In Bayern ist im Juni eine in dieser Form einzigartige Agri-Photovoltaik-Anlage mit etwa 940 Kilowatt Leistung in Betrieb gegangen. Auf einer Ackerfläche der Bayerischen Staatsgüter wurden gleich drei unterschiedliche Systeme installiert: ein vertikales sowie zwei nachgeführte Systeme mit unterschiedlich hoher Aufständerung. Diese Anlage wird in den kommenden Jahren durch das Technologie- und Förderzentrum (TFZ) sowie die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) wissenschaftlich begleitet. „LandSchafftEnergie+“, das Beratungsnetzwerk am TFZ, übernimmt außerdem den Wissenstransfer und die Beratung zu Agri-Photovoltaik.
Die erste Idee zur Planung und Errichtung einer Agri-Photovoltaik-Anlage für Forschungs- und Demonstrationszwecke hatte die Bayerische Staatskanzlei bereits im Jahr 2019. Die konkrete Umsetzung begann im Jahr 2021 mit dem Baugenehmigungsverfahren. Durch die Verbindung der Anlage mit einem Forschungsprojekt erfolgte die Genehmigung im November 2022 zunächst nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB als privilegiertes Bauvorhaben. Um sie jedoch auch nach Ablauf der Forschung weiter betreiben zu können, leitete das zuständige Architekturbüro gemeinsam mit der Gemeinde zeitgleich ein reguläres Bauleitplanverfahren ein, für das der Flächennutzungsplan geändert und ein Bebauungsplan für die Fläche erstellt werden muss. Mit dieser zusätzlichen Genehmigung wird noch in diesem Jahr gerechnet.
Nachgeführt, vertikale und hoch aufgeständerte Agri-Photovoltaik-Anlagen auf einer Fläche
Die Einzigartigkeit der Agri-PV-Anlage in Grub liegt darin, dass drei unterschiedliche Systeme auf derselben Fläche umgesetzt wurden. Aus diesem Grund waren auch drei verschiedene Projektierer an der Umsetzung von November 2023 bis April 2024 beteiligt.
Das System der Öko-Haus GmbH ist eine nachgeführte Anlage mit einer Höhe der Achse in circa 2,90 Meter. Sie besteht aus vier 76 Meter langen Modultischen mit unterschiedlichen Achsabständen von 15 respektive 26 Meter und ist wie die anderen beiden Systeme nach Ost/West ausgerichtet. Der ein Meter breite nicht bewirtschaftete Streifen sowie der Flächenverlust durch die Aufständerung summieren sich auf 5,5 Prozent, so dass 94,5 Prozent der Fläche weiterhin landwirtschaftlich nutzbar sind. Die installierte Leistung dieser Teilanlage beträgt 294 Kilowatt.
Das zweite System besteht aus einer vertikal aufgeständerten Anlage der Next2Sun GmbH. Die Achsabstände der vier Reihen sind hier mit 14 beziehungsweise 25 Meter etwas geringer, die Modulreihen mit 264 Meter jedoch deutlich länger. Dadurch hat die vertikale Anlage eine installierte Leistung von 408 Kilowatt. Auch hier gibt es einen ein Meter breiten Streifen zwischen den Modulen. Die pflanzenbaulich bewirtschaftbare Fläche beträgt also 95 Prozent.
Das dritte System wurde von der Firma Krinner GmbH gebaut und ist eine hochaufgeständerte, nachgeführte Anlage mit einer lichten Höhe von etwa 4,50 Meter in horizontaler Ausrichtung. Die sieben Modulreihen sind je 13,5 Meter voneinander entfernt, abzüglich des 1,50 Meter breiten nicht bewirtschafteten Streifens bleibt eine Bewirtschaftungsbreite von 12 Meter. Die Gestellpfosten, auf denen die Modulbrücken installiert sind, haben einen Abstand von sechs Meter und sind jeweils außen und einmal in der Mitte diagonal miteinander verspannt. Dadurch kann eine Abspannung auf die landwirtschaftliche Fläche vermieden werden, eine Durchfahrt quer zur Bewirtschaftungsrichtung ist jedoch an diesen Stellen nicht mehr möglich. Es verbleiben dann 93 Prozent für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung, und die installierte Leistung beträgt 240 Kilowatt.
Die kombinierte Anlagenfläche beträgt somit rund 5,5 Hektar und die gesamte installierte Leistung 940 Kilowatt. Die vergleichsweise niedrige spezifische Flächenleistung ist dabei den teils sehr großen Reihenabständen und dem Forschungscharakter der Anlage geschuldet.
