„Die Balkonanlagen gehen eindeutig zu Lasten der klassischen privaten Dachanlagen“

Hauptsitz VEH Solar- und Energiesysteme GmbH & Co KG, Tostedt, Deutschland

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Malte Claußen, VEH Solar- und Energiesysteme GmbH & Co KGpv magazine: Die Bundesnetzagentur hat gerade veröffentlicht, dass 220.000 neue Photovoltaik-Balkonanlagen allein im ersten Halbjahr bisher im Marktstammdatenregister verzeichnet wurden. Geht dieser Trend zu Stecker-Solar-Geräten zulasten von klassischen privaten Dachanlagen?

Malte Claußen (Foto): Die Balkonanlagen gehen aus meiner Sicht eindeutig zu Lasten der klassischen privaten Dachanlagen. Durch die Ausweitung auf 2000 Watt Modulleistung und die aggressive Werbung mit einer sehr hohen jährlichen Kostenersparnis schwenken viele Endverbraucher um auf die „kleine“ und günstige Balkonanlage. Außerdem ist bei Balkonanlagen der Installationsaufwand sehr gering oder kann in Eigenarbeit durchgeführt werden. Es ist kein Umbau des Zählerschrankes nötig und es muss auch kein Energieversorger eingeschaltet werden. Wir als Großhändler sehen, dass der klassische Photovoltaik-Installateur dieses Marktsegment kaum bedient. Und somit gehen dem Installateur tatsächlich Aufträge verloren. Die genaue Anzahl kann ich schwer abschätzen, ich vermute aber, dass der Anteil größer ist, als allgemein angenommen wird.

Mit dem „Solarpaket 1“ wurde ja die Grenze für solche Stecker-Solar-Geräte auf 2000 Watt DC- und 800 Watt AC-Leistung angehoben. Halten sich Endkunden an diese Grenze?

Bis letztes Jahr haben wir selten Wechselrichter in der Leistungsklasse um 2000 Watt verkauft. Gelegentlich als Ersatzgerät für defekte Wechselrichter aus den Anfängen des EEG. Das hat sich geändert und ist ein Indiz für uns, dass diese Grenze nicht immer eingehalten wird. Ich habe auch persönlich schon Gespräche mit Endkunden geführt, wo ich eindeutig feststellen konnte, dass diese Grenze missachtet wird.

Sind das vielleicht nur Einzelfälle?

Wenn ich mir Kommentare auf Facebook ansehe, dann könnte ich vermuten, dass die Dunkelziffer sehr hoch ist. Ich merke aber auch, dass im Allgemeinen die Endverbraucher nach einer technischen Aufklärung die Bedingungen für Balkonanlagen verstehen und akzeptieren. Wahrscheinlich ist für eine breite Akzeptanz auch etwas Zeit nötig.

Die Marktsituation scheint aktuell für viele Installationsbetriebe schwierig. Wie sieht es bei ihnen mit der Auftragslage aus? Wie wirkt sich der verschärfte Konkurrenzkampf auf die Preise aus?

Im Großhandel können wir kaum eine schlechte Auftragslage unserer Kunden, also der Installateure, kompensieren. Unsere Umsatzzahlen bewegen sich etwa 40 Prozent unter dem Vorjahr. Ungefähr ein Drittel des Rückganges machen die aktuellen niedrigen Preise (alle Komponenten gemittelt) aus, aber zwei Drittel ergeben sich aus der geringeren Anzahl an Aufträgen.

Können Sie einschätzen, wie hoch die Auftragsrückgänge bei den Installateuren sind?

Wir haben viele Einzelgespräche geführt. Die Bandbreite des Auftragsrückgangs bewegt sich bei Installateuren zwischen 20 bis 50 Prozent. Anlagengrößen ab 100 Kilowatt sind richtig stark eingebrochen, erholen sich gerade aber wieder etwas. Probleme bereitet vermehrt das Preisdumping. Es scheint Unternehmen zu geben, die verzweifelt versuchen ihre Belegschaft zu beschäftigen und das zu große Warenlager zu leeren. Das gilt für Installateure und Händler. Verstärkt wird der Preisdruck durch das Internet und die sozialen Medien wie Facebook und Instagram.

