Negative Preise, instabile Stromnetze, Redispatch-Kosten: Ein Schiff löst alle Probleme!

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Die Bundesregierung verkündet das größte und schnellste Infrastrukturprojekt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.  Zunächst klingt es unspektakulär und etwas verwirrend: Die Bundesregierung hat in China ein Containerschiff mit großen Batteriespeichern bestellt. Über 20.000 Container bringen eine Batteriekapazität von 100 Gigawattstunden mit, die eine Anschlussleistung von 50 Gigawatt haben. Diese Anschlussleistung entspricht der gesamten durchschnittlichen Stromverbrauchsleistung in Deutschland und mit den Speichern, intelligent im gesamten Netz und bei den Verbrauchern platziert, sollen alle bestehenden Probleme der fluktuierenden erneuerbaren Energien gelöst werden. Durch die mit der chinesischen Regierung vereinbarten Sonderrabatte liegen die Kosten mit 8 Milliarden Euro für die 20.000 Batteriecontainer in etwa bei den Kosten des Redispatch in Deutschland über 2 Jahre. Ein Supergeschäft bei Laufzeiten von 15 Jahren und dauerhaft vermiedenen Netzentgelten. Alle in der Regierung sind sich einig, dass damit nicht nur der Knoten für die Energiewende geplatzt ist, sondern weitere ähnliche Projekte in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens folgen werden. So geht der Aufbruch.

Die Auslieferung der Speicher erfolgt bereits Ende 2025, bis dahin sollen auch alle Vorbereitungen für die Inbetriebnahme abgeschlossen sein. Möglich wird dies durch ein beispielloses Infrastrukturgesetz, das parallel zur Ankündigung bereits mit allen Details im Internet veröffentlicht wurde. Das extreme Beschleunigungen im EnWG, EEG, Baurecht, Vergaberecht plus etliche weitere Regelungen umfasst. Zusätzlich gibt es ein neues Instrument, das eine reine Marktfinanzierung durch eine (vom Betreiber zu zahlende) staatliche Bürgschaft absichert. Die Regelungen beinhalten auch, dass die gesamte bestehende Infrastruktur (Transformatoren, Umspannwerke, Wechselrichter) der erneuerbaren Energien und die Netzbetreiber die neuen Speicher ohne weitere Genehmigungen aufnehmen können. Es wurde auch eine Metaplanung vorgelegt, an welchen Stellen die Netze diese Speicher erreichen werden. Einschließlich der notwendigen Erweiterungen für die nächsten Schritte der Energiewende.

Parallel dazu haben alle relevanten Verbände in Deutschland detailliert dargelegt, wie die Ressourcen zur Umsetzung dieses Mammutprojektes bereitgestellt werden. Die deutsche und internationale Presse hält den Atem an, denn ein so großes und durchdachtes Programm hat die westliche Welt wohl seit der Mondlandung 1969 nicht mehr gesehen.

Nur ein ständiges Piepen stört die gute Stimmung – es ist der Wecker und alles war nur ein Traum – und im Radio heißt es jetzt auch noch, dass die aktuelle Ampel-Regierung gestern Abend geplatzt ist.

Der nächste Gedanke ist: Was hindert uns eigentlich daran, so etwas zu fordern und zu tun?

Zumal China es vormacht und jedes Jahr eine Erzeugungs-, Netz- und inzwischen auch Speicherinfrastruktur in der Größe des gesamten heutigen deutschen Stromnetzes auf- und ausbaut. Oder unser demokratisches Nachbarland Norwegen innerhalb weniger Jahre 50 Prozent seines Fahrzeugbestandes elektrifiziert hat – und das, obwohl die Norweger alle Kinderkrankheiten und sehr hohen Anfangskosten „mitgenommen“ haben.

Was hindert unsere klugen Köpfe daran, die faszinierende Entwicklung der Speichermöglichkeiten und vor allem deren förmlich implodierende Kosten in Modellen für das Energiesystem und auch die Netze innerhalb weniger Wochen zu planen und zu simulieren? An mangelnden Rechenkapazitäten liegt es sicher nicht.

Es ist einfach immer wieder der mangelnde Wille dazu – in der realen Welt gerne mit etwas mehr Zeit. Sagen wir also, dass der Traum bis Ende 2028 statt 2025 wahr wird.

Die „ganz reale“ Forderung muss jetzt lauten: Lasst die Speicher frei und macht es uns jetzt einfacher die Dinge umzusetzen.

Aber lösen sich die Probleme wirklich in Luft auf?

Noch nicht mit 50 Gigawatt/100 Gigawattstunden an Speichern, dennoch würde es viele Probleme entschärfen. Mit einem absolut bezahlbaren „Mehr“ an Leistung und vor allem Kapazität würden sich in der Tat sehr viele der heutigen Probleme in Luft auflösen.

