei der Eigenverbrauchsvergütung, wobei hier die Umsatzsteuer zunächst an den Netzbetreiber bezahlt wird, der sie dann ans Finanzamt weiterreicht.

In der Regel ist dabei die zu zahlende Umsatzsteuer sogar kleiner als bei der unentgeltlichen Wertabgabe, weil die Umsatzsteuer nur auf die Vergütungsdifferenz bezogen wird, nicht auf den meist deutlich höheren Strombezugspreis bei der unentgeltlichen Wertabgabe.

Die scheinbar elegante Praxislösung wird aber zum Problem, sobald der Anlagenbetreiber zur Kleinunternehmerregelung wechselt. Das Bundesfinanzministerium hat nämlich vergessen, die Anwendung seiner Regelung auf umsatzsteuerpflichtige Betreiber zu beschränken. Ist der Betreiber nicht (mehr) umsatzsteuerpflichtig, besteht nämlich nicht nur keine Notwendigkeit mehr, solche umsatzsteuerlichen Verrenkungen von fiktiver Voll- und teilweiser Rücklieferung zu unternehmen, sondern im Ergebnis bekommt der Anlagenbetreiber dann zu wenig Vergütung.

Photovoltaik und Umsatzsteuer

Wer Solarstrom erzeugt und ins Netz einspeist, ist umsatzsteuerrechtlich Unternehmer. Als solcher kann er die beim Kauf einer Photovoltaik-Anlage bezahlte Mehrwertsteuer vom Finanzamt zurückerhalten (Vorsteuererstattung). Von den Einnahmen ist Umsatzsteuer ans Finanzamt abzuführen. Das EEG regelt, dass bei umsatzsteuerpflichtigen Einspeisern die Vergütungssätze zuzüglich Umsatzsteuer zu zahlen sind, somit ist die Umsatzsteuer diesbezüglich ein Durchlaufposten. Wird ein Teil des Stroms für nichtunternehmerische Zwecke, zum Beispiel im Privathaushalt verbraucht, muss für diese unentgeltliche Wertabgabe Umsatzsteuer gezahlt werden. Das ist keine Photovoltaik-spezifische Vorschrift, sondern gilt grundsätzlich, wenn ein Unternehmen für eine Anschaffung die Vorsteuererstattung in Anspruch nimmt (zur Erläuterung siehe dazu auch unseren Beitrag).

Dies alles gilt, solange der Anlagenbetreiber umsatzsteuerpflichtig ist und nicht die Kleinunternehmerregelung gewählt hat. Diese kann bei einem Jahresumsatz bis 22.000 Euro angewandt werden. Wer trotz Unterschreiten dieser Schwelle zur Umsatzsteuerpflicht optiert, weil er die Vorsteuererstattung in Anspruch nehmen möchte, kann frühestens nach 5 Kalenderjahren zur Kleinunternehmerregelung wechseln. Vorteil des Wechsels bei privaten Photovoltaik-Anlagenbetreiber ist, dass danach keine Umsatzsteuer für den privaten Eigenverbrauch mehr fällig wird.

Anlagenbetreiber, die seit Anfang 2023 eine Anlage kaufen und die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, zahlen bei der Anschaffung keine Umsatzsteuer mehr und können die Vorteile der Kleinunternehmerreglung von Anfang an nutzen, ohne zu Beginn zur Umsatzsteuerpflicht optieren zu müssen. Das in diesem Beitrag beschriebene Problem betrifft ausschließlich Anlagen mit Anspruch auf Eigenverbrauchsvergütung wegen Inbetriebnahme zwischen Januar 2009 bis März 2012.

Zu wenig EEG-Vergütung ohne Umsatzsteuerpflicht

Bleibt es dennoch bei der fiktiven Hin-und-Rück-Lieferung, bekommt der Betreiber keine Umsatzsteuer mehr vom Netzbetreiber für die Einspeisung und muss diese auch nicht mehr ans Finanzamt abführen. Der Netzbetreiber muss dem Kunden dennoch für die fiktive Rücklieferung weiterhin Umsatzsteuer in Rechnung stellen, die der Anlagenbetreiber dann nach wie vor nicht vom Finanzamt erstattet bekommt. Der Anlagenbetreiber zahlt also so etwas wie die unentgeltliche Wertabgabe, obwohl er das ohne Umsatzsteuerpflicht (als Kleinunternehmer) gar nicht mehr müsste.