Auswirkung der Agri-PV auf Landwirtschaft, Mikroklima, Biodiversität und Akzeptanz
Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts durch das TFZ und die LfL begann bereits im Jahr 2022 im Projekt „KonzeptAgriPV“ durch erste Bestandsaufnahmen auf der Projektfläche und die Dokumentation des Planungs- und Genehmigungsverfahrens. Letzteres wurde verallgemeinert und leicht verständlich in Form eines Leitfadens sowie eines Erklärvideos aufgearbeitet und dargestellt: https://www.tfz.bayern.de/rohstoffpflanzen/agri_pv/
Im aktuellen Projekt „PilotAgriPV“ (Mai 2023 bis April 2026) werden durch den Betrieb der Anlage Informationen über die komplexen Wechselwirkungen verschiedener Agri-Photovoltaik-Systeme und der Landwirtschaft gesammelt und für die Beratung sowie den wissenschaftlichen Diskurs aufbereitet. Im Zentrum stehen dabei das gesamtwirtschaftliche Konzept und die Auswirkungen des Anlagenbetriebs auf die Entwicklung der landwirtschaftlichen Kulturen, des Ertrags und der Qualität des Ernteguts sowie auf das Mikroklima im Pflanzenbestand und auf der Gesamtfläche der Agri-Photovoltaik-Anlage. Dafür werden Niederschlag, Windgeschwindigkeit, Luft- und Bodentemperatur sowie -feuchte, Blattfeuchte und photosynthetisch aktive Strahlung kontinuierlich gemessen und ausgewertet.
Weiterhin sollen die ökologischen Auswirkungen durch die Agri-Photovoltaik und die unbewirtschafteten Aufständerungsstreifen untersucht werden, insbesondere bezüglich einer Veränderung der Biodiversität. In all diesen Aspekten werden die Unterschiede zwischen den drei verschiedenen Agri-PV-Systemen und der Vergleich zur unbebauten Referenzfläche betrachtet. Darüber hinaus wird die gesellschaftliche Akzeptanz der Agri-Photovoltaik-Anlage in Grub weiter durch Umfragen in den anliegenden Gemeinden untersucht.
Seit April dieses Jahres wird auf der gesamten Fläche Sommergerste angebaut und die Pflanzenentwicklung über das Anlegen von Versuchsparzellen engmaschig erfasst. Es zeichnet sich aktuell ein geringer Entwicklungsrückstand der Bereiche entlang der Modulstreifen der ersten beiden Systeme sowie des gesamten Bestandes der hoch aufgeständerten Agri-Photovoltaik-Anlage ab. Erste Daten hinsichtlich der Ertragsmengen und -qualität wird es nach der Ernte, die voraussichtlich im August erfolgt, geben.
— Der Autor Malte Stöppler hat in Göttingen Agrarwissenschaften mit den Schwerpunkten Nutzpflanzenwissenschaften und Agribusiness studiert. Er ist seit 2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Technologie- und Förderzentrum und bearbeitet die Projekte „KonzeptAgriPV“ sowie aktuell „PilotAgriPV“. —
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Zählt man 1+1 zusammen, dann ergibt sich folgendes Bild: Um auf 5,5ha ein knappes MW nachgeführte Ost-West-PV Leistung zu installieren, würde auch ein knapper ha reichen. Die restlichen 4,5ha könnten beliebig der landwirtschaftlichen Nutzung ohne irgendwelche Einschränkungen oder Behinderungen zugeführt werden. Wenn es um die Regeneration des Bodens geht, sollte man die überbaute Fläche alle 20 Jahre wechseln, so dass nach 100 Jahren jede Ecke des Ackers mal mit einer 20-jährigen Ruhezeit dran war.
Statt dessen gehen hier 5% (0,3ha) verloren, die Anlagen müssen teuer hochaufgeständert werden, und die Landwirtschaft darunter bzw. dazwischen macht keinen Spaß, weil die Module die Handhabung der Geräte erschweren, die Fahrwege eingeschränkt sind, und viele Pflanzen schlechter wachsen. Wahrscheinlich ist der Reinigungsaufwand auch deutlich höher, wenn landwirtschaftliche Nutzung und Module so dicht nebeneinander stehen. Und was macht man nach 20 Jahren? Weiter so? Nächster 5,5ha-Acker, der intensiver genutzt worden war?
PV-On-Top Ackerland klingt gut, scheint aber doch mehr mehr Probleme zu machen, als Nutzen zu bringen. Wenn schon Aufständern von PV-Modulen, dann doch eher über Straßen und Parkplätzen. Und Freiflächen-PV zeitlich begrenzen, so dass der in 20 oder 30 Jahren regenerierte Boden dann wieder in die landwirtschaftliche Vollnutzung zurückkehrt.
