Allen Unkenrufen zum Trotz sehen etliche der 1800 Experten aus 60 Ländern, die sich in Wien zur EU PVSEC trafen, immer noch Möglichkeiten, die heute dominierende Topcon-Solarzellentechnologie effizienter zu machen. „Wir können weitergehen in Richtung noch besser passivierter Vorderseiten“, benennt Xinyu Zhang, R&D Director for Solar Cell bei Jinko Solar, eine Option. „Von den Ergebnissen im Labor können wir darauf schließen, dass es noch Raum zur Verbesserung gibt.“ Und das, obwohl die Effizienz der heutigen Topcon-Zellen in den letzten neun Jahren von 22 auf 26,5 Prozent gestiegen ist, wie er in dem Eröffnungsvortrag darlegte. Mit Passivierung bezeichnen die Zellforscher, dass Oberflächen der Siliziumwafer so behandelt werden, dass an ihnen weniger elektrische Verluste auftreten.
Ein prägnantes Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist die Verbesserung durch den so genannten Leco-Prozess. Die deutsche Firma Cell Engineering hat den Prozess, bei dem die Metallkontakte mit einem Laserprozess behandelt werden, ursprünglich zur Verbesserung schlecht kontaktierter Zellen entwickelt. „Auf den Konferenzen vorletztes und letztes Jahr wurde klar, dass die Solarzellenhersteller diese oder eine ähnliche Methode einsetzen, mit der sie deutlichen Fortschritte im Wirkungsgrad von Topcon-Solarzellen erreicht haben“, sagt Stefan Glunz, Zellforscher und Bereichsleiter Photovoltaik am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme. Die Forscher beurteilen Zellen oft nach Spannung und Strom und bestimmten Messbedingungen. Mit der Leco-Technik haben die Topcon-Zellen nun, so Glunz, mit rund 740 Millivolt nahezu die Spannung der Heterojunctionzellen erreicht. Inzwischen hat Q Cells das geistige Eigentum von Cell Engineering erworben. Es ist unklar, wie und ob sich die die bei anderen Zellherstellern eingesetzten Laserverfahren vom Leco-Prozess unterscheiden.
Da die Frontseitenkontakte noch nicht standardmäßig passiviert sind, hat das ISC Konstanz seine Rückkontakttechnologie mit dem Namen „polyZEBRA“ weiterentwickelt. Durch die Verlagerung der Kontakte der Topcon-Zellen nach hinten ist es möglich, dass auch an diesen mit einer Passivierungsschicht aus Siliziumoxid die Verluste reduziert werden. Damit schließe Topcon endgültig zu den 745 Millivolt Leerlaufspannung der Heterojunctionzellen auf, sagt Joris Libal, Projektmanager Strategy and Education an dem Konstanzer Institut.
Ein weiterer großer Schritt wird mit Silizium-Perowskit-Tandemzellen kommen, ein vorherrschendes Thema auf der Tagung. So hat etwa das Fraunhofer ISE hat während der EU PVSEC veröffentlicht, dass es eine Zelle im Labormaßstab mit 31,6 Prozent Wirkungsgrad hergestellt hat. Dabei sei ein Prozess eingesetzt worden, der industrielle hochskalierbar ist, so Glunz. Bereits im Sommer hat Oxford PV mit einem Modul in handelsüblicher Größe einen Modul-Wirkungsgradrekord von 26,9 Prozent erreicht.
Es geht in Wien nicht nur um den Wirkungsgrad, sondern vor allem auch um die Stabilität der Tandemzellen. „Da hat sich in den letzten Jahren extrem viel getan, dass man besser verstanden hat, wie der Kristallisationsprozess der Perowskitschicht funktioniert und wie man das Mischungsverhältnis wählt“, sagt Stefan Glunz.
Zu den letzten Entwicklungen gehört auch, dass Oxford PV die erste große Charge Silizium-Perowskit-Tandemmodulen an einen US-amerikanischen Stromversorger verkauft hat, der damit eine Demonstrationsanlage aufbaut.
Forschung ohne großskalige Produktion in Europa?
Nach Einschätzung von Glunz zeigen diese Ergebnisse, dass Europa technologisch weiterhin in der obersten Liga mitspielt. Doch der Elefant im Raum war durchgehend die Frage, wie die Forschungsergebnisse fruchten können, solange in Europa keine Fertigung im Multi-Gigawatt-Maßstab existiert. Viele Wissenschaftler können die Frustration kaum verbergen, die die letzten zwei Jahre bei ihnen hinterlassen hat. Gerade in Deutschland steht die Branche wieder am Anfang, nachdem der Resilienzbonus im Frühling gescheitert ist, mit dem über die Einspeisevergütung Module aus europäischer Fertigung extra gefördert werden sollten.
Immerhin sieht es diesbezüglich in Frankreich und Italien etwas besser aus. Auf dem „PV Industry Forum“ auf der PVSEC sagte Marina Foti vom Unternehmen 3Sun, das in Sizilien eine Heterojunction-Fertigung aufbaut, dass rund zwölf Cent pro Wattpeak nötig seien, um das Kostendelta zu Modulen chinesischer Fertigung zu schließen. Die Maßnahmen der italienischen Regierung würden dieses ungefähr decken.