Tabelle: Vergütungssätze für Einspeisung und Eigenverbrauch bei Gebäudeanlagen mit Inbetriebnahme zwischen Januar 2009 und März 2012

Rechenbeispiel:

Der Betreiber einer Zehn-Kilowatt-Photovoltaik-Anlage aus dem Jahr 2009 speist 8.000 Kilowattstunden ins Netz und verbraucht 2.000 Kilowattstunden in seinem Privathaushalt. Die Einspeisevergütung beträgt 43,01 Cent, die Vergütung für den selbst verbrauchten Strom 25,01 Cent.

Er optiert zu Beginn zur Umsatzsteuerpflicht und bekommt folgende Abrechnung:

Einspeisevergütung für fiktive Volleinspeisung:
10.000 kWh x 43,01 Cent/kWh = 4.301 €
zuzüglich 19% USt. = 817,19 €
Summe: 5.118,19 € Zahlung vom Netzbetreiber an den Anlagenbetreiber
Davon sind 817,19 € USt. vom Anlagenbetreiber ans Finanzamt abzuführen

Fiktive Rücklieferung des selbst verbrauchten Stroms:
2.000 kWh x (43,01-25,01=) 18 Cent/kWh = 360 €
zuzüglich 19% USt. 68,40 € = Summe: 428,40 € Zahlung des Anlagenbetreibers an den Netzbetreiber

Beim Anlagenbetreiber verbleiben: 5.118,19 – 817,19 – 428,40 = 3872,60 €

Zahlungsanspruch nach EEG:
Einspeisevergütung: 8.000 kWh x 43,01 Cent/kWh = 3.440,80 €
Eigenverbrauchsvergütung: 2.000 kWh x 25,01 Cent/kWh = 500,20 €
Summe: 3.941 €

Die entstandene Differenz (3.941 – 3.872,60 =) 68,40 Euro entspricht der vom Anlagenbetreiber für den privat verbrauchten Solarstrom zu zahlenden Umsatzsteuer, die über den Netzbetreiber beim Finanzamt ankommt.

Nach sechs Kalenderjahren (ab 2015) wechselt der Betreiber zur Kleinunternehmerregelung und erhält nun vom Netzbetreiber entsprechend der fehlerhaften Vorgabe der Finanzverwaltung folgende Abrechnung:

Einspeisevergütung für fiktive Volleinspeisung:
10.000 kWh x 43,01 Cent/kWh = 4.301 €
Zahlung vom Netzbetreiber an den Anlagenbetreiber
(keine USt.-Zahlung des Anlagenbetreibers ans Finanzamt)

Fiktive Rücklieferung des selbst verbrauchten Stroms:
2.000 kWh x 18 Cent/kWh = 360 €,
zuzüglich 19% USt. 68,40 € = 428,40 € Zahlung des Anlagenbetreibers an den Netzbetreiber

Beim Anlagenbetreiber verbleiben: 4.301 – 428,40 = 3.872,60 €

Zahlungsanspruch nach EEG:
Einspeisevergütung: 8.000 kWh x 43,01 Cent/kWh = 3.440,80 €
Eigenverbrauchsvergütung: 2.000 kWh x 25,01 Cent/kWh = 500,20 €
Summe: 3.941 €

Auch in diesem Fall entsteht dieselbe Differenz von 68,40 Euro, für die es jetzt aber keine umsatzsteuerrechtliche Grundlage mehr gibt, da nach dem Wechsel zur Kleinunternehmerregelung der Anlagenbetreiber für den privaten Eigenverbrauch keine Umsatzsteuer mehr zahlen muss.

Unser Rechenbeispiel zeigt, dass dem Anlagenbetreiber in den Jahren 2015 bis 2023 auf diese Weise eine EEG-Vergütungssumme von fast 620 Euro zu wenig ausbezahlt wurden.