Interessant fände ich noch die Frage, ob es sinnvoll sein könnte, den Wechselrhythmus zu erhöhen, also z.B. alle drei Jahre die Fläche zu wechseln. Auch eine unterschiedliche Nutzung in der Vegetationsperiode und im Winter wäre denkbar: Zusammenschieben der Modulreihen im Sommer, wenn die Sonne meistens höher steht, und Auseinanderziehen im Winter, wenn die Sonne niedrig steht, und der Acker brachliegt. Dazu müsste man mobile Modulreihen und Kabelanschlüsse entwickeln. Aber es erschiene mir zukunftsträchtiger, als das oben erprobte Anlagenlayout.
Agri-PV und weitere Forschungen in diese Richtung sind in meinen Augen Augenwischerei, denn das Haupt-Argument für Agri-PV – die Flächenknappheit – ist vollkommen irrelevant, wenn man weiß, dass derzeit ca. 2,3 Millionen Hektar Agrarland für den Anbau von Energiepflanzen dienen. Auf 2,3 Millionen Hektar könnte man mit Solarparks locker 2300 Terawattstunden Solarstrom pro Jahr erzeugen und das ist ca. 50 mal mehr Energie, als sich mit Energiepflanzen ernten läßt.
Agri-PV ist im Vergleich zu reinen Solarplarks teurer, ineffizienter, komplizierter, schwerer zu bauen und zu warten, vertragsrechtlich ein Wahnsinn, erzeugt bürokratischen Kontrollaufwand und erzeugt pro Hektar erheblich weniger Energie. Wenn in wenigen Jahren bis Jahrzehnten aufgrund des Klimawandels die Landwirtschaft im Freiland nicht mehr funktioniert, dann hat man auch noch mit Zitronen gehandelt.
Es ist an der Zeit sich ernsthaft zu fragen, warum man die Energiewende auf Freiflächen unnötig teuer und kompliziert macht? Wer hat daran ein Interesse?
Ralf Schnitzler schrieb:
„Agri-PV und weitere Forschungen in diese Richtung sind in meinen Augen Augenwischerei“
Wenn wir etwas weniger engstirnig denken und einmal schauen, was seit mindestens über 100 Jahren immer und immer wieder auf den Tisch gebracht wird, nämlich die Wiedereinführung von Hecken, kann man von da aus auch einmal weiter denken.
Mit dem bereits erworbenen Wissen, dass Solaranlagen eben die Biodiversität erhöhen, kann zum problemlos vertikal aufgeständerte Konfigurationen sehen. Daran ist nichts teuer, ineffizient oder gar kompliziert. Die vertikalen Module können in Kombination mit dem darunter befindlichen Bewuchs die Funktion der Hecken übernehmen.
Hier wäre doch einmal die Meinung eines studierten Landwirtes recht interessant?
Als studierter Landwirt hat man sich vermutlich auch schon damit beschäftigt, dass die Klimaänderung eben den Anbau nativer Pflanzen teilweise gar nicht mehr zulässt. Wie diverse praktische Studien gezeigt haben, kann eben hochaufgeständerte Photovoltaik hier den Anbau, besonders in Gebieten, welche bereits stark vom Klimawandel betroffen sind, überhaupt erst wieder möglich machen.
Agrivoltaic kann mit einer größeren vertikalen Feldabgrenzung anfangen und dann bei Bedarf/Erfolg erweitert werden. Viele Landwirte sehen dem gespannt entgegen und ich habe noch keinen getroffen, welcher sagt, dass er die resultierenden Einkünfte ablehnt. Hier könnte schnell und in der Breite die Balkonsolargeschichte im großem Stil weitergeschrieben werden.
Es gibt in Deutschland ca. 255.000 landwirtschaftliche Betriebe, wenn jeder dieser Betriebe _im Durchschnitt_ verhältnismäßig winzige 200kWp (0,2MWp) installieren würde, hätten wir zusätzliche 51GWp und damit fast eine Verdopplung der bisherigen Kapazität. Das wäre vertikal aufgeständert etwas über 650m in einer einzelnen Reihe, bei effizienteren Modulen gar noch deutlich weniger.
Zum Beispiel ca. 70% Bifazial vertikal in Ost-West-Ausrichtung und 30% flach bzw. Süd-Ausrichtung zum Beispiel erlauben eine recht stabile Produktion über den Tag, statt der Mittagsspitze.