Inwiefern?

Photovoltaik-Komponenten werden dort teilweise zu Großhandelspreisen an Endverbraucher und Installateure verkauft. Im Grunde egal, Hauptsache es wird verkauft. Ebenso wird mit gewaltigen Preisnachlässen bei Komplettanlagen geworben. Das ist aber kein Problem von heute, dieser Preiskampf im Internet hat schon letztes Jahr begonnen. Spätestens nach der Intersolar. Große Probleme scheint es bei den ganz großen Händlern zu geben. Ohne jetzt Namen zu nennen, aber Preise mit 20 bis 30 Prozent unter dem Einkauf sind keine Seltenheit mehr. Alles solange der „übergroße“ Vorrat reicht…

Warum spiegelt sich der Einbruch nicht in den Zahlen der Bundesnetzagentur wider?

Diese Zahlen hinken der Realität um Monate hinterher. Einen Einbruch bei Neuaufträgen haben uns unsere Kunden vereinzelt schon im Sommer des letzten Jahres vermeldet. Ohne die Reserve aus den noch nicht umgesetzten Altaufträgen wäre schon die zweite Jahreshälfte 2023 ähnlich schwach geworden wie dieses Jahr.

Nochmal zurück zum Trend zur Selbstmontage von Photovoltaik-Anlagen. Wird sich dieser aus ihrer Sicht noch verstärken?

Gott sei Dank ist der Do it Yourself (DIY)-Markt nicht beliebig nach oben skalierbar. Es ist immer nur ein relativ kleiner Anteil, der sich zutraut, etwas selber zu bauen. Aber die Anzahl an Endverbrauchern, die selbst bei uns im Großhandel anfragen, ob wir ihre im Internet erworbene und selbst montierte Photovoltaik-Anlage – und meist auch mit Batteriespeicher – anschließen, ist rasant gestiegen. Das erzählen auch unsere Installationskunden. Das ist aber auch kein Wunder, wenn man die Komplettpreise im Internet sieht. Und die Zunahme an Verkaufsplattformen für Solarmodule mit Direktvertrieb und Lieferung zum Endkunden macht die Situation nicht einfacher. Inzwischen sehe ich auch vermehrt Angebote von chinesischen Herstellern, die Unterkonstruktionen für zwei, vier oder mehr Module direkt und frachtfrei über Amazon verkaufen. Je leichter der Gesetzgeber die Umsetzung einer Photovoltaik-Anlage gestaltet, desto mehr wird dieser Trend ansteigen. Aber wie ich schon sagte, der Markt für DIY ist nicht beliebig skalierbar.

Ist ihnen bekannt, dass solche Selbstmontagen auch auf Dächern zu mehr Unfällen bei der Installation führen, und welche Folgen könnte das haben?

Ich hatte vor wenigen Wochen ein mehrtägiges Seminar zum Thema Arbeitsschutz durch die Berufsgenossenschaft. Dort wurde uns die Photovoltaik als mahnendes Beispiel für Unfälle durch Missachtung des Arbeitsschutzes vorgeführt. Es hieß, dass die Anzahl der schweren Unfälle bei Dacharbeiten im Gewerk der Photovoltaik sprunghaft angestiegen ist und die Berufsgenossenschaft nun vermehrt kontrolliert. Die genannten Beispiele betrafen Installationsbetriebe und auch Endkunden. Wobei keine Angaben zur Verteilung gemacht wurden. In der anschließenden Diskussion hieß es, dass neben der Berufsgenossenschaft insbesondere die Versicherer aufmerksam werden. Und das wird sicher dann ein Problem für Endkunden, die im Falle eines Unfalles Schwierigkeiten bekommen.

Dazu kommt noch der Preisdruck bei Installationsunternehmen, oder?

Ja, ich sehe das größte Problem durch den Preisdruck. Das wesentliche Element beim Arbeitsschutz ist das Gerüst für die Dachmontage. Ohne Gerüst kann viel Geld eingespart werden. Das ist aber kein neues Thema, es fällt nur durch die große Menge an Installationen und im derzeitigen Preiskampf verstärkt auf. Leidtragende sind die Dachkräfte.

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