Genau das ist auch dem Betreiber Gerd Roesener passiert, dessen Stadtwerke auch nach seinem Wechsel zur umsatzsteuerlichen Kleinunternehmerreglung weiterhin in ihrer Abrechnung die fiktive Hin- und Rücklieferung praktizierten, mit dem Ergebnis, dass ihm pro Jahr etwa 50 Euro Vergütungssumme fehlten.

Als er bei den Stadtwerken reklamierte, dass deren Abrechnung unter dem Strich dazu führt, dass er die ihm nach EEG gesetzlich zustehende Vergütung nicht vollständig bekommt, verwies der von den Stadtwerken hinzugezogene Steuerberater auf die Vorgabe des Bundesfinanzministeriums.

Hunderttausende Anlagenbetreiber betroffen

Dieser Sichtweise dürften bisher auch die meisten Netzbetreiber gefolgt sein. So schreibt der für einen Großteil Bayerns zuständige Netzbetreiber Bayernwerk auf seiner FAQ-Internetseite für Einspeiser unter der Überschrift „Was versteht man unter einer fiktiven Einspeisung und Rücklieferung?“: „Um den Selbstverbrauch des erzeugten Stroms kaufmännisch (Grund: Umsatzsteuerberechnung) erfassen zu können, wird dieser fiktiv von Ihnen in das Netz eingespeist und wieder zurück aus dem Netz bezogen. Dieser Vorgang ist auf Ihrer Abrechnung unter zwei Positionen abgebildet.“

Auftreten kann das Problem bei Photovoltaik-Anlagen, die für den selbst verbrauchten Solarstrom eine Vergütung erhalten (siehe Tabelle). Das sind ab Januar 2009 in Betrieb genommene Anlagen bis 30 Kilowattpeak und ab Juli 2010 sogar Anlagen bis 500 Kilowattpeak. Für Inbetriebnahmen ab April 2012 wurde diese Vergütung zwar abgeschafft, sie gilt aber für zuvor in Betrieb genommenen Anlagen bis zum Ende des EEG-Förderzeitraums weiter und auch dann, wenn eine Anlage erst Jahre später auf Eigenversorgung umgestellt wird.

Aus den Daten des Marktstammdatenregisters  lässt sich ermitteln, dass dies auf fast 700.000 Photovoltaik-Anlagen zutrifft. Erst ab dem Jahr 2033 wird der Förderzeitraum aller Anlagen mit Eigenverbrauchsvergütung abgelaufen sein. Betroffen von den falschen Abrechnungen können Anlagenbetreiber sein, die ihre Photovoltaik-Anlage nicht mit Umsatzsteuerpflicht betreiben, sondern als Kleinunternehmer oder ihre Anlage gar nicht beim Finanzamt angemeldet haben.

BHKW-Betreiber bringen die Wende

So war es auch bei Peter Roesener, der anfangs zur Umsatzsteuerpflicht optiert hatte und später zur Kleinunternehmerregelung wechselte. Doch so schnell wollte Roesener nicht aufgeben und wandte sich an die in Rechtsfragen bei Photovoltaik-Anlagen erfahrene Kanzlei Nümann und Siebert in Karlsruhe. Rechtsanwältin Lea Baumsteiger recherchierte zu dem Fall und entdeckte ein zu der Zeit laufendes Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH).

In dem Prozess ging es um die gleiche Fragestellung, allerdings im Zusammenhang mit dem Betrieb von Blockheizkraftwerken (KWK-Anlagen oder BHKW). Auch im KWK-Gesetz findet sich nämlich eine Regelung, nach der Anlagenbetreiber eine Vergütung für direkt verbrauchten Strom aus dem BHKW erhalten, der nicht ins Netz eingespeist wird. Der Netzbetreiber hatte hier – ganz im Sinn der Anlagenbetreiber, allerdings entgegen den Vorgaben des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE Kapitel 2.5, Absätze 4 bis 8) – in mehreren Fällen die Abrechnung als Hin- und Rücklieferung unterlassen und deshalb auch die dabei anfallende Umsatzsteuer der Rücklieferung weder in Rechnung gestellt noch ans Finanzamt abgeführt.