Schauen wir uns ein paar Zahlen an. Es dürfte unstrittig sein, dass bereits 50 Gigawatt „intelligent“ platzierter Speicher mit 100 Gigawattstunden (plus x) alle heutigen Netzthemen massiv verbessern würden. Je nach Entwicklung des Verbrauchs und der erneuerbaren Energien würde die konsequente Einplanung dieser Speicher (plus der extremen rollenden Kapazitäten, wo heute schon 100 Gigawattstunden meist eher stehen) alle heutigen Szenarien beispielsweise für Netzausbau, Regeleingriffe und viele andere Dinge. völlig verändern, und zwar massiv zum Besseren.

Ein großes Containerschiff fasst 20.000 Container.

5 Megawattstunden Speicherkapazität/Container sind bereits Standard, einzelne Anbieter liefern bereits 8 Megawattstunden. Macht bei 20.000 Containern über 100 Gigawattstunden bei etwa 50 Gigawatt Leistung. Das passt also.

Veröffentlichte Preisankündigungen für solche Speichercontainer liegen selbst in den protektionistischen USA „below 100 US-Dollar pro Kilowattstunde“. Mit dem zu erwartenden Discount bei der enormen Menge könnte „das Schiff“ also tatsächlich mit etwas mehr als dem Doppelten der Redispatchkosten für 2023 gegenfinanziert werden. Bei einer geschätzten chinesischen Produktionskapazität von 8 Terawattstunden jährlich im Jahr 2025 könnte die Menge innerhalb weniger Tage in Batteriezellen produziert werden. Der Kauf der notwendigen Speichermengen ist also ein „No Brainer“.

Wie sieht es auf der Projektseite in Deutschland aus?

Da sind wir zumindest planerisch schon deutlich weiter als „nur“ 50 Gigawatt/100 Gigawattstunden: Bereits heute liegen allein bei den Übertragungsnetzbetreibern 161 Gigawatt (also gleich drei Schiffe) an Netzanfragen für Speicher vor. Wie im Artikel erwähnt, werden sicherlich noch hunderte oder tausende von Anfragen für mittelgroße und große Speicher bei den Verteilnetzbetreibern hinzukommen. Über 200 Gigawatt/800Gigawattstunden (bei zukünftigen Vier-Stunden-Speichern) könnten bereits in der „Pipeline“ sein. Zwar handelt es sich bei den Anfragen nicht um fertige Anlagen – aber schon 25 Prozent der Anfragen würden ausreichen, um alle Speicher „vom Schiff“ zu installieren.

Die weltweiten Erzeugungskapazitäten, die enorme und „ganz reale“ Dynamik in der Entwicklung von Speicherprojekten sind gewaltig.

Was das Ganze zusätzlich befeuert, ist die nicht vorhandene Notwendigkeit von Subventionen für Speicher. Weil es im Kontext der Energiewende ungewohnt klingt, noch einmal: Es ist keine Förderung notwendig!

Und wer baut sie?

Wenn die Solarbranche eines kann, dann Installationskapazitäten sehr schnell aufbauen. Das haben wir schon mehrfach bewiesen und gerade wieder eindrucksvoll bewiesen, indem wir Millionen von Solar- und Kleinspeichern installiert haben. Salopp formuliert: Bevor die Fachkräfte wieder verloren gehen, ab in den XXL- Speicherausbau. Inklusive Zugang zu Kapital für Unternehmen, die unter anderem Umspannwerke bauen und anpassen, damit auch hier schnell Kapazitäten hinzukommen.

Lassen wir das Realität werden. Wir haben als Branche schon so oft gezeigt, dass wir Großes leisten können. Rollende Speicher (hunderte von Gigawattstunden und noch mehr Gigawatt im bidirektionalen Laden) und weitere Millionen von Heimspeichern kommen ohnehin „on top“. Alles kann sehr gut system- und netzdienlich betrieben werden – bei gleichzeitig hohen Anreizen für die sicher kommenden Einzelabnehmer.

Speicher waren jahrzehntelang der Traum (oder Alptraum) der fluktuierenden Stromerzeugung. Jetzt sind sie billig, technisch ausgereift und massenhaft verfügbar. Und werden jeden Tag noch besser und billiger.

Also los – diese nächste Stufe der der Speicheranwendungen diskutieren wir auch auf dem Forum Solar Plus vom 26.-27.11.2024, unter anderem mit Wirtschaftsminister Robert Habeck: https://www.forum-solar-plus.de/

— Der Autor Karl- Heinz Remmers ist seit 1992 als Solarunternehmer tätig. Zu Beginn mit der Planung und Montage von Solaranlagen sowie der Produktion von Solarthermie-Kollektoren. Seit 1996 dann parallel unter dem Namen Solarpraxis mit eigenen Fachartikeln, Buch- und Zeitschriftenverlag und dem bis heute aktivem Solarpraxis Engineering. Zu den erfolgreichen Gründungen zählen auch die nun von namhaften Partnern gemachte pv- magazine Group und die Konferenzserie „Forum Solar Plus“. Neben Solarpraxis Engineering sind heute Entwicklung, Planung, Errichtung und Betrieb von Solaranlagen als „IPP“ im Fokus der Aktivität. Zudem betreibt er aktive politische Arbeit im Rahmen des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft (bne). Mehr hier: https://www.remmers.solar/ueber-mich/ —

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