Dieser Produktionskostenabstand wäre deutlich weniger als der Resilienzbonus, wie er in Deutschland mit umgerechnet 20 bis 30 Cent geplant war. Allerdings spezifizierte Foti nicht, bei welcher Skalierung ihre Zahl gilt, sie betrifft im Gegensatz zum Resilienzbonus-Entwurf nur Zellen und Module, und dürfte vermutlich auch nicht in der Ramp-Up-Phase zutreffen. Nimmt man die 12 Cent pro Kilowattstunde trotzdem als Hausnummer, würde die Fertigung in Europa 3,6 Milliarden Euro pro Jahr kosten, um das EU-Ziel von 30 Gigawatt Photovoltaik-Fertigung zu erreichen. Dafür würde man vielleicht nicht auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig werden, aber das Know-how in Europa halten, weitere Forschung ermöglichen und im Falle von Versorgungsengpässen darauf aufbauen können, wie viele Wissenschaftler auf der PVSEC betonten.
Dabei ist es nicht so, dass europäische Hersteller ganz aus dem Rennen sind. Singulus habe derzeit Erfolge mit der Passivated Edge Technology, auch in China, wie CEO Stefan Rinck auf der PVSEC erklärt. Diese dient dazu, dass wenn Zellen für die modernen Module zu Halb- oder Drittelzellen oder noch kleiner gesägt werden, die elektrischen Verluste an den Kanten reduziert werden können. Von Ardenne betont, besonders großskalige Produktionslinien mit bis zu 1,2 Gigawatt Durchsatz anbieten zu können. Das sei mehr, als in China derzeit für eine Fertigungslinie üblich sei, so Sebastian Gatz, Vizepräsident Photovoltaik bei dem Unternehmen. Das beliefert zum Beispiel einen großen Cadmiumtellurid-Dünnschichtproduzenten. Beide Hersteller arbeiten auch an Prozessen für Perowskit-Tandemzellen.
Von der Zellforschung zur Anwendung
Bei den Themen zeigt sich im Vergleich zu den letzten Jahren eine Verschiebung. Die EU PVSEC hatte dieses Jahr fünf Themenblöcke, zu denen das Joint Research Center (JRC) der Europäischen Union zu Einreichungen der Wissenschaftler und Unternehmen aufforderte. Das Themenfeld zu Siliziummaterialien und -Zellen hat bei den Einreichungen abgenommen, gewachsen ist hingegen die Zahl der Einreichungen bei den Anwendungen, etwa bei Floating- und Agri-Photovoltaik und bei gebäudeintegrierter Photovoltaik. „Das ist ein Zeichen des Erfolgs der Technologie“, erklärt Robert Kenny, Technical Programme Chair vom JRC.
Qualitätssicherung und Performance-Bestimmung stehen daher auch groß auf der Agenda. Dazu gehört etwa die Degradation von Topcon-Modulen unter ultraviolettem Licht. Bengt Jäckel vom Fraunhofer CSP stellte die These auf, dass vor allem neue Module dieser Technologie betroffen sind, nicht aber die, die vor einigen Jahren verkauft wurden. Er stellte Messungen aus dem Labor vor, bei denen Module mit ultraviolettem Licht bestrahlt werden. Bei einer Dosis, die der Jahresdosis Outdoor entspricht, beobachtete er bei einigen Modulen eine Degradation im einstelligen Prozentbereich, andere blieben stabil. Auch im Labor des Fraunhofer ISE in Freiburg wurde bereits an einigen Modulen eine solche Degradation gefunden, die allerdings hinterher wieder teilweise regeneriert. „Jetzt ist die spannende Frage, was passiert draußen im Feld“, sagt Anna Heimsath, Abteilungsleiterin Analyse Module und Kraftwerke am ISE. Das geschieht jetzt auf dem Testfeld des Instituts.
Die nächste EU PVSEC wird vom 22 bis 26. September 2025 im spanischen Bilbao stattfinden.
pv magazine wird in Kürze in einem Podcast über mehr Details von der EU PVSEC 2024 berichten.
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Wie ich bereits anderweitig veröffentlichte, sehe ich ein Manko darin, dass einerseits „bis ins Innerste von Molekülen geforscht wird – und man dabei zu vergessen scheint, auch mal über relativ einfache Physik und Technik nachzudenken:
Die heutigen Module verarbeiten aus den Gesetzmässigkeiten der Lichtbrechung nur relativ senkrecht einfallendes Licht. Licht, welches unter etwa 70 Grad ankommt wird reflektiert – also nicht genutzt.
Am Einfachsten könnte man DEM begegenen, indem das „Deckglas“ gewölbt wird.
Besser wärs beispielsweise „das Glas“ ähnlich einer Fresnel-Linse zu präparieren – oder „körnig“ zu strukturieren, vergleichbar mit einer Orangenhaut.
Ich bin mir sicher, dass man mit „lichtechnischen Tricks“ viel erreichen kann. Beispielsweise einen Modul mit „ehemals“ 22% Wirkungsgrad auf etwa 27% Wirkungsgrad bringen.
Ich drück die Daumen !
Wolfgang Gerlach