Hintergrund Eigenverbrauchsvergütung

Bis Ende 2008 wurden Photovoltaik-Anlagen grundsätzlich als Volleinspeiseanlagen angeschlossen. Wegen der damals noch hohen Investitionskosten waren die Vergütungssätze viel höher als die Strombezugspreise. Um einen Anreiz zum Eigenverbrauch zu geben, wurde mit dem EEG 2009 eine Vergütung für Eigenverbrauch eingeführt: Für den eingespeisten Strom gab es bis zu 43 Cent pro Kilowattstunde, für den selbst verbrauchten 25 Cent. Der Eigenverbrauch des Stroms lohnte sich, sobald der Strombezugspreis höher war als die Differenz, also 18 Cent.

Die Regelung galt zunächst für Anlagen bis 30 Kilowatt und wurde auf 500 Kilowatt erweitert bei Inbetriebnahme ab Juli 2010. Für Anlagen, die ab April 2012 in Betrieb gingen, gibt es keine Eigenverbrauchsvergütung mehr.

Ab Juli 2010 sind die Vergütungssätze für den Eigenverbrauch gestaffelt nach Anlagenleistung und nach Eigenverbrauchsquote (siehe Tabelle). So erhält man beispielsweise für selbst verbrauchten Solarstrom, der rechnerisch aus dem Anlagenteil zwischen 30 bis 100 Kilowatt stammt, von einer Anlage im Inbetriebnahme Oktober 2010 den höheren Satz von 15,33 Cent für den über 30 Prozent Eigenverbrauch hinausgehenden Anteil.

Der Anspruch auf die Vergütung für Eigenverbrauch besteht für den gesamten Förderzeitraum, also Inbetriebnahmejahr plus 20 Kalenderjahre. Für eine Anlage aus 2010 also bis zum Ende des Jahres 2030. Wer seine Anlage zunächst als Volleinspeiser betrieben hat und erst später – auch jetzt noch – auf Eigenverbrauch umstellt, erhält die Eigenverbrauchsvergütung ab und solange Eigenverbrauch stattfindet, bis zum Ende des Förderzeitraums.

BFH verwirft BMF-Schreiben

Bei einer Steuerprüfung forderte das Finanzamt die Umsatzsteuer nach, wogegen der Netzbetreiber beim Finanzgericht Köln erfolgreich klagte (16.06.2021 – 9 K 1260/19). Die Finanzverwaltung ging in die Revision beim Bundesfinanzhof, der als höchste Instanz das Kölner Urteil bestätigte und damit offenbar auch die entsprechenden Vorgaben der Finanzverwaltung im Umsatzsteuer-Anwendungserlass verwirft (BFH, Urteil vom 29.11.2022 – XI R 18/21 „Keine Lieferung von dezentral verbrauchtem Strom“ ) – inzwischen sogar in mehreren Urteilen.

Nachdem Anwältin Baumsteiger dieses Urteil den Stadtwerken vorlegte, lenkten diese ein und zahlten die bis dahin ausstehenden knapp 200 Euro. Inzwischen dürften viele andere Anlagenbetreiber ebenfalls zur Kleinunternehmerreglung gewechselt haben und einige haben sich auch bei unserer Redaktion gemeldet, weil sie ebenfalls feststellten, dass die bisherige Abrechnungsweise zu einer Vergütungskürzung führt. Noch viele mehr aber werden aufgrund der oft unübersichtlichen Abrechnungsunterlagen vermutlich noch gar nicht gemerkt haben, dass ihnen schon jahrelang zu wenig Vergütung gezahlt wurde.

Ansprüche jetzt geltend machen

Wer betroffen ist, sollte die ihm noch zustehenden Beträge berechnen und bei seinem Netzbetreiber geltend machen. Spätestens seit das BMF im Oktober den Entwurf eines neuen Schreibens zur Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlass vorgelegt hat, können sich Anlagenbetreiber darauf berufen, dass die bisherige Vorgehensweise der fiktiven Hin- und Rücklieferung keine Rechtsgrundlage mehr hat und nicht mehr als Begründung taugt, den Anlagenbetreibern einen Teil der Eigenverbrauchsvergütung vorzuenthalten.

Die entscheidenden Sätze aus dem Entwurf des BMF für die Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlass sind dabei:

  • „Der nicht eingespeiste, dezentral verbrauchte Strom wird nach EEG nicht (mehr) vergütet und ist nicht Gegenstand der Lieferung an den Netzbetreiber; auch aus einer bloßen Vergütungsregelung folgt nicht, dass der Netzbetreiber für den nicht eingespeisten, dezentral verbrauchten Strom Empfänger einer Leistung ist.
  • Der von einem Anlagenbetreiber erzeugte und dezentral verbrauchte Strom gilt weder als an den Stromnetzbetreiber geliefert noch als an den Anlagenbetreiber zurückgeliefert.
  • Soweit die erzeugte Energie vom Anlagenbetreiber nachweislich dezentral verbraucht wird (sogenannter Direktverbrauch) und der Anlagenbetreiber hierfür (noch) nach EEG vergütet wird, liegt mangels Vorliegens eines Leistungsaustauschs ein nichtsteuerbarer, echter Zuschuss an den Anlagenbetreiber vor.“

Wer seine Ansprüche jetzt noch vor Jahresende geltend macht, muss vom Netzbetreiber noch die zu wenig gezahlten Beträge aus den Jahren 2020 bis 2023 erhalten, so der Rechtsanwalt Peter Nümann. Er empfiehlt Anlagenbetreibern, dem Netzbetreiber vorzuschlagen, einen Verjährungsverzicht zu erklären, um die Ansprüche in aller Ruhe klären zu können. Geht der Netzbetreiber nicht darauf ein, müssten Anlagenbetreiber sonst noch vor Jahresende rechtliche Schritte ergreifen, um Ansprüche aus dem Jahr 2020 zu sichern, da diese über den Jahreswechsel sonst verjähren.

„Ein solcher Anspruch verjährt nach Ablauf von drei vollen Kalenderjahren nach dem Jahr in dem der Anspruch entstanden ist. In diesem Fall wird die Abrechnung für das Jahr 2020 im Jahr 2021 erstellt worden sein, sodass nach den drei Jahren 2022 bis 2024 zum 1. Januar 2025 dieser Anspruch verjährt“, erklärt Nümann. Konkret könnten Anlagenbetreiber dazu ein gerichtliches Mahnverfahren beantragen, wie es beispielsweise das unabhängige Finanzportal „Finanztip“ beschreibt.

Goldene Brücke über den Rechtsstreit

Der Umsatzsteuerexperte Atanas Mateev von der auf Steuerrecht spezialisierten Kanzlei KMLZ in München macht allerdings auf eine darüber hinaus gehende Besonderheit des Umsatzsteuerrechts aufmerksam: „Zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuern können grundsätzlich auch im Nachhinein und nach mehreren Jahren noch korrigiert werden. Die Korrektur der Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt erfolgt dann in der aktuellen Besteuerungsperiode, in welcher die Korrekturvoraussetzungen erfüllt sind und nicht in der Periode der erstmaligen, inkorrekten, Rechnungstellung. Sofern eine Korrektur rechtlich möglich ist, sollte auch für die Netzbetreiber zumindest aus dieser Perspektive kein finanzieller Nachteil entstehen, weil die Korrektur unabhängig von den Steuerfestsetzungen in der Vergangenheit erfolgt.“

Unabhängig von der Frage der Verjährung haben die Netzbetreiber also die Möglichkeit, für alle betroffenen Anlagenbetreiber die Abrechnungen auch für die länger zurückliegenden Jahre richtigzustellen.

Der Text ist eine aktualisierte und erweiterte Fassung des Beitrags zu diesem Thema in der Februar-Ausgabe des pv magazine Deutschlands.

Transparenzhinweis: Der Autor hat als Mitarbeiter des Bundesverbandes Solarwirtschaft eine Stellungnahme des Verbandes zum Entwurf des BMF-Schreibens verfasst.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.

Popular content

Jens Spahn
VDI kritisiert Wärmepumpen-Pläne der CDU
03 Dezember 2024 Der Verband spricht sich angesichts der Äußerungen von Fraktionsvize Jens Spahn zum Heizungsgesetz und zur Wärmepumpenförderung für „technisch-